„Das Leiden im Labor – Wege aus dem Tierversuch“ Ausstellung des Verbands Ärzte gegen Tierversuche e.V. in der VHS eröffnete am Montag mit kontroverser Diskussion

Besucher der Diskussion konnten selbst verfasste oder vorgedruckte Statements zu Tierversuchen in einen Wunschbaum hängen. (Foto: Susanne Wonnay)
Besucher der Diskussion konnten selbst verfasste oder vorgedruckte Statements zu Tierversuchen in einen Wunschbaum hängen. (Foto: Susanne Wonnay)

Tierversuche sind auch bei uns schon lange umstritten, nicht erst, seit die Uni Münster vor zwei Jahren ein nicht genehmigtes Tierversuchslabor schließen musste. Nun bietet die Volkshochschule Münster (VHS) in ihren Räumen für die nächsten drei Wochen eine Ausstellung des Bundesverbands „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ zum Thema an, die sich deutlich positioniert. Eröffnet wurde sie am Montag mit einem Kurzvortrag – und einer lebhaften Diskussion. Denn es waren auch Vertreter von münsterschen Einrichtungen anwesend, die selber Tierversuche durchführen.

Zur Einführung stellte Nadine Kellner, Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche e.V., in einem kurzen Vortrag die Arbeit des Vereins und einige Daten und Fakten über Tierversuche in Deutschland vor. So berichtete sie, dass rund 95 % der aufgrund von Tierversuchen für den Menschen als wirksam und ungefährlich geltenden Medikamente bei der klinischen Studie, also der Anwendung beim Menschen, durchfallen und keine Marktzulassung erhalten.

Nadine Kellner führte an, dass 2017 an mehr als 2,8 Millionen Mäuse, Ratten, Kaninchen, Affen, Hunde, Katzen und anderen Tieren in deutschen Laboren Tierversuche stattgefunden haben. Das sind täglich 7.700 Tiere. Mindestens! Die Dunkelziffer liegt weit höher. Denn nur ein Teil der Tiere, die tatsächlich Opfer der Tierversuchsindustrie sind, würden gezählt. So fehlen in der offiziellen Statistik kleinere Tiere, wie Heuschrecken, Würmer oder Krebse. Die tatsächliche Zahl der Tiere in Tierversuchen liege bei rund 7 Millionen Tieren jährlich.

Die Ausstellung der Ärzte gegen Tierversuche ist noch bis zum 15. November in den Räumen der VHS Münster zu sehen. (Foto: Susanne Wonnay)
Die Ausstellung der Ärzte gegen Tierversuche ist noch bis zum 15. November in den Räumen der VHS Münster zu sehen. (Foto: Susanne Wonnay)

Ein großes Ungleichgewicht gebe es bei der Finanzierung von Tierversuchen und die Unterhaltung der entsprechenden Einrichtungen: So fließen laut Kellner jedes Jahr Milliarden von Steuergeldern in Tierversuche, während der tierversuchsfreien Forschung nur wenige Millionen Euro an Unterstützung zur Verfügung steht. Für einen Überblick über die Möglichkeiten der tierversuchsfreien Medizin verwies sie auf die Homepage des Verbandes Ärzte gegen Tierversuche.

Im Anschluss an den Vortrag führte Dr. Anna Ringbeck, Direktorin der VHS Münster, durch die lebendige und kritische Diskussionsrunde, an der neben Nadine Kellner auch Dipl.- und EDV-Kaufmann Claus Kronaus, der Geschäftsführer des Vereins Ärzte gegen Tierversuche e.V., Rede und Antwort stand. Und Wortmeldungen sowie Nachfragen gab es viele.

War der Vortrag des Vereins doch eher einseitig, wenn auch offen für die Diskussion mit der Gegenseite, so wurde nach dem Vortrag auch die andere Seite „pro Tierversuche“ dargestellt, durch anwesende Vertreter von Medizin, Forschung und der Stadt Münster im Publikum. So beteiligten sich unter anderem ein Tierforscher des Max-Planck-Institus Münster, der Leiter des städtischen Gesundheits- und Veterinäramtes, Dr. Norbert Schulze Kalthoff, sowie Prof. Dr. Stefan Schlatt, Reproduktions- und Regenerationsbiologe des Uni-Klinikums Münster, am Streitgespräch.

Die Diskussion zum Auftakt der Ausstellung wurde kontrovers geführt, da auch Anwender und Kontrolleure von Tierversuchen anwesend waren. (Foto: Susanne Wonnay)
Die Diskussion zum Auftakt der Ausstellung wurde kontrovers geführt, da auch Anwender und Kontrolleure von Tierversuchen anwesend waren. (Foto: Susanne Wonnay)

Auf der einen Seite stand nun ganz klar die Forderung von Teilen des Publikums nach einem artgerechten Leben der Tiere, welches im Labor nun einmal nicht möglich ist. Auf der anderen Seite erläuterte zum Beispiel Dr. Norbert Schulze Kalthoff vom Gesundheits- und Veterinäramt, dass Tierversuche durch lange Verfahren beantragt werden müssen, die dann regelmäßig kontrolliert werden, damit es den Tieren gut gehe. Das bestätigte Prof. Dr. Schlatt, der unter anderem an Affen forscht. Seinen Tieren gehe es „physiologisch herausragend“. Nach allem was gemessen werden kann, seien sie gut ernährt, sie haben nie Schmerzen und eine längere Lebenserwartung als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. „Ich versuche, die Affen so gut wie möglich zu halten, weil ich denke, ich habe einen guten Grund, mit ihnen das zu tun, was ich tue“, so Prof. Dr. Schlatt. Dass man hier unterschiedlicher Meinung sein kann, verstehe er durchaus.

Auf Nachfrage, was er denn von den erst vor kurzem durch Tierschützer aufgedeckten erschütternden Vorfällen im LPT-Labor in Hamburg hält, zeigte sich Prof. Dr. Schlatt erschüttert über die Zustände im dortigen Labor.Er lädt alle Interessierten, die sich ein Bild von seiner Arbeit mit den Tieren und den Haltungsbedingungen in Münster machen möchten, dazu ein, sich von ihm durch sein Institut am Uni-Klinikum führen zu lassen – natürlich nur nach Terminabsprache.

(Foto: Susanne Wonnay)
(Foto: Susanne Wonnay)

Es blieb aber der Eindruck, dass gravierende Gründe gegen Tierversuche sprechen. Immer wieder wies der Verein Ärzte gegen Tierversuche und auch das Publikum an diesem Abend darauf hin, dass die Ergebnisse, die durch Tierversuche gemacht werden, nicht auf den Menschen übertragbar seien. So sind zum Beispiel Ratten gegenüber Asbest unempfindlich, bekommen aber vom Süßstoff Saccharin Krebs. Zudem würden ca. 95 % der im Tierversuch für wirksam und sicher befundenen Medikamente im Test am Menschen versagen. Entweder wirkten sie nicht oder hätten schwerwiegende Nebenwirkungen. Und mittlerweile sei die Bandbreite an verfügbaren „Alternativmethoden“ zu Tierversuchen groß. Zum Beispiel lässt sich mittels Zellkulturen heute beinahe jede Art von Körpergewebe nachzüchten, so dass ein Medikament hieran getestet werden kann. Über diese und viele weitere Möglichkeiten (wie z.B. die Organchip-Technologie) zur tierversuchsfreien Forschung erfährt der Besucher in der Ausstellung in der VHS.

Warum werden Tierversuche also durchgeführt, und was wird mit den Tieren nach den Versuchen gemacht? Sind Tierversuche notwendig für den medizinischen Fortschritt? Welche Alternativen gibt es? Und was kann man persönlich gegen Tierversuche tun? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ausstellung der Ärzte gegen Tierversuche e.V. noch bis zum 15. November 2019 in der VHS am Aegidiimarkt.

Neben der Ausstellung haben Besucher an folgenden Tagen weitere Möglichkeiten zur Information und Diskussion:

30.10. „Verzweiflung, Angst und Schmerz. Das Leid der Tiere erfahren“
4.11. „Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg!“
8.11. „Was hat denn unsere Ernährung mit Tierversuchen zu tun?“

Ort: Volkshochschule Münster, Aegidiimarkt 3, 48143 Münster

5 Kommentare

  1. Barbarisch und nutzlos !
    Nicht übertragbar auf den Menschen. hört endlich auf damit und lasst die Tiere in Frieden!
    Woher nehmt ihr euch das Recht Tiere zu quälen ?
    Es können keine Menschen sein , die dies tun an wehrlosen Wesen.
    Neue tolle Möglichkeiten die es gibt und auch übertragbar auf den Menschen sind , dies macht Sinn und kein Tier müsste leiden !
    Die Tiere haben das Alter und die Krankeiten nicht und werden erst krank gemacht !!!!
    Hört auf damit !!!!!
    Wir sind im 21. Jahrhundert

  2. Unglaublich.
    Da gibt die VHS Münster (als Organisation mit einem öffentlichen Bildungsauftrag!) einer kleinen Gruppe vom radikalsten Ende des Spektrums der Meinungen über Tierversuche ein Podium für mehrere Vorträge und eine mehrwöchige Ausstellung. Eine Auseinandersetzung mit kontroversen gesellschaftlichen Themen ist wichtig, aber so nicht!
    Was plant die VHS als nächstes? Vielleicht eine Vortragsreihe und Ausstellung der ‚Flat Earth Society“, also eines Vereins der propagiert, dass die Erde eine Scheibe ist? Oder eine Ausstellung eines rechtsextremen Vereins über Demokratie?

    1. Ich finde es gut, das dass Thema öffentlich gemacht wird.
      Die meisten Menschen haben keine Ahnung wieviel Leid und Schmerz den Tieren hinter verschlossenen
      Türen angetan wird.
      Es gibt alternative Methoden, diese sollten gefördert werden!
      Tiere sind Lebewesen, die wie der Mensch Schmerz und Leid fühlen. Sie haben keine Stimme!
      Der Mensch hat nicht das Recht den Tieren Leid zuzufügen.
      Ich hoffe, dass viele Menschen ihre Stimme erheben und sich weiterhin gegen Tierquälerei einsetzen.

      Die Demo gegen die Erweiterung des Affenlabors Covance findet am 23.11.2019 um 12 Uhr am Stubengassenplatz in Münster statt.

  3. Im Artikel steht:
    „Warum werden Tierversuche also durchgeführt, und was wird mit den Tieren nach den Versuchen gemacht? Sind Tierversuche notwendig für den medizinischen Fortschritt? Welche Alternativen gibt es?“

    Alles Dinge, die auf der Ausstellung leider nicht oder nur unzureichend erklärt werden.
    Und dann folgt ein Link auf die Seite von Ärzte gegen Tierversuche.
    Also einem Verein der nicht an einen Sinn von Tierversuchen glaubt.
    Schlechter informieren kann man sich leider nicht.
    Und der Artikel verweist leider nicht auf andere Quellen, bei denen man wahre Fakten findet.

    Das wären z.B. die Seite von „Tierversuche verstehen“ oder „Pro-Test Deutschland“.

    Ich hole mir meine Informationen über Impfungen auch nicht bei den Impfgegnern.

    1. Danke für das Feedback. In dem Artikel berichte Ich über die Ausstellung in der Vhs Münster. In dieser Ausstellung zeigt der Verein Ärzte gegen Tierversuche eine Möglichkeit für eine tierversuchsfreie Medizin. Das ist eine ganz klare Haltung die der Verein hat. Und in diesem Artikel habe ich hierüber berichtet. Natürlich gibt es auch die andere Seite. Und es gibt so viele Gründe, für die eine und (vielleicht auch) für die andere Seite. Deswegen ist es gut, dass Sie hier Seiten für Informationen aufgezeigt haben, die die Medizin mit Tierversuchen begründet oder erklärt bzw. versucht zu erklären. Denn es bleibt ja immer bei einem Versuch der Erklärung. Eine Meinung oder Haltung muss der Leser stets selbst finden.

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