Filas Tagebuch Weiter geht's in der Kolumne "Hausfrau & Mutter, berufstätig" mit der 3. Folge von „Münster – Mariupol“, jetzt aus der Sicht des aus der Ukraine stammenden Katers

In der dritten Folge zum Thema „Münster – Mariupol“ übergibt unsere Kolumnistin ihrem neuen Mitbewohner das Wort: Kater Fila berichtet.

Die Küche in unserem Haus in Mariupol war eben frisch renoviert, im Garten duftete es nach Frühling, wir hatten es schön. Der jüngste Familienzuwachs, zwei Katzenkinder und ein wilder Schäferhund, war zwar anstrengend für uns Ältere, aber wir hatten noch nie Einfluss auf die Aufnahme neuer Notfälle. Ich will mich nicht beschweren, denn vor dreizehn Jahren kam auch ich als Findelkind ins Haus. Winzig klein und ganz allein lag ich in einem Pappkarton vor der Tür von Natalie und Sascha. Meine größten Sorgen waren Hunger und Durst, und ich musste dringend mal. Für alles hatte Natalie eine Lösung. So ist sie – einfach toll! Sie nannte mich Fila.

Im Haushalt gab es schon den einjährigen Kuszya. Er wurde mein Katervater, hat mich geputzt und mit mir gekuschelt. Drei Jahre später fand Natalie noch ein getigertes Katerchen im Müll. Wir wollten uns um ihn kümmern, aber er liebte nur Natalie. Für uns war das okay, wir waren ja schon groß. Bis heute ist Kiryusha etwas durcheinander, jagt seinen eigenen Schwanz und apportiert Spielzeuge wie ein Hund. Zuletzt kamen die Katzenbabys Masha und Dasha ins Haus, und Saschas junge Schäferhündin Vesta. Kaum hatten wir uns aneinander gewöhnt, war es von einem Tag auf den anderen vorbei mit dem Frieden.

Es knallt. Es kracht. Wir haben ständig Angst, dass etwas vom Himmel fällt, und verstecken uns nachts im Keller. Den Menschen geht es schlecht, uns auch. Es wird schrecklich unruhig im Haus. Natalie und Sascha packen Taschen und Kisten. Wir finden uns in Plastikboxen gezwängt mit den Menschen und dem Hund im Auto wieder.

Die Reise ist endlos. In den Boxen ist es eng, das Auto ist laut und wir haben furchtbare Angst. Nach einer Ewigkeit kommt etwas Luft in unsere Kisten. Es riecht ganz anders als zuhause. Menschen reden durcheinander, die Hälfte kann ich nicht verstehen. Natalie küsst unsere Boxen und verspricht Kusyza, Kirjusha und mir ein Wiedersehen. Dann räumt eine fremde Frau uns in ihr Auto. Sie riecht gut und redet freundlich mit uns, aber von ihrer Sprache verstehen wir kein Wort.

„Liebe geht durch den Magen“ – das Sprichwort gefällt mir. (Foto: privat)

Meine größten Sorgen sind jetzt Hunger und Durst, und ich muss dringend mal. Die Frau verfrachtet uns vorsichtig in ihr Haus und öffnet die Boxen. Die Küche sieht beinahe so aus wie unsere – und es riecht nach Futter!

Wir fressen, wir trinken, sogar unsere Klos stehen bereit. Ich fühle mich unfassbar erleichtert. Die Frau redet, wir verstehen sie nicht, aber es klingt schön. Sie setzt sich aufs Sofa, wir legen uns dazu. In dieser Nacht schlafen wir ruhig bis zum Morgen.

Alle hier sind nett zu uns, und wir sind nett zu ihnen. Vor Erschöpfung bekomme ich hohes Fieber und kann drei Tage nichts essen! Sie päppeln mich liebevoll auf. Ich glaube, hier bin ich sicher.

Der Tiger hat immer Heimweh, er zieht zurück zu Natalie und Sascha. Kuszi und ich bleiben hier. Wir können uns kaum noch etwas anderes vorstellen. Es gibt immer pünktlich zu Essen und es knallt nur, wenn es draußen gewittert.

Ein Menschensprichwort lautet: „Liebe geht durch den Magen!“ Ich finde, da ist was dran. Apropos Menschensprache: Wenn ich „Mama“ rufe, kommt sie – genau wie Natalie! Mein Spitzname hier ist „Küchenchef“, genau wie zuhause, und mein Lieblingsplatz ist direkt neben dem Kühlschrank.

Das Gras im Garten ist sehr lecker und es gibt viel zu Schnuppern. Kuszi als Jäger achtet schon immer auf seine Fitness. Er steht auf alles, was am Boden huscht. Manchmal fängt er etwas und bietet es mir an, aber ganz ehrlich: Das ist doch kein Futter! Wenn es Flügel hätte, wäre ich dabei. Da ich nicht fliegen kann, ist jagen für mich kein Thema.

Zuhause beim Ballspielen mit Sascha war ich meistens Torwart, wegen meiner fixen Reflexe. Für Balance und Muskeltraining habe ich erst jetzt mein Talent entdeckt. Seit ich regelmäßig turne, habe ich kaum noch Rückenschmerzen und mein Katervater nimmt mich endlich für voll. Jetzt sind wir zwei sportliche Senioren. Ich achte aber auch darauf, dass wir pünktlich nach Hause kommen.

Beim Reinkommen zum Feierabend gibt es immer etwas Leckeres.

 

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