Was uns Kultur in Zeiten von Corona wert ist Selbstständige Unternehmer aus Münster berichten von ihrem Umgang mit der Corona-Krise, ihren Sorgen und wie wir ihnen gerade helfen können.

Freddy Allerdisse ist Poetryslammer, Moderator und Veranstalter - und er hofft, dass nach der Corona-Krise wieder alles so wird wie vorher. (Foto: Max Lewe)
Freddy Allerdisse ist Poetryslammer, Moderator und Veranstalter – und er hofft, dass nach der Corona-Krise wieder alles so wird wie vorher. (Foto: Max Lewe)

Die Ausgangssperre schickt gerade viele Menschen ins Homeoffice. Aber wie sieht das aus, wenn man hauptberuflich Veranstaltungen plant oder durchführt, auf einen direkten Menschenkontakt oder geöffnete Gastronomiebetriebe angewiesen ist und Menschenansammlungen für ein funktionierendes Geschäft unerlässlich sind?

Albert Ruppelt ist DJ, Musikproduzent bei seinem eigenen Label „Trust in Wax“ und arbeitet für FTI e.V., ein Verein, der in Münster Kulturarbeit leistet. Er fördert die Zusammenarbeit verschiedener Musiker und Produzenten in Münster und hat so erheblich zu der Bildung eines Netzwerkes beigetragen. Seine Arbeit findet fast ausschließlich live statt und ist auf persönlichen Kontakt angewiesen. „Das kann man online nicht ersetzen. Gute Webcams sind außerdem genauso Mangelware wie Mehl, Hefe und Klopapier“. Um weiterzumachen überlegt Ruppelt gerade dennoch, welchen Teil seiner Arbeit er online anbieten könnte. Das wäre eventuell bei Workshops im Rahmen seiner Kulturarbeit möglich. „Das muss aber Sinn machen. Es reicht nicht, einfach alles digital umzustellen. Ich möchte keine unüberlegten und sinnlosen Schnellschüsse.“ Laut Ruppelt können in dieser Zeit nur kreative und flexible Lösungen helfen, die auch öffentliche Träger miteinbeziehen.

Genau wie Ruppelt geht es auch noch anderen Betroffenen der Veranstaltungsbranche. So auch Freddy Allerdisse, Gründer der Agentur MUNDWERKKUNST. Er selbst plant nicht nur Veranstaltungen und führt diese durch, sondern steht auch selbst als Moderator und Künstler auf der Bühne. So hat seine Agentur bisher bis zum 20. April alle Veranstaltungen absagen müssen. „Insgesamt werden wir in diesem Zeitraum zehn Veranstaltungen verschieben müssen. Für eine kleine Agentur, wie wir es sind, ist das wirklich viel.“ Neben seiner Arbeit als Veranstalter ist Allerdisse auch noch als Dozent für verschiedene Bildungsträger tätig. Diese Seminare wurden jetzt, nach einigen kleineren technischen Startschwierigkeiten, auf E-Learning umgestellt. „Selbst der Weg ins Virtuelle ist nicht immer einfach und ist nicht gleichzusetzen mit face to face Kontakt.“ Wie viele andere hofft auch er, dass alle möglichst schnell wieder zur Normalität zurückkehren können. „Ich hoffe, dass nach der Corona-Krise wieder alles so wird wie vorher. Die Krise lähmt geschäftlich. Die Kreativität und der unternehmerische Tatendrang leiden. Die Perspektive fehlt gerade einfach“.

Ausflugs- und Party-Fahrten mit der MS Günther gibt es jetzt natürlich auch nicht. (Archivbild: Michael Bührke)

Neben kleinen selbstständigen Betrieben erweist sich die Situation auch für andere Unternehmen als schwierig. So auch für die MS Günther, dem Eventschiff, das nach Günther Jauch benannt ist und täglich mit abwechslungsreichem Programm über den Kanal schippert. „Vom 16. März bis zum 19. April haben wir bisher alle Veranstaltungen absagen müssen. Das sind 60 Fahrten. Auch unsere Charterkunden für die nächsten Monate haben uns bereits abgesagt.“ berichtet Nina, die Geschäftsführerin der MS Günther. Insgesamt hat die MS Günther knapp 40 Mitarbeiter, die mit der aktuellen Situation zu kämpfen haben. Die 14 Festangestellten sind derzeit in Kurzarbeit. „Unsere studentischen Jobs fallen derzeit leider einfach weg. Unsere Azubis und dualen Studierenden bereiten allerdings die kommenden Veranstaltungen fleißig weiter vor.“ So werden nicht nur weitere Veranstaltungen geplant, die MS Günther bekommt auch teilweise einen neuen Anstrich und liegen gebliebene Arbeit wird erledigt.

Doch nicht nur die Veranstaltungsbranche trifft es derzeit hart. Anna Gross von Hoopsala Münster ist freischaffende Künstlerin und gibt Hula Hoop und Akrobatik Kurse für Kinder und Erwachsene, teilweise auch in Kooperation mit Münsteraner Jugendkunstschulen. Sie bietet derzeit pro Woche zehn Kurse an, die momentan alle nicht stattfinden können. Besonders für die Kinder ist der Ausfall derzeit enttäuschend. „Wir haben auf manche Aufführungen jetzt fast ein Jahr hingearbeitet. Dass diese Veranstaltungen wie der Kinderzirkus in der Aula am Aasee ausfallen, ist natürlich für alle Beteiligten echt schade. Und für mich bedeutet das auch eine weitere finanzielle Einbuße“. Ob diese Veranstaltungen eventuell im kleineren Rahmen an Schulen nachgeholt werden können, überlegt Gross gerade. Erschwert wird ihre Planung durch Unsicherheit. „Ob die Schule ab Juni wieder ganz normal läuft, weiß ich nicht. Und ob dann bei vielen noch die finanzielle Kapazität für meine Kurse besteht und andere kulturelle Veranstaltungen bei den Menschen noch Priorität haben, wissen wir ja leider auch nicht“. Trotzdem bleibt Gross positiv und plant jetzt umso mehr Auftritte und Kurse im Sommer. Hoffnung gibt ihr derzeit auch, dass momentan staatliche Ausfallhonorare für ihre Arbeit bei der Jugendkunstschule im Gespräch sind, auch wenn diese nur einen geringen Teil ihres normalen Einkommens decken werden.

Steffi hat sich erst vor einem Jahr mit ihrem Eis „Flips“ selbständig gemacht. (Foto: Helena Peters)
Steffi hat sich erst vor einem Jahr mit ihrem Eis „Flips“ selbständig gemacht. (Foto: Helena Peters)

Ähnlich geht es auch Steffi, die erst seit einem Jahr mit ihrem Eis „Flips“ selbstständig ist. Flips, das ist das von Steffi selbstgemachte farbenfrohe und fruchtige Eis am Stil, das es seit letztem Jahr in verschiedenen Cafés, Kneipen und Unverpacktläden zu kaufen gibt. „Am 1. April werde ich den Sprung in die volle Selbstständigkeit wagen, nachdem ich bisher im Nebenerwerb selbstständig war. Dass diese Krise jetzt auch zum Saisonstart kommt, trifft mich natürlich besonders.“ Steffi lieferte im vergangenen Jahr an acht Münsteraner Zwischenhändler*innen, für dieses Jahr hatten ihr bereits acht weitere zugesagt. Doch diese Zusammenarbeit muss zunächst zwangsweise pausieren. Steffi würde für die Zeit nach der Krise auch gerne weitere Zwischenhändler*innen akquirieren. „Ich möchte gerade nicht weiter nachfragen, da ich auch keinen wunden Punkt treffen möchte. Wir kämpfen gerade alle.“ Dennoch macht Steffi, genau wie Gross, Pläne für diesen Sommer und plant fest, mit ihrem Fahrrad mit Kühltruhe Festivals in Münster mit ihrem Eis zu versorgen.

Doch auch wenn sich die aktuelle Situation für viele Selbstständige als sehr schwierig erweist, geht die Arbeit doch weiter und es gibt auch Wege, wie wir die Kulturschaffenden und Kreativen unserer Stadt unterstützen können.

„Ab einer Bestellung von zehn Eis liefere ich mit meinem Fahrrad mit Tiefkühltruhe zu euch nach Hause. Die Nachfrage läuft und ich produziere fleißig“. Steffi arbeitet auch gerade an ihrem Online Shop. Der geplante Transporter muss leider jetzt zunächst noch auf sich warten lassen. Die Lieferung funktioniert aber auch so!

Auch Gross plant optimistisch Veranstaltungen in diesem Sommer und nimmt Tutorials auf, damit ihre Kursteilnehmer nicht aus der Übung kommen.

Allerdisse wird versuchen, alle seine geplanten Veranstaltungen nachzuholen. Auch wenn er sich wünscht, dass die Corona-Krise einen möglichst kleinen Einschnitt hinterlassen wird, geht er davon aus, dass sich die Kulturbranche verändern wird. „Die Angst der Menschen vor Menschen darf nicht hängen bleibt. Traut euch, auf Veranstaltungen zu gehen und bleibt uns treu!“

Das hofft auch die MS Günther, die weiterhin Tickets und Gutscheine verkauft. „Es wird nach der Krise auf jeden Fall weitergehen, das steht fest. Und wir hoffen, dass unsere Gäste uns auch weiterhin so treu bleiben.“

Ruppelt bereitet gerade besonders die Planungsunsicherheit Schwierigkeiten. Seine Musik zu liken, zu teilen, zu streamen und zu kaufen würde ihm allerdings schon helfen und auch viel bedeuten, da seine Kunst für ihn ein persönlicher Ausdruck seiner selbst ist.

„Wir dürfen nicht die Zeit nach der Corona-Krise vergessen“, meint Ruppelt. Ohne Künstler*innen und Kulturschaffende geht ein Stück Münster verloren, das diese Stadt doch immer wieder so lebenswert macht. „Am Ende müssen wir uns die Frage stellen, wie viel uns Kultur wert ist.“

Wenn wir uns jetzt nicht darum bemühen, dass Selbstständige in Münster die Krise überstehen, wird sich das unmittelbar auf die kulturelle Vielfalt und das Stadtbild auswirken. „Wenn das eine Stadt schaffen kann, dann aber sicher Münster“ meint Gross.

Die Lebensqualität unserer Stadt nach der Krise liegt damit auch in unserer Verantwortung.

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