Fahndungserfolg für Fischer & Fischer Die Autorin unserer Kolumne "Hausfrau & Mutter, berufstätig" ermittelt heute in einem Kriminalfall - in eigener Sache

Bei der Benutzung von Geldautomaten lauern Tücken. (Foto: Pixabay)
Bei der Benutzung von Geldautomaten lauern Tücken. (Foto: Pixabay)

Eine True-Crime-Story aus der Stadt mit der wahrscheinlich höchsten Aufklärungsquote der Welt, dokumentiert von der Hausfrau und Ermittlerin mit Schirm, Charme & Fahrradhelm.

Rückblende: Herbst 2020
Ab heute gilt in der Innenstadt die Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske.
Nach dem Arbeitstag mit Mundschutz genieße ich radelnd die Frischluft.

Ein bunter Frustkauf soll der Familie die lästige neue Regel schmackhaft machen.
In vielen Innenstadt-Lädchen brummt das Geschäft mit dem Accessoire der Saison.
Glücklich geshoppt mit bunter Auswahl, stelle ich an der Kasse fest:
In meinem Portemonnaie gähnt Leere im Schein- und Kleingeldfach.
Hier aber gilt noch analoge Währung…

Die Schätze zurück gelegt, fix zum Automaten gesaust, gleich zweihundert Euro eingetippt, hamstern hilft. Hab ich die Leeze abgeschlossen?! Fix zurückgeflitzt, durchgeatmet: Schief geparkt aber ungestohlen. Wo ist mein Geld? In der rechten Hand die Kontokarte, in der Linken das leere Portemonnaie. Blitzschnell zurück zum Geldautomaten. Niemand winkt mit meinen Scheinen. Ruhe bewahren, sicher hat der kluge Automat mein Geld wieder eingezogen.
Alles auf Anfang. Durchatmen, einreihen. Abstand halten, abheben. Entspannen, einkaufen.

Am nächsten Morgen
Der junge Mann im Geldinstitut beruhigt mich, Wiedereinzüge durch den Automaten würden tageweise per Hand zurück gebucht. Das könne etwas dauern, man werde sich melden.

Montag Morgen
Die Filialleiterin muss mir leider mitteilen, dass mein Geld entwendet wurde. Strafanzeige bei der Polizei soll ich stellen, dann darf sie die Video-Aufzeichnung konservieren. Die Aussicht, mit Schirm, Charme und Fahrradhelm zur Strafverfolgung beizutragen, muntert mich etwas auf.

Nach einem Arbeitstag unter Sauerstoffmangel schlängle mich durch die Doppel-Schleuse schwerer Glastüren der Polizeidienststelle. Der bewaffnete Diensthabende öffnet per Summer die dritte Tür. Am brusthohen Tresen notiert er mein Anliegen. Er warnt mich, es könne dauern… „Extremer Personalmangel heute – irgendwer muss die neue Maskenpflicht ja durchsetzen…“

Der winzige Warteraum mit seinen orangefarbenen Plastiksitzen ist mit zwei Personen bereits zum Bersten gefüllt. Eine Dame mit toupierter Turmfrisur blickt sehnsüchtig zum Fenster. Seit zwei Stunden warte sie schon, stöhnt sie. Ich folge ihrem Blick. Der Fenstergriff ist abmontiert. Hier wurde sicher seit neunzehnhunderteinundachtzig nicht mehr gelüftet. Ich zurre meine Mund-Nasen-Bedeckung fester. Ein junger Mann im Muskelshirt mit kurzrasiertem Haar läuft laut telefonierend und gestikulierend im Kreis. Die schlechten Vorabendserien bilden die Realität doch treffender ab als man glaubt, denke ich.

Die wachsende Beklemmung macht mich mutig. Ich bitte den Diensthabenden, im Regen warten zu dürfen. Der klemmt mit einem Augenzwinkern die äußere Schleusentür mit einem blauen Plastikmülleimer für mich fest. Selten war ich so froh, im Meimel zu stehen. Die Turmfrisur ist jetzt dran, der Muskelmann stürmt fluchend im Eilschritt aus der Wache. Schon nach einer Viertelstunde bin ich dran.

Die sportliche Kriminalhauptkommissarin Fischer, führt mich durch einen engen Flur. Im engen Büro setzt sie sich hinter eine Plexiglasscheibe. Sie sei nur vertretungsweise hier, informiert sie mich, sie mache eigentlich in Kapitalverbrechen. Ihr Mann sei der mit den Eigentumsdelikten, aber Kriminalhauptkommissar Fischer sei zur Durchsetzung der Maskenpflicht heute im Außendienst. Tasten klappern unter ihren bunten Nägeln.

Fall gelöst dank Fischer & Fischer. (Foto: Pixabay)
Fall gelöst dank Fischer & Fischer. (Foto: Pixabay)

Das Geld einer fremden Person aus dem Automaten zu entnehmen, erfahre ich, ist kein Diebstahl, sondern Unterschlagung. Ich stelle einen Strafantrag und nicht die im Volksmund gebräuchliche Strafanzeige. Gelehrig nehme ich das Wissen auf. Meine Hoffnung, die unterschlagende Person habe das Geld dringend gebraucht, kontert KHKin Fischer mit einer Brandrede. Da sei ganz klar kriminelle Energie am Werk gewesen, so blitzschnell wie da zugegriffen wurde, da habe keine benachteiligte Person aus Not gehandelt. Geahndet werden müsse das. Beeindruckt radle ich nach Hause. Die Summe schreibe ich ab.

Vier Monate später: Frühjahr 2021
Nach endlosen Videokonferenzen auf dem Weg zum Kühlschrank, bremst mich der blinkende Anrufbeantworter. Neugierig erfülle ich die Bitte einer markigen Stimme um Rückruf. Kriminalhauptkommissar Fischer jubelt in mein Ohr, es gehe um die an mir verübte Unterschlagung. Die Täterin habe die Summe doch glatt reumütig auf das Konto der Landespolizei eingezahlt! Niemand habe so recht gewusst, wie man das buchen solle. Nun aber sei der Fall aufgeklärt! – Atemlos gratuliere ich zum Ermittlungserfolg. – Das Geld solle nun unbürokratisch angewiesen werden. „Im Sinne der Geschädigten erledigen wir Unmögliches gern sofort,“ scherzt der Kommissar und notiert meine Kontonummer. Wenige Stunden später finde ich die Gutschrift „Eilige Überweisungsgutschrift der Landeshauptkasse des Landes“ auf meinem Konto.

Fall gelöst dank Fischer & Fischer. Wir haben bestimmt nicht zum letzten Mal gemeinsam ermittelt!

(Covergraphik: Eva-Lotta Stein)
Wenn ihre spärliche Freizeit neben Haushalt, Beruf und Schreiberei es
zulässt, ermittelt unsere Kolumnistin Iris Brandewiede mit Schirm,
Charme & Fahrradhelm. So heißt auch ihr aktuelles Buch, das im agenda-Verlag Münster erschienen ist. Mehr dazu unter https://agenda.de.

 

 

 

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