Masematte: Münstersche-Multi-Kulti-Melting-Pot-Sprache Im 2. Teil ihrer Kolumne erklärt uns Marion Lohoff-Börger, dass Masematte so etwas wie ein Eintopf ist

Die Zutaten für den Masematte-Eintopf sind Rotwelsch, Jiddisch, Romanes, Platt und ein paar andere Kleinigkeiten. (Foto: Marion Lohoff-Börger)
Die Zutaten für den Masematte-Eintopf sind Rotwelsch, Jiddisch, Romanes, Platt und ein paar andere Kleinigkeiten. (Foto: Marion Lohoff-Börger)

Also, wenn se mich schmusen, dat die Masematte dat „Münsteraner Platt“ is, dann hege ich nen hamel Rochus. Ömmes! Da stelln sich mir die Nackenhaare auf zwölf Uhr. Dat is so watt von falsch! Da würde sich sogar unser Annette, dat kränkelnde Animchen aus Havixbeck, in ihr Kolani umdrehen.  Modewehl!!!!! Masematte dat is ne Geheimsprache, ne Sondersprache, die nur so 600 Wörter hat. Wenn dir nen Seegers schmust, dat se bei ihn bei Beis „fließend Masematte“ sprechen täten, dann is dat schlichtweg falsch. Ömmes!

Masematte ist eine Teil-Sprache. Du kannst da rakawehlen, wat dir so in dein Schero reinkommt und wie dir dein Jöl gewachsen ist. Und nur, wenn du dat brauchst, dann nimmst du Wörter ausse Masematte. Wenn die Situation datt so will, sozusagen. Die Sprache hatte (hat?) für die Seegers und Kalinen eine Funktion. Beispiel: Also, wenn du willst, datt die anderen da drüben, die an den „anderen“ Tisch inne Katschemme sitzen dich nicht verstehen sollen, dann laberste Masematte. Oder wenn ihr aufm Beheime-Schock euer Schassörken verkaufen wollt und dat is nur die Hälfte von dem wert, wat ihr dafür haben wollt, dann kannste jovel mit dein Kompagnon Masematte rakawehlen. Habt ihr dat ömmes gemuckert? Masematte braucht man eben, wenn man kochum sein muss. Und dat muss ja jeder, oder? Son bisken Figine muss ja erlaubt sein.

Und wat noch viel wichtiger für die Masemattesprechenden war (ist?), dat is, dat die ja nicht viel anderes besaßen, als ihre eigene Sprache. Dat waren kleine Leute, Halbkarötter, die ihre Masematten gemacht haben: Klünts, Tagelöhner, fahrendes Volk, Hausierer, Tippeljöner, Marktleute. Und für die war dat wichtig, dat sie wat hatten, womit klar wurde, dat sie zusammengehörten. Identifikation würden die Psychologens vonne Uniwisität dat schmusen.

Jetzt seid ihr so kochum und wollt auch noch wissen, woher die Wörter kommen, die so eckig und kantig sind, und fremd in eure Lauschers klingen?

Maschemau! Wie soll ich euch Masematten-Steze (Nichtkenner) dat verkasematuckeln?

Eintopf! Ömmes!

Genau: Verdollewiniert euch mal son jovlen schummen Pott mit Grünachile drin. Ömmes, so einen toften Eintopf! Da kommt alles Mögliche rein: Matrelen, Mispelfinger, Zwiebeln, Erbsen und nen bisken Schnittlauch. Und wenn du hamel Massel hast, dann hegste nen Bezinnum dabei …

Und jetzt, passt auf, kommt die „Übergetragung“ auf die Masematte:

Die Matrelen sind dat Rotwelsche, ne ganz alte Räuber- und Gaunersprache, die gibt es schon seit dem Mittelalter. Viele Matrelen gehören ja in son Eintopf. Die Hälfte darf dat sein. Sonst wirste ja nicht satt.

Die Mispelfinger, die Möhren, dat is dat Jiddische und Jüdisch-Deutsche. Hamel jovle Farbe und gesund für die Döppen obendrein! Dafür kannste so ein Fünftel der Masematte-Wörter rechnen.

Und die Zwiebeln, dat is Romani oder Romanes oder Zigeunersprache, die Rakawehle der Sinti und Roma. Die machen den Eintopf herzhaft. (Damit dat nich so langweilige Pampe is.) Auch ein Fünftel von dat Ganze.

Und dat Westfälische Platt is selbstverständlich auch mit drin, dat sind die Erbsen. („Jedes Böhnchen ein Tönchen, jede Erbse nen Knall…, weiß Bescheid …? Ha ha!“)

Der Schnittlauch, dat sind die romanischen und slawischen Sprachen, bisken auch dat Angelsächsische. Die sind da aber nur ganz vereinzelt drin. Die musste mit der Lupe suchen.

Die Masematte is also, wenn man so will, eine Münsteraner-Multi-kulti-Melting-Pot-Sprache! Dat passt doch jovel zu Münster, als „weltoffene“ Stadt, oder etwa nicht? Den Kaftan, den zieh wir uns doch hamel gerne an!

Wenn man dat genau definieren will, wie die kochumen Seegers und Kalinen vonne Uniwiesität dat tun würden, dann is die Masematte eine Sondersprache, die man als Rotwelschdialekt bezeichnen muss. Jetzt ist es raus! Jetzt wisst ihr endlich Bescheid! Klugscheißerwissen für den nächsten Stammtisch in eure Katschemme! (Prost, auch!)

Ömmes!

So und wenn du die Zutaten im Pott auf deinem Herd lange jovel zusammenschmürgelst, dann haste nen deftigen Eintopf. (Dann schmust deine Mischpoke vielleicht: Hier schmort die Achile lenzig! Wat ein Massel!!!)

Modewehl!

Ach, und wat is jetzt mit dat Bezinnum, dat Würstchen? Dat wollt ihr wissen, ihr Fitzkajöner! Dat könnte der Humor und der Sprachwitz der Masematte sein, dat Ironische und Sakrastische. Ganz wichtig bei der Masematte! Meine Meinung.

Und dat Freche und Rotzige, dat is der Mostrich (Senf!).

Maschamau und Modewehl! Jetzt ham wir’s langsam. Tokusmalokus.

Und wisst ihr watt ich denke? Dat dieser deftige Eintopf für unser Annette, dat kränkelnde Animchen aus Havixbeck, ab und zu ganz jovel gewesen wäre. Also, wenn die von son deftigen Eintopf öfter mal wat gefrengelt hätte! Und nen jovles Bezinnum dazu! Mit Mostrich. Aber, ömmes bekane, dat is ja Tinnef!!!!!! Als die Annette in den Himmel plete geböscht is (1848), ist die Masematte ja erst entstanden! Aber davon rakawehle ich euch ein anderes Mal….

Der Eintopf wird kalt!

Hamel Row!


Glossar:
schmusen: sagen / Rochus hegen: Wut haben / ömmes: ja, ja klar, tatsächlich / Animchen: Mädchen / Kolani: Sarg / Modewehl: oh! / Seegers: Kerl, Typ, Mann / bei Beis: zu Hause / rakawehlen: sprechen, erzählen / Schero: Kopf / Jöl: Mund, Maul / Kalinen: Frauen / Katschemme: Kneipe / Beheime-Schock: Viehmarkt / Schassörken: Schweinchen / jovel: gut / muckern: verstehen, erkennen / kochum: schlau, klug / Figine: Betrug, Angeberei / Masematten machen: Geschäfte machen / Klünts: kleine Handwerker / Tippeljöner: Hausierer, Obdachlose / Halbkarötter: Arme / Stez: Nicht-Kenner / verkasematuckeln: erklären / verdollewinieren: nachdenken / schumm: dick / Grünachile: Gemüse / Matrelen: Kartoffel / Mispelfinger: Möhre / Bezinnum: Wurst / Kaftan: Mantel (hier Mäntelchen) / Hier schmort die Achile lenzig: Hier schmeckt das Essen gut / Fitzkajöner: Luftikus / Maschemau: Oh! / Tokusmalokus: Zum Donnerwetter / frengeln: (fr)essen / plete böschen: abhauen / ömmes bekane: klarer Fall / Tinnef: Unsinn, Quatsch / Row: Hunger

Kleine Wörterkunde Masematte:

Matrelen (auch Matreele): Kartoffeln. Matreli, aus der Sprache der Sinti und Roma. „Matrelen makeimen“: Kartoffeln schälen, „Matrelen verkalliboren“: Kartoffeln pflanzen, „Bratmatrele“: Bratkartoffel, „Matschmatrele“: Kartoffelpürree, „Matrelen-Ede“: Schrebergärtner

Mispelfinger: Möhre

(Anm. M.L.-B.: Unpassend eigentlich, denn Mispel bedeutet eigentlich Polizist, Gericht oder Aufseher, abgeleitet vermutlich aus dem Jiddischen mischpot für „Gericht“. Kann es sein, dass der Mispelfinger, vielleicht die Spitze der Pickelhaube der damaligen Polizisten bezeichnet? Andere Ideen?)

(Quelle: Siewert, Klaus: von achilen bis zuleman. Das große Wörterbuch der Münsterschen Masematte. Münster, 2009)

Ein Kommentar

  1. Der Mispelfinger alias Möhre verwundert :D Mispel dachte ich immer als Obrigkeit vor der man sich in Acht nimmt. Alle Sprachen der Masematte wurden ja bereits im Mittelalter gesprochen als es noch keine Polizei im heutigen Sinn gab. Im Rotwelschen gibt es auch den Begriff „Puler“, daraus soll der abwertende Begriff „Bulle“ entstanden sein. Andererseits ist es keine Schriftsprache und wird sich stetig verändert haben.

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