Studentisches Projekt gegen das Vergessen ZWEITZEUGEN e.V. sammelt und verbreitet Erinnerungen von Überlebenden des Holocausts / Projekt erhält Sonderpreis im Rahmen des Engagementpreises NRW

Die Berichte der Überlebenden trägt das Team von ZWEITZEUGEN e.V. durch Workshops auch in Schulen und außerschulische Einrichtungen. (Foto: ZWEITZEUGEN e.V.)
Die Berichte der Überlebenden trägt das Team von ZWEITZEUGEN e.V. durch Workshops auch in Schulen und außerschulische Einrichtungen. (Foto: ZWEITZEUGEN e.V.)

Das Team des ZWEITZEUGEN e.V. hat ein großes Ziel: Es kämpft gegen das Vergessen. Deshalb treffen die Mitglieder des Vereins, darunter viele Ehrenamtliche, immer wieder Überlebende des Holocausts, interviewen und portraitieren sie. Die Idee dazu ist vor zehn Jahren in einem studentischen Projekt am Fachbereich Design der FH Münster, der Münster School of Design (MSD), entstanden. Die Berichte erscheinen auf der Internetseite zweitzeugen.de sowie in Publikationen. Außerdem trägt das Team die Geschichten durch Ausstellungen und Workshops in Schulen und außerschulische Einrichtungen. Fast 12.000 Kinder und Jugendliche sowie 31.000 Ausstellungsbesucherinnen und -besucher hat der Verein bislang erreicht, schon oft wurde er für den Einsatz gewürdigt. Jetzt ist eine weitere Auszeichnung dazugekommen: Der ZWEITZEUGEN e.V. hat am Montag im Rahmen des Engagementpreises NRW den Sonderpreis erhalten. Wegen der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung digital statt.

„Für uns ist das eine tolle Bestätigung für das, was wir tun“, sagt Ruth-Anne Damm, dritte Vorstandsvorsitzende des Vereins – und von Anfang an dabei. „Sarah Hüttenberend, unsere erste Vorsitzende, hat damals Design an der FH Münster studiert. Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin und Freundin Anna Damm ist sie nach Israel gereist und hat dort die ersten Holocaust-Überlebenden interviewt. Seit 2014 sind wir ein eingetragener Verein.“ Der Engagementpreis NRW, den das Team in der Kategorie Sonderpreis bekommen hat, sei eine sehr schöne Möglichkeit, das Netzwerk zu erweitern und noch mehr Menschen zu erreichen, so Damm. „Wir merken, dass wir durch unsere Arbeit sehr viele Kinder und Jugendliche berühren und ermutigen, selbst als Zweitzeuginnen und -zeugen aktiv zu werden. Wir machen hier alle aus tiefster Überzeugung mit und tun das auch weiterhin.“

Das Team von ZWEITZEUGEN e.V. interviewt Holocaust-Überlebende – hier zum Beispiel Rolf Abrahamsohn aus Marl. (Foto: ZWEITZEUGEN e.V.)
Das Team von ZWEITZEUGEN e.V. interviewt Holocaust-Überlebende – hier zum Beispiel Rolf Abrahamsohn aus Marl. (Foto: ZWEITZEUGEN e.V.)

Die Gespräche mit den Überlebenden machen die Teammitglieder, alle Leserinnen und Leser sowie Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer zu „Zweitzeugen“ – und der Verein sorgt mit der Veröffentlichung der Berichte dafür, dass niemand vergisst. „Uns ist es wichtig, ein möglichst authentisches Portrait zu schreiben. Wir wollen die Menschen kennenlernen, von ihrer Familie und ihrem Leben erfahren – auch nach 1945.“ Fast 40 Berichte seien so in den letzten zehn Jahren entstanden und weitere sollen folgen, solange der Verein noch Überlebende findet. „Wir freuen uns: Inzwischen sind wir ein etabliertes Projekt und vielerorts bekannt. Dadurch kommt es häufiger vor, dass sich Menschen bei uns melden und ihre Geschichte erzählen wollen.“

Insgesamt hatten sich 132 Projekte um den Engagementpreis NRW beworben. Vergeben wurde dieser in drei Kategorien: Neben dem Sonderpreis an ZWEITZEUGEN e.V. ging der Jurypreis an „KUNTERGRAU“ des anyway e.V. aus Köln, der über das Thema Homosexualität informiert und aufklärt. Den Publikumspreis hat das Projekt „Balu und Du“ des Balu und Du e.V. aus Köln erhalten. Dieses Mentoringprogramm hat sich zum Ziel gesetzt, bestehende Bildungsungerechtigkeiten durch ein Mentoring-Modell für Grundschulkinder abzufedern.

Die drei Preise sind mit jeweils 3.000 Euro dotiert – und wurden wegen Corona digital überreicht. „Das Land NRW hat sich da wirklich richtig viel Mühe gegeben. Wir haben vor etwa zwei Wochen ein Paket an unsere Vereinsadresse geschickt bekommen mit Chips, Nikoläusen und Süßigkeiten, also sozusagen Nervennahrung für die Preisverleihung. Denn bis zum Schluss wussten wir ja nicht, ob wir tatsächlich gewinnen.“ Umso größer sei die Freude jetzt – nur die vielen Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht mal in den Arm nehmen zu können und mit ihnen gemeinsam anzustoßen, fehle sehr, sagt Damm. „Wir saßen alle zu Hause an unseren Rechnern und haben von da aus die Preisverleihung verfolgt. Das große persönliche Wiedersehen holen wir nach, sobald das Infektionsgeschehen das wieder zulässt.“

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