Donots: „140 Zeichen gegen Populisten“

Fast komplett: 4/5 der Donots im Heavy-Kranich-Studio (v.l.): Jan-Dirk Poggemann, Ingo und Guido Knollmann und Eike Herwig. (Foto: mw)
Fast komplett: 4/5 der Donots im Heavy-Kranich-Studio (v.l.): Jan-Dirk Poggemann, Ingo und Guido Knollmann und Eike Herwig. (Foto: mw)

Die Donots, Ibbenbürener Punkrock-Institution und mittlerweile Wahl-Münsteraner, haben uns in ihr frisch umgebautes „Heavy Kranich“-Studio eingeladen, um über das neue Album „Lauter als Bomben“ (VÖ: 12.1.2018), die Arbeit im eigenen Studio, Gelassenheit angesichts der weltpolitischen Lage und das Singen in der Muttersprache zu sprechen.

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Nach einer ausgiebigen Führung durch den ehemaligen Hochbunker in Münsters Süden, der in aufwendiger Detailarbeit zum kreativen Zentrum für die Band und ihr eigenes Label „Solitary Man Records“ umgestaltet wurde, stehen uns Ingo und Guido Knollmann, zuständig für Gesang und Gitarre, im gemütlichen Studio-Wohnzimmer Rede und Antwort.

Wie fühlt man sich, wenn endlich alles fertig ist, das Album komplett abgemischt und bereit zur Veröffentlichung? Erleichtert? Oder schon in den Startlöchern für die nächsten Projekte?

Ingo: Naja, wir sind ja jetzt mittlerweile auch unser eigenes Label, unser eigenes Management, unser eigenes Studio, im Grunde genommen echt alles in Personalunion – du bist natürlich ultrastolz darauf, wenn deine Songs fertig sind, deine Songs in deinem Studio, du bringst sie auf deinem eigenen Label heraus. Das bedeutet aber auch, dass du im Grunde immer schon auf einem Nebenschauplatz die Labelarbeit machst. Jetzt gerade ist die Platte fertig und wir haben eigentlich gar keine Zeit, uns hinzusetzen und uns richtig zu freuen, weil so unfassbar viel zu tun ist, was das Marketing angeht, was die ganze Promo angeht, wenn wir die ganze Zeit ein Interview nach dem nächsten haben. Das ist alles total schön, weil die Aufmerksamkeit gerade so groß ist, das freut uns so im 23., 24. Bandjahr. Aber die Lorbeeren fährst du erst so richtig ein, wenn du im Tourbus sitzt, denn dann ist das Album anderthalb Monate draußen, die Leute haben es schon gehört, dann hat man auch das reguläre Feedback. Und wir haben dann auch richtig Bock, die neuen Songs zu spielen.

Die neue Platte „Lauter als Bomben“ erscheint am 12. Januar, die Texte sind deutschsprachig. Fühlt ihr euch beim Texten auf Deutsch angekommen oder fühlt sich das Schreiben anders an als früher?

Ingo: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das jetzt einfach so aus der Lamäng passiert. Auch im Englischen habe ich mir das nie leicht gemacht. Man könnte sich natürlich Patchwork-mäßig einfach die schönsten Reime aus irgendeinem Liederbuch rausholen, das würde schon irgendwie passen. Aber ich probiere doch, da meinen eigenen Sprech zu finden – das habe ich im Englischen gemacht und im Deutschen jetzt nochmal umso mehr. Ich hoffe halt, dass ich so wenig Sätze wie möglich verschwende. In der deutschen Sprache kann man so viel kleinteiliges Zeug in die Texte einbringen, da muss ich gucken: Wie viele Ideen habe ich und wie viel davon kann ich in den Texten unterbringen. Ich wüsste jetzt schon wieder, was ich bei der nächsten Platte anders machen würde, aber ich bin erstmal ganz zufrieden. Bei der „Karacho“ (dem ersten deutschsprachigen Album der Donots – Anm. d. Red.) musste man das Schwimmen erst einmal wieder neu lernen und gucken, wie man ans Rudern kommt und über Wasser bleibt beim Texten. Mittlerweile, würde ich sagen, habe ich da schon zumindest ein Seepferdchen gemacht (lacht).

Also ist der Wohlfühlfaktor mittlerweile gegeben?

Ingo: Auf jeden Fall! Es macht ultraviel Spaß. So hart die deutsche Sprache auch manchmal klingt, so clevere kleine Wortspielchen kannst du auch basteln. Und das mag ich total gerne. Ich glaube, ich bin da auf einem guten Weg, dass ich irgendwann auch so richtig zufrieden bin [lacht].

Ihr seid ja weltweit sehr gut vernetzt – wie sehen denn eure internationalen Freunde und Fans den Sprachwechsel? Gab es da viele Reaktionen? Verstehen die plötzlich nichts mehr oder haben gar eine neue Motivation, Deutsch zu lernen?

Ingo: Wir haben ja ehrlicherweise die Karacho nochmal auf Englisch aufgenommen. Vor allem für die Tour, die „Salty Dog Cruise“, die wir mit Flogging Molly und Rancid um die Bahamas herum auf einer Fähre gespielt haben, auch für Japan, wo wir dann zur Veröffentlichung der „Karacho“ nochmal in Tokyo waren. Für die Leute außerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es diesen Sprachwechsel also gar nicht so unbedingt. Ich habe die Texte von „Lauter als Bomben“ auch schon ins Englische übersetzt, wir haben nur überhaupt noch keine Zeit gehabt uns mal Gedanken zu machen, wann wir das mal aufnehmen. Obwohl das jetzt natürlich in unserem eigenen Studio stattfinden könnte. Mir macht beides viel Spaß, deutscher und englischer Text, und ich möchte das auch gar nicht missen oder auf eins von beiden verzichten. Wir dürfen im Moment die größten Donots-Shows aller Zeiten in Deutschland spielen, was sicherlich auch durch diesen Sprachwechsel begünstigt worden ist, aber wir sind trotzdem schönerweise auch eine Band, die international touren kann und gut vernetzt ist, wie du schon sagst. Von daher will ich das auch nicht auf einmal brach liegen lassen.

Sind lauter als Bomben: Unsere Gesprächspartner, die Gebrüder Knollmann, Guido und Ingo. (Foto: mw)
Sind lauter als Bomben: Unsere Gesprächspartner, die Gebrüder Knollmann, Guido und Ingo. (Foto: mw)

Wie sieht es denn mit Mundart aus? Ingo, du hast ja durchaus schon in anderen Projekten, wie z.B. der Band Schrappmesser, Musik auf Plattdeutsch gemacht. Habt ihr auch schon mal für die Donots über schönes Münsterländer Platt nachgedacht?

Guido: Das wär geil! Ingo und ich sind ja Geschwister und bei uns zu Hause wurde mit Oma und den Eltern immer Plattdeutsch geredet. Verstehen kann ich das alles noch, nur nicht sprechen, aber ich finde, Plattdeutsch klingt schon geil, manchmal schön „angesoffen-asig“ – im positiven Sinn!

Ingo: Pah! Da müsst ihr aber GEMA-Kohle an Schrappmesser abgeben! (lacht) Ich verklage ab jetzt alle Bands, die Plattdeutsch aufnehmen wollen, hehe! Aber ja, lustig wäre das auf jeden Fall. Unsere Freunde Itchy (bis 2017: Itchy Poopzkid – Anm. d. Red.) zum Beispiel, die kommen aus Schwaben, da fänd‘ ich‘s auch megageil, wenn die mal eine Schwaben-Punk-Platte machen würden.

Vielleicht wird es ja Zeit für eine Mundart-Collection mit Punkbands aus ganz Deutschland?

Guido: Gegenseitig die anderen Bands covern, auf Plattdeutsch, Schwäbisch, …

Ingo: Boah, das ist eigentlich eine ganz gute Idee.

Euer eigenes Studio habt ihr schon erwähnt und wir durften auch schon einen Blick in die Räumlichkeiten werfen. Ein beeindruckendes und arbeitsaufwendiges Projekt. Was war der Auslöser, wie seid ihr auf die Idee gekommen, das alles selbst in die Hand zu nehmen?

Guido: Wir hatten jetzt schon diverse Proberäume, zuletzt haben wir in Everswinkel auf einem Bauernhof in einer kleinen Hütte geprobt. Das Problem war: In der kleinen Hütte konntest du durchs Dach schon den Himmel sehen, naja, es gab halt wenig Dach (lacht). Im Winter standen wir dann in dicker Jacke da und haben uns tierisch einen abgefroren. Da haben wir uns mal nach was Neuem umgehört und Hendrik, der Sänger von Eat The Gun, meinte: Da gibt es ein Studio, ich kenne den Typen, der möchte das untervermieten. Und so sind wir dann da dran gekommen. So fing das an und hat sich dann immer weiter entwickelt. Irgendwann haben wir dann gedacht: Das ist doch eigentlich verschenkter Raum, denn hier war vieles vorher nicht im Optimalzustand, lass uns doch mal ein bisschen Kohle in die Hand nehmen, den Arsch zusammenkneifen und hier mal ein bisschen was machen.

Ingo: Das ist auch wirklich gut angelegtes Geld gewesen. Auf der einen Seite will man da, wo man probt, auch eine gute Atmosphäre haben und nicht denken: Ich muss hier schnell wieder weg! Auf der anderen Seite braucht man heute diese riesigen Strukturen, wie das in den Achtzigern und Neunzigern war, nicht mehr. Da ging man dann zwei Monate in ein riesenfettes Studio und ein Major-Label brachte dann das Album raus. Die Zeiten haben sich geändert, du brauchst keine ultra riesigen Räume mehr, das hier klingt auch total gut, wir haben den größten Teil der Platte direkt hier aufgenommen. Das Studio ist also eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Wir können hier ab jetzt jedes unserer Alben aufnehmen, vor allem kann man – wie bei Lauter als Bomben – auch einfach mal Momente festhalten. Wenn du ein geiles Riff hast oder gerade in einem guten Flow bist, gehst du einfach rüber und schneidest eben mit. Dann kann mal solche „dreckigen“ Spuren, die zum Teil „asi“, aber eben genau daher gut sind, für die finale Produktion gebrauchen.

Guido: Und generell ist es auch wegen der ganzen politischen Lage gerade ganz gut, dass wir einen Bunker haben (lacht).

Auch Live eine Einheit, die Brüder Knollmann, hier beim ungefähr 1000. Konzert. (Foto: sg)
Auch live eine Einheit, die Brüder Knollmann, hier beim „Ungefähr 1000. Konzert“. (Foto: sg)

Vielleicht hättet ihr doch nicht so große Löcher für die Fenster in die Wände stemmen sollen. Hat sich denn die eigene Arbeitsweise durch das neue Studio verändert?

Guido: Ja, Zeit ist immer das Wichtigste im Studio. Und wenn du ein eigenes Studio hast, dann hast du Zeit. Das ist wichtiger als irgendein gutes Equipment.

Ingo: Genau. Du darfst dich aber natürlich auch nicht verzetteln und denken: Ach, wir haben ja noch ewig und drei Tage, wir können ja immer wieder reingehen und weiter dran arbeiten. Irgendwann muss man trotzdem loslassen und sagen: Das Ding ist jetzt so fertig. Aber in Sachen Zeitmanagement müssen wir mittlerweile sowieso viel punktgenauer gucken, weil außer Jan-Dirk (Poggemann, Bass – Anm. d. Red.) jeder schon Kinder hat und die natürlich richtigerweise auch ihre Zeit einklagen. Deshalb ist es schon gut, wenn man nicht gucken muss: Wo buche ich jetzt ein Studio, wann hat das Studio mal Zeit? Wir können uns die Zeit hier nehmen, wie wir möchten.

Und diese Möglichkeit gebt ihr jetzt auch anderen Bands und vermietet euer Studio.

Ingo: In der Tat. Der Robin (Völkert, Produzent und Live-Sound-Verantwortlicher – Anm. d. Red.), mit dem wir das Studio zusammen aufgezogen haben, unser sechster Mann auf der Bühne und auch Engineer der Platte, hat „leider“ zum neuen Jahr eine Festanstellung bekommen und hört daher vorerst hier auf, ist aber hin und wieder noch mal vor Ort, um einige Projekte zu betreuen. Wenn Bands also einen eigenen Engineer mitbringen, haben sie hier eine super Infrastruktur, um das zu machen.

Neben eurem eigenen Studio habt ihr mit Solitary Man Records auch ein eigenes Label, ursprünglich mal gegründet, um die Alben anderer Bands – u.a. Beatsteaks, Boysetsfire, Dropkick Murphys, Muff Potter und Placebo – in Japan zu vertreiben. Wie kam es dazu?

Ingo: Wir waren um 2002 zum ersten Mal in Japan auf Tour und waren da verrückterweise über Importe schon in den entsprechenden Charts vertreten. Dann haben wir unsere Alben „Pocketrock“ und „Amplify the Good Times“ da nochmal offiziell veröffentlicht und waren plötzlich von Null auf Platz zwei oder drei in den japanischen Charts, was völlig crazy war. Dementsprechend hatten wir da plötzlich eine riesengroße Aufmerksamkeit und waren drei, vier, fünfmal auf Tour in kurzen Zeiträumen und unsere Verlagslady vor Ort meinte: Ey, wenn du in Interviews hier irgendwelche Bands empfiehlst, dann merkt man das an den Verkaufszahlen, dann gehen die Japaner halt los und kaufen das. Ihr habt doch als Band viele Freunde, deren Platten hier zum Teil gar nicht offiziell erhältlich sind, haben die nicht Bock, in Japan zu veröffentlichen? Dann könnten wir doch ein Label aufziehen und dann machen wir das. Ihr akquiriert die Bands und wir stellen die hier in die Läden. So ist das Ganze angefangen und dann hatten wir plötzlich ein interkontinentales Indie-Label am Start und haben dann eben so schöne Bands, die du eben genannt hast, veröffentlichen dürfen. Irgendwann haben dann verrückterweise sogar Placebo bei uns angeklopft und suchten nach dem Ende ihres Deals mit Warner ein paar Indie-Dependencen, um ihr neues Album weltweit zu veröffentlichen, wir würden da in Japan ja einen ganz guten Job machen. Und dann haben wir da eine ganze Zeit lang Bands veröffentlicht.

Guido: Toy Dolls haben wir auch gemacht!

Ingo: Genau! Dann ist aber Fukushima passiert und nach diesem Tsunami hat sich das komplette Leben in Japan so sehr gewandelt, dass auch fast alle Indie-Labels dicht gemacht haben, weil Musik dann nicht mehr so sehr im Fokus gestanden hat. Seitdem liegt Solitary Man in Japan auch auf Eis. 2008 haben wir dann die Labelstruktur nach Deutschland geholt, um für uns selbst die „Coma Chameleon“ zu veröffentlichen. Dann haben wir mit Solitary Man diverse Joint Ventures klar gemacht, zuerst mit Indigo als Vertrieb, dann für zwei oder drei Alben mit Universal. Zum neuen Album haben wir uns jetzt dazu entschieden, von Universal wegzugehen und wieder alle Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Jetzt ist Warner unser Vertrieb und wir haben wieder die komplette Kontrolle über alles.

Guido: Der Kreativbereich lag ja auch vorher schon immer bei uns, jetzt aber auch Fragen wie: „Wann bringst du was raus?“ und auch der ganze Promo-Bereich, das ist ja auch eine sehr kreative Sache. Große Labels sind da manchmal schon sehr stocksteif und sind vor allem auch nicht schnell dabei, irgendwelche Ideen umzusetzen. Das dauert da immer ein bisschen, mit einem eigenen Label kannst du aber einfach direkt losschießen.

Ingo: Auch ein ganz klassisches Ding: Wir als Band sind sehr dafür, dass unsere Musik überall verfügbar ist. Für uns zählt, dass live die Hütten voll sind. Wenn man ehrlich ist – über Plattenverkäufe haben wir fast noch nie wirklich was verdient. Das ist immer eine gute Kurbel, um das Livegeschäft ein bisschen zu boosten. Die Universal hat eine weltweite Rechtsabteilung, die ein einheitliches Urteil darüber fällt, wie halt Musik herausgegeben wird oder auch eben nicht. Da haben wir zum Beispiel bei der „Karacho“ einen Auftritt bei Circus HalliGalli gehabt und hatten Vom von den Toten Hosen, Bela B. von den Ärzten und Flo von den Sportfreunden Stiller am Schlagzeug dabei (Schlagzeuger Eike Herwig war zu der Zeit wegen einer Verletzung ausgefallen – Anm. d. Red.), was total geil war und megagut angekommen ist. Am nächsten Tag hat dann die HalliGalli-Redaktion gefragt, ob sie das online stellen dürfen. Wir haben natürlich gesagt: Unbedingt, megageil, das wird sich bestimmt super verbreiten. Und in dem Moment sagt die Universal: Ne, wenn ProSieben nicht bezahlt, dann kriegen die das nicht! Und dann war das Thema natürlich vorbei.

Live sind sie zuhause, die Donots. (Foto: sg)
Live sind sie zuhause, die Donots. (Foto: sg)

Da haben sich die Major-Label also mit solchen Aktionen selbst ins Aus geschossen. Eigenes Studio, eigenes Label – der „Do-it-yourself“-Gedanke liegt euch also mehr?

Ingo: DIY, ja. Wir haben ja schon immer sehr viel selber in die Hand genommen. Selbst wenn du mit einem großen Label zusammenarbeitest, das sind ja trotzdem nicht die, die immer alle Ideen haben. Am besten weißt du doch selbst, was du möchtest und was du nicht möchtest, wie du dargestellt werden willst oder wie eben nicht. Deshalb finde ich es besser, dass in Zeiten von Social Media, wo man eigentlich ultraschnell auf alles, was gerade los ist, reagieren kann, nicht alles über gefühlt 2000, 3000 Schreibtische gehen muss, bis du mal zu einem Punkt kommst. Wir setzen uns jetzt einfach zusammen und sagen uns: Wollen wir das und das so machen? Wir hatten neulich noch so einen Fall, wo wir auf dem Highfield Festival zu „Whatever forever“ ganz schnell ein Video gedreht haben, weil ein Kumpel von uns eine 360-Grad-Kamera dabei hatte. Dann haben wir überlegt, wann denn wohl eine gute Zeit ist, um das Video zu veröffentlichen, als Alex (Siedenbiedel, Gitarre – Anm. d. Red.) sagte: Boah, ich hab total Bock, das Ding heute Abend rauszuhauen. Einfach so, auf einem Donnerstag. Sechs Stunden später war das Video online. Solche Sachen kann man dann wirklich schnell ankurbeln.

Politisches Engagement ist bei euch immer ein wichtiges Thema. War das auch mit ein Grund für deutsche Texte, um die Leute noch direkter zu erreichen? Oder lief das unabhängig voneinander?

Ingo: Das lief eigentlich eher so, dass wir mit Flogging Molly in den USA auf Tour waren und uns da wie Schuppen von den Augen gefallen ist, wie krass Leute ihre Muttersprache musikalisch noch schneller aufsaugen und mit noch mehr Herz wieder rausbrüllen. Wir haben dann irgendwo in der Wüste von Nevada kurz vor Las Vegas eine Pinkelpause gemacht und gesagt: Hey, fuck, lass uns das doch mal probieren auf Deutsch! Dann habe ich aber auch gedacht, wenn das so belanglose, nichtssagende deutsche Musik wird, dann habe ich da auch keinen Bock drauf. Davon gibt‘s zu viel in Deutschland. Eigentlich kann ich an ein oder zwei Händen abzählen, wie viele deutsche Künstler es gibt, die ich wirklich mag. Den Rest finde ich irgendwo zwischen fürchterlich und fürchterlich egal. Dann haben wir angefangen und in unseren alten Schallplattenschränken geschaut, was unsere Lieblings-Deutschpunk-Platten waren. Die hatten natürlich immer Attitüde, die hatten immer eine Richtung, die wollten was, die haben einen ziemlich direkten Sprech gehabt. Das war mir sehr, sehr wichtig. Und ja: Dann hast du in Zeiten wie diesen auch eine gewisse Aufgabe oder Verantwortung, die Leute, die du erreichen kannst, auch zu erreichen. Die zu aktivieren, zu mobilisieren oder zumindest zum Nachdenken anzuregen. Zur Karacho-Platte waren wir an unserer alten Schule, am Keppler-Gymnasium in Ibbenbüren, und haben eine Doppelstunde Vertretung gegeben, für‘s Spießer-Magazin oder sowas. Das war eine elfte Klasse damals und man würde ja eigentlich denken, das sind junge Leute, die sich mit Politik oder sozialem Engagement auseinandergesetzt haben. Es war erschreckend, wie wenig die über die Flüchtlingsthematik, über Rassismus und Faschismus Bescheid wussten. Unglaublich, das kannst du dir nicht vorstellen.

Die Donots auf dem Vainstream Rockfest 2015. (Foto: th)
Die Donots auf dem Vainstream Rockfest 2015. (Foto: th)

Guido: Da war auch von vornherein so wenig Interesse an dem Thema generell. Die haben sich damit noch nie so wirklich beschäftigt, obwohl es einem jeden Tag um die Ohren fliegt.

Ingo: Dann denke ich mir: Wenn wir für die Kids heutzutage das sein können, was für uns damals Bad Religion oder Die Toten Hosen waren, dann haben wir die verdammte Verantwortung, das auch zu machen. Gerade in Zeiten wie diesen, wenn ein Psychopath im Oval Office sitzt und in 140 Zeichen twittert, Jerusalem als Hauptstadt anerkennt, und gleichermaßen denkt, dass Belgien eine Stadt in Deutschland ist … wenn der also in Großbuchstaben 140 Zeichen in die Welt ballert, dann machen wir das auch! In Zeiten, in denen Populismus, vor allem Rechtspopulismus, en vogue ist, dann sind wir gerne der linkspopulistische Flügel der Popmusik.

Ihr habt auf dem neuen Album nicht nur politische Inhalte, es geht unter anderem um gute Laune, ein bisschen Nostalgie, auch mal eine ordentliche Party feiern zu können. Überlegt ihr euch vorher, welche Themen in welchen Anteilen auf einem Album vertreten sein sollen, oder schreibt ihr einfach drauf los?

Guido: Grundlegend ist das mit dem Planen bei uns ja schon mal für‘n Arsch. Wir haben mal versucht, fürs nächste Album vom Sound her mehr in die Richtung von The Cure zu gehen. Das hat genau zwei Proben gedauert, bis wir gesagt haben: Ey, scheiß drauf, machen wir einfach, was aus dem Bauch kommt! Wirklich planen geht bei uns überhaupt nicht. Auch, dass das neue Album wieder auf Deutsch ist, das war am Anfang gar nicht so klar. Wir haben einfach geguckt, was Bock macht. Wir rennen da einfach so rein, auch thematisch, das hängt immer davon ab, worüber man gerade singen will. Da gibt es keinen thematischen Überbau, wo man sagt: Warte mal, wir haben jetzt das und das, davon fehlen noch 200 Gramm thematisch. Das ist immer ein Reinrennen, was ich auch sehr schön finde.

Ingo: Ich hatte als einzige Prämisse für mich, was das Texteschreiben angeht, dass man nicht immer nur nein sagt, sondern auch mal ja sagt auf dieser Platte. Auf der“ Karacho“ sind wir ja eher – wie der Name schon sagt – rein in den Ring, um so viele Treffer wie möglich zu landen. Wenn du die ganze Zeit nur motzt und meckerst, dann haben die Leute irgendwann die Schnauze voll davon. Wir wollen ja nicht missionieren, ich würde nicht mal sagen, dass wir in erster Linie eine politische Band sind, wir sind einfach nur Leute, die einen gesunden Menschenverstand haben. Und dann kannst du nur gegen Rechts sein. Natürlich gibt es viele Sachen, über die du kotzen kannst, und das soll Punk ja auch, aber Punk ist auch gleichermaßen „Network of Friends“ und die guten Zeiten eben trotz der ganzen Scheiße zusammen zu feiern. Und dann kommen halt Songs wie „Eine letzte Runde“ dabei heraus – oder „Das Dorf war L.A.“, den Guido geschrieben hat.

Eine letzte Runde ist ein gutes Stichwort. Ihr habt ein Video an einem wunderschön skurrilen Ort gedreht. Was hat euch zu diesem Puppen- und Märchenwald-Thema gebracht, ist das ein Kindheitsding?

Guido: Ja total. Wir waren da als Kind ganz oft, der Märchenwald ist ja der in Ibbenbüren, wo wir groß geworden sind. Und wie oft wir da früher waren und auch jetzt wieder mit unseren Kids sind. Das sieht so – im Positiven! – skurril aus, weil auch die Figuren immer noch die alten sind, das hat einen ganz komischen morbiden Charme, da haben wir uns gedacht: Da müssen wir mal was machen! Dann sind wir da einfach mit unserem Videoproduzenten rein, der war auch total begeistert. Auch das Team von Sommerrodelbahn und Märchenwald war total nett, die haben uns da sogar was zu Essen hingestellt und waren total froh und fühlten sich geehrt, dass wir da sind. Aber eigentlich war es für uns eine Ehre, wir haben da unsere Kindheit verbracht, danke, dass wir da rein durften!

Ingo: Das passt auch total gut zu dem Song. Das ist ja ein Saufsong – ja, wir haben einen Saufsong geschrieben, das tun nicht nur andere!

Das gehört ins Portfolio jeder anständigen Punkband.

Guido: So sieht‘s aus!

Ingo: Der Song hat ja trotzdem irgendwie so etwas altes, modriges, The Clash-mäßiges vom Sound her. Das passt dann wie Arsch auf Eimer, dass du da in einer staubigen Zwergen-Klause auf dem Boden liegst. Das Konzept ist einfach super aufgegangen

Donots-Bassist Jan-Dirk Poggemann. (Foto: th)
Donots-Bassist Jan-Dirk Poggemann. (Foto: th)

Ans Thema „Ausflugstipps für Ibbenbüren“ können wir also einen Haken machen. Habt ihr, nachdem ihr ja schon länger hier unterwegs seid, auch ein paar Ausgeh-Tipps für Münster?

Ingo: Wir legen immer noch Kränze an dem Ort aus, an dem das Raketencafé war. Wir können immer noch nicht glauben, dass das dicht ist. Wir sind natürlich immer am Hansaring unterwegs, klar. (Dem die Band auf „Karacho“ auch ein musikalisches Denkmal gesetzt hat – Anm. d. Red.) Essenstechnisch ist das Bucks super, veganes Essen, voll gut! Und Café Med kannst du natürlich immer machen.

Guido: Ich habe ja 14 Jahre in Münster gewohnt, über dem Döner King direkt gegenüber vom Gleis 22. Das war super, im Keller hatten wir einen Puff, im Erdgeschoss den Döner King und dann wir im ersten Stock. Das war wie Phantasialand. Und von da aus sind wir dann los: Gleis 22, ein wunderbarer Laden, die Gorilla Bar, das Plan B am Hansaring war mein zweites Zuhause.

Ingo: Bohème Boulette, Watusi-Bar natürlich, aber auch ganz klassisch: Die Promenade ist halt echt schon schön. Und Promenade und Aasee ist eine supergeile Jogging-Strecke.

Guido: Und Green Hell. Unbedingt zu Green Hell, bester Plattenladen, gute Leute, wirklich.

A propos Rausgehen – im Februar und März geht es mit dem neuen Album auf Tour.

Ingo: Genau, am 12. Januar kommt die Platte raus, dann werden wir ein paar Fernsehsender und Radiostationen abklappern und dann sind wir ab Februar auf Tour und machen in drei Tourblöcken jeweils 5 Shows in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir haben ganz tolle Supports dabei: Matze Rossi, unsere alten Freunde von ZSK sind mit dabei und Leoniden, auch eine tolle Band. Sehr verrückt, dass es eine deutsche Band gibt, die so klingen kann, als ob die tanzen könnten wie Justin Timberlake. Das ist schon ziemlich beeindruckend.

Und wie gut lässt sich der ganze Stress mit eurem Privatleben kombinieren? Der ein oder andere von euch ist ja mittlerweile Familienvater. Gibt es da schon mal Ärger zu hause?

Ingo: Na klar, aber das ist zu erwarten. Unser Leben ist schon supergeil, aber das ist auch eben nicht die Norm. Wir haben ja keine Stempeluhr hier im Studio und einen Nine-to-five-Job. Du bist ja immer irgendwie der Typ aus der Band. Das lebt halt auch davon, dass du kurzfristige Anfragen bekommst für irgendwelche Shows, dass du dir immer überlegen musst: Was können wir noch Nettes machen, damit unsere Band eine Band ist, für die es sich lohnt, Fan zu sein. Ich möchte nicht, dass es eine Band ist, die a) unnahbar ist und b) eine ganz komische Veröffentlichungspolitik hat. Ich möchte, dass es den Leuten Spaß macht, am Ball zu bleiben und die Band in möglichst vielen Konstellationen zu sehen. Das heißt aber auf der Gegenseite: Du bist halt oft von zu Hause weg.

Guido: Ich hab meiner Dame gesagt: Du wusstest das von vornherein, selber Schuld! (lacht)

Ingo: Aber Kinder klagen natürlich trotz allem richtigerweise.

Guido: Auf jeden Fall!

Ingo: Für uns ist das natürlich total geil. Wir können uns zu Hause schon auf die nächste Tour freuen und auf Tour kannst du dich freuen, dass zu Hause so ein kleiner Stöpsel auf dich wartet. Aber erkläre mal einem zweijährigen Kind: Der Papa geht jetzt für drei Wochen auf Tour. Und das Kind sagt: Papa nicht gehen, Papa hier bleiben. Das ist schon nicht einfach. Aber andererseits bekommen wir das – glaube ich – ganz gut hin und haben bei den Kindern noch keine negativen Entwicklungen feststellen können.

Dann vielen Dank für das Gespräch, viel Spaß auf der Tour und viel Erfolg mit dem neuen Album!

Das Album Lauter als Bomben erscheint am 12. Januar 2018 auf Solitary Man Records, ein ausführliches Review gibt es bald bei ALLES MÜNSTER.

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