Happy Birthday! Der Autorin unserer Kolumne "Hausfrau & Mutter, berufstätig" berichtet diesmal vom Geburtstag ihrer aus dem Haus gezogenen Tochter

Loslassen, was immer schon schön war, will geübt sein. (Foto: privat)
Loslassen, was immer schon schön war, will geübt sein. (Foto: privat)

Schon früher hab ich es berichtet („Große Kinder, großer Segen“, „Liebe Coronials!“): Mir ist‘s ein Fest, Mutter großer Kinder zu sein.

Apropos Fest. Die Große findet es an der Zeit, ihr Wiegenfest in der rheinischen Studienstadt zu begehen. Wir dürfen per Familiennetzwerk an dem nicht einfachen Entscheidungsprozess teilhaben. Respekt vor dem Loslassen altvertrauter Rituale steht der Anspruch der jungen Dame gegenüber, spätestens mit Dreißig an dieser Stelle unabhängig zu sein. Sie möchte frühzeitig üben.

Alternative Feierei soll eine Pyjamaparty werden, im kleinen Kreis der Freundinnen und Freunde. Das hört sich gemütlich an und bietet Anknüpfungspunkte an die Familien-Rituale. Deren Mittelpunkt bildet seit Jahr und Tag das Singen peinlicher Lieder mit Geburtstagkuchen und Kerzenauspusten im Morgengrauen am Bett des Geburtstagskindes.

An Platz eins auf dem Wunschzettel: Ein „neues gebrauchtes Fahrrad“. In der neuen Heimat schimmern dezent die Wurzeln durch, vermerken der Liebste und ich zufrieden, und stürzen uns in den Gebrauchtfahrzeugmarkt. Die Kleine plant mit der WG-Freundin und dem Liebsten ihrer Schwester heimlich den Transfer von Geschenk und traditionellem Kuchen am Abend vorm großen Tag.

Der Abend vorm großen Tag. Die Bahnen fahren! Die Kleine erreicht pünktlich zur heimlichen Verabredung die Rheinmetropole. Während ihre Schwester nichtsahnend duscht, lässt das Undercover-Team ein fettes Schloss klicken – das fahrbare Geschenk ist an einer Laterne gesichert. Jetzt kann die Party starten.

Alte Rituale im neuen Zuhause (Foto: privat)

Der nächste Morgen. Vor Tau und Tag sichte ich Schnappschüsse der nächtlichen Pyjama-Sause und schicke Liebesgrüße an das große Kind. Ein wenig Herzschmerz muss erlaubt sein, schließlich ist heute auf gewisse Weise auch mein Geburts-Tag. Die Kleine ist schon wach! Sie schickt das Bild einer liebevoll dekorierten WG-Küche. Mein Herz schwillt auf Ballongröße.

Per Bild-Telefon singe ich das peinliche Ständchen mit – am Bett, mit Kuchen und Kerzenauspusten! Abnabeln in kleinen Schritten tut auch mir gut.

Die Kleine schickt lustige Szenen von einer Schnitzeljagd durchs Wohnviertel mit Geburtstagskind, Freund und Freundin. Dieser Übergang scheint perfekt geglückt! Just breche ich zur Arbeit auf, da schickt die Kleine ein Bild ihrer Schwester auf dem Fahrrad an einem Laternenpfahl. Gleichzeitig klingelt das Handy. „Probesitzen geht schon“, höre ich, „aber Probefahren wird schwierig: Wir haben keinen Schlüssel!“

Im Fundus der WG, erfahre ich, finden sich zwar diverse Schlüssel, doch keiner davon passt zum Schloss. Wir besinnen uns auf Krisengebot Nummer eins, Ruhe bewahren, und sind uns einig: Wenn alle Beteiligten sich entspannen, wird der Schlüssel wieder auftauchen. Leicht bedröppelt fahren die jungen Leute zum Chillen in ein Thermalbad – auf Leihrädern des örtlichen Nahverkehrsunternehmens.

Stunden später. Endlich Feierabend! Im Familiennetzwerk gibt’s einen Live-Krimi.

Der Schlüssel bleibt trotz porentiefer Entspannung unauffindbar.

Hektisches Suchen hilft ebenso wenig.

Vier Nachwuchs-Kriminalist:innen verfolgen jetzt zwei Ermittlungsstränge.

Strang 1: Kooperation mit unseren Freunden und Helferinnen, der Polizei. Dank positiver Vorerfahrungen fällt der Griff zum Telefon leicht. Die örtlichen Helfer bestätigen: Sie werden gern zur Hilfe eilen, insbesondere am Geburtstag. Beim Notieren der Adresse werden sie aber leider per Funk zu einem vorrangigen Dienstgeschäft abberufen.

Strang 2: Eigeninitiative. Nette Nachbarn nach potenziellem Diebeswerkzeug zu fragen, ist nicht ganz so einfach. Im Hinterhof raucht ein netter Nachbar. Das Geburtstagskind fasst sich ein Herz. Zum Glück scheint der gute Mann nur auf seine Chance gewartet zu haben.

Nach einer halben Stunde schweißtreibender Nachbarschaftshilfe haben sich weitere Schaulustige eingefunden. Ein Nachbar stellt fest: „Mit der Eisensäge wird dat nix.“ Er kenne jemand, der einen Bolzenschneider besitze… Zwanzig Minuten später fließt auch sein Schweiß. Eine Nachbarin unkt: „Dat Dingens is‘ zu klein!“

Der Liebste des Geburtstagskindes, als Nicht-Muttersprachler völlig raus aus der Konversation, untersucht erneut die fette Kette. Am Übergang zum Schloss findet er das schwächste Glied. Strahlend weist er auf seinen Fund. Der Dorftratsch verstummt. Der Bolzenschneider-Nachbar setzt vorsichtig an, kneift zu. Schweiß tropft, es knackt!

Zu Standing Ovations dreht das Geburtstagskind eine Runde auf dem Geburtstagsgeschenk. Ein Streifenwagen fährt vor. Die Freunde und Helferinnen gratulieren zur vorbildlichen Beleuchtung des Fahrzeugs – und zum Geburtstag. Dann ruft der nächste Einsatz.

Unterschrift: Happy Birthday! (Foto: E. M.)

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