Von Zauberkatzen, Zebras und Zitronensaft Die "Piggybackriders" Manu und Magda radeln mit der Leeze um die Welt. Immer wieder besuchen sie dabei Schulen und berichten von ihren Erlebnissen.

Die Schüler in Ndagwe tragen je nach Jahrgang andersfarbige Schuluniformen. (Foto: Piggybackriders)
Die Schüler in Ndagwe tragen je nach Jahrgang andersfarbige Schuluniformen. (Foto: Piggybackriders)

Knapp 15.000 Kilometer in mehr als 20 Ländern stehen bei den Weltenbummlern Manu und Magda mittlerweile auf dem Tacho. Mit Leeze und Zelt radeln sie seit Ostern letzten Jahres durch die Welt – und besuchen unterwegs immer wieder Schulklassen. So lassen sie Kinder und Jugendliche an ihrer Fahrradweltreise teilhaben. Ein Projekt, das den beiden Münsteranern lustige Erlebnisse und spannende Einblicke in die verschiedensten Schulen der Welt beschert hat.

Es herrschte Chaos in der Secondary School von Ndagwe, einem kleinen Vorort von Masaka, Uganda – der Grund dafür waren wir. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich wie so oft eine kunterbunte, riesige Menschentraube um uns herum gebildet und nach den ersten schüchternen Fragen wollten nun plötzlich alle Kinder auf einmal Antworten von uns haben. Bei gut 150 Kids ein ganz schönes Geschrei!

Zelten in Schulen ist in dicht bevölkerten Regionen Afrikas eine gute Alternative, wenn es keinen ruhigen Platz zum Wildcampen gibt. (Foto: Piggybackriders)
Zelten in Schulen ist in dicht bevölkerten Regionen Afrikas eine gute Alternative, wenn es keinen ruhigen Platz zum Wildcampen gibt. (Foto: Piggybackriders)

Aber die Aufregung war eigentlich kein Wunder. Stellt euch mal vor, zwei Scheichs mit Kopfschleiern und weißen Gewändern würden plötzlich auf ihren Kamelen über den Domplatz zum Rathaus traben und sich bei Markus Lewe danach erkundigen, ob sie ihr Beduinenzelt unter den Prinzipalmarktbögen aufschlagen dürften. Ungefähr genauso absurd muss es für die Schüler gewesen sein. Wir, zwei weiße Aliens (eins davon auch noch mit grellblonden Haaren!), sind nämlich quasi aus dem Nichts mit unseren bepackten Fahrrädern im Büro des Schuldirektors aufgetaucht, um zu fragen, ob wir zum Schutz vor dem Regen vielleicht in einem der Klassenzimmer zelten dürften. Und natürlich durften wir – ein Hoch auf die Gastfreundschaft dieser Welt!

Am nächsten Morgen haben wir gleich in der ersten Unterrichtsstunde unseren Mini-Beamer ausgepackt, der sich übrigens als extrem praktisches Gadget erwiesen hat. Viele Schulen auf dem Land in Ostafrika haben nämlich keine Stromversorgung, unser Beamer aber bis zu zwei Stunden Akkulaufzeit. So können wir problemlos Bilder an die Lehmwände der Klassenzimmer werfen, was die Kids dort natürlich gleichzeitig erstaunt und begeistert hat.

Mal ein etwas anderes Anschauungsobjekt auf dem Pult, hier in einer Schule in Serbien. (Foto: Piggybackriders)
Mal ein etwas anderes Anschauungsobjekt auf dem Pult, hier in einer Schule in Serbien. (Foto: Piggybackriders)

Wie immer bei unseren Schulvorträgen haben wir Fotos und Videos von unserer Reise gezeigt und den neugierigen Schülern erklärt, wie wir mit unserem kleinen Budget so weit reisen konnten. Wir haben unsere Fahrräder vorgestellt und die interessantesten Dinge aus unseren Satteltaschen ausgepackt. So machen wir es immer, wenn wir Kinder an unserer Reise teilhaben lassen. Dabei ist es uns besonders wichtig von den Menschen zu erzählen, die wir unterwegs getroffen haben und ohne deren Hilfe wir so vieles nicht geschafft hätten. Und natürlich berichten wir von den aufregendsten und witzigsten Erlebnissen unserer Reise, erzählen, was wir aus unseren Erfahrungen gelernt haben und beantworten geduldig die vielen Fragen, die Kinder eben haben. Und mittlerweile ist der Vortrag wirklich erprobt: Über 100 Schulklassen in mehr als 20 verschiedenen Ländern haben wir inzwischen besucht.

Warmshowers.org ist eine Website, über die Radreisende bei anderen Radreisenden zuhause kostenfrei übernachten können, wie wir hier bei Mio in Ruanda. (Foto: Piggybackriders)
Warmshowers.org ist eine Website, über die Radreisende bei anderen Radreisenden zuhause kostenfrei übernachten können, wie wir hier bei Mio in Ruanda. (Foto: Piggybackriders)

So ganz spontan wie in Ndagwe treffen wir uns aber selten mit Schulen, meistens war es vorher mit „Warmshowers-Hosts“ abgesprochen, die in irgendeiner Weise Connections zu einer Schule hatten. Warmshowers.org ist wunderbar, um andere Radfahrer kennenzulernen und in Kontakt mit Schulen zu kommen. Denn irgendwie ist ja jeder entweder selbst Lehrer oder verheiratet mit einer Lehrerin oder hat Lehrerfreunde oooder kennt im Zweifel zumindest Kinder, die zu irgendeiner Schule gehen. Es war also nie ein Problem die Kontakte zu knüpfen, im Gegenteil: Manchmal kannten unsere Hosts fast zu viele Lehrer.

Wie zum Beispiel in Craiova, Rumänien. Da ist es total ausgeartet: Wir haben bei Alex gewohnt, der sämtlichen Lehrern in seinem Bekanntenkreis von unserem Projekt erzählt hatte – und alle waren hellauf begeistert! So haben wir in drei Tagen fünf Schulen besucht und dort insgesamt zehn Vorträge gehalten. Es war total witzig, aber wirklich auch eine logistische Herausforderung!

Die World Academy in Dubai sieht schon von außen sehr futuristisch aus. (Foto: Piggybackriders)
Die World Academy in Dubai sieht schon von außen sehr futuristisch aus. (Foto: Piggybackriders)

In Osteuropa und Afrika haben wir den Beamer relativ oft gebraucht, anderswo hatten die Schulen meistens einen Medienraum oder einen großen Fernseher. Und manchmal haben die Schulen uns mit ihrer technischen Ausstattung auch echt vom Sattel gehauen. Die World Academy in Dubai zum Beispiel, eine gigantische Schule für die Expat-Kinder, also für Kinder, deren Eltern aus einem anderen Land stammen und in der Mega-Metropole in hochqualifizierten Jobs arbeiten. Das werde ich nie vergessen. Wir standen im Klassenzimmer einer 7. Klasse, das so futuristisch aussah, als wäre es Teil einer NASA-Raumstation. Hinter uns funkelte ein gigantisches Smartboard an der Wand, vor uns saßen 25 Kinder mit 25 iPads. Herzlich willkommen in der Zukunft – oder in der Dystopie?!

Unser jüngstes Publikum in einem türkischen Kindergarten in Izmit, 60 Kilometer östlich von Istanbul. (Foto: Piggybackriders)
Unser jüngstes Publikum in einem türkischen Kindergarten in Izmit, 60 Kilometer östlich von Istanbul. (Foto: Piggybackriders)

Unsere bislang jüngsten Zuhörer waren zum Glück noch ganz weit weg vom iPad-Hype. Gerade einmal vier Jahre alt, zappelten 15 Stöppkes aufgeregt auf den gepolsterten Sesseln in ihrem Theaterraum herum, während wir die bepackten Fahrräder auf die Bühne gehievt haben. Und es hat natürlich nur wenige Sekunden gedauert, bis die Kids unsere Gitarre, die ein ganzes Stück aus der Radtasche ragte, entdeckt hatten und ganz begeistert auf uns eingeredet haben. „Sie wollen, dass ihr ein Lied für sie spielt“, übersetzte eine der Kindergärtnerinnen von Türkisch auf Englisch. „Ach du Scheiße!“, dachte ich mir. Damit hatte ich echt überhaupt nicht gerechnet, wir hatten die Gitarre nämlich erst seit ein paar Tagen. Und das bis dato einzige Lied, das wir vernünftig spielen und zu zweit singen konnten, war leider „Männer sind Schweine“ von den Ärzten. Herzlichen Glückwunsch! Ich habe die Erzieherinnen natürlich vor dem definitiv nicht jugendfreien Songtext gewarnt – aber sie waren da ganz entspannt. „Keine Sorge, hier versteht niemand auch nur ein Wort Deutsch“. Und so kam es tatsächlich dazu, dass Manu und ich dieses Lied lauthals in einem türkischen Kindergarten gesungen und die Kinder danach euphorisch für uns applaudiert haben. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich vor Lachen fast von der Bühne gefallen bin. Diese verrückte Welt!

Zauberkatzenkind Iki hat Glück gehabt. Sie wohnt jetzt glücklich und zufrieden in Baku bei einer Expat-Familie aus Schottland. (Foto: Piggybackriders)
Zauberkatzenkind Iki hat Glück gehabt. Sie wohnt jetzt glücklich und zufrieden in Baku bei einer Expat-Familie aus Schottland. (Foto: Piggybackriders)

Sonst achten wir aber sehr darauf, dass wir unsere Vorträge kindgerecht gestalten. Gerade bei den ganz kleinen Kids muss man sich nämlich einiges einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Darum erzählen wir gerne von der Straßenkatze Iki, die in Aserbaidschan drei Tage bei uns in der Lenkertasche mitgeradelt ist bis wir ein neues Zuhause für sie gefunden haben. Für die Kinder ist Iki eine „magic cat“, die uns als Dankeschön fürs Lebenretten Zauberkräfte verliehen hat: Wir können Süßigkeiten aus leeren (!) Fahrradtaschen hervorzaubern – und das führen wir selbstverständlich vor. Ein Kind muss uns als Assistenzzauberer dabei helfen, es hält eine Schale für die Bonbons bereit und spricht die magischen Worte „Miao, miao, miao!“. Und dann zaubert der Trick im Nullkommanix nicht nur Bonbons in die Schale, sondern auch riesengroße Augen und Jubelschreie herbei.

Bei der Premiere der Zauberkatzenstory gab es allerdings ein riesengroßes Durcheinander, und das ausgerechnet in der britischen Schule von Baku. Diplomatenkinder sind die wohlerzogensten Kinder des Planeten, dachtet ihr? Ich bis dato auch! Bei dem Vortrag in der Turnhalle haben uns 120 Minibotschafter allerdings das Gegenteil bewiesen. Kaum waren nämlich die magischen Worte von unserem Assistenzkind gesprochen und die ersten Bonbons hervorgezaubert, sind die kleinen Diplomaten vor lauter Begeisterung auch schon aufgesprungen. Und dann ging alles ganz schnell. Plötzlich konnte ich nur noch ein großes Knäuel aus Beinen und Armen sehen, und irgendwo darunter begraben unseren Assistenzzauberer, der mit ausgestreckten Armen versuchte die magische Bonbonschüssel vor der Meute zu retten. Das war was! Aber wir haben daraus gelernt: Die Zauberschale mit den Bonbons hält jetzt immer Manu fest.

Die tanzenden Grundschüler hatten sogar ein Begrüßungsschild für uns gebastelt. (Foto: Piggybackriders)
Die tanzenden Grundschüler hatten sogar ein Begrüßungsschild für uns gebastelt. (Foto: Piggybackriders)

Das komplette Gegenteil davon haben wir im Oman erlebt. Dort wurden wir in den Schulen begrüßt als wären wir der Sultan persönlich: An der indischen Schule von Muskat hat die Schülersprecherin eine richtige Lobrede über unsere bisherige Reise gehalten. Und die benachbarte Grundschule, die wir am selben Tag besucht haben, hatte einen Tanz zu dem Lied „Bicycle Race“ von Queen einstudiert und exklusiv für uns vorgeführt. Für uns ist es wunderbar zu sehen, dass die Schulen unser ehrenamtliches Projekt (in das wir wirklich viel Zeit und Mühe investieren) so sehr zu schätzen wissen. Und das weiß auch eine Schulklasse in Süddeutschland ganz genau: Die Kinder der 2A in Taunusstein sind wahrscheinlich unsere größten Fans. Sie machen bei unserem Postkartenprojekt mit, zeichnen auf einer großen Weltkarte unter ihrer Tafel unsere Reiseroute nach und kleben jede Postkarte auf der Karte dort ein, wo sie von uns abgeschickt wurde.

Die Weltkarte der 2A in Taunusstein mit unserer Route und allen Karten aus dem Postkartenprojekt. (Foto: Piggybackriders)
Die Weltkarte der 2A in Taunusstein mit unserer Route und allen Karten aus dem Postkartenprojekt. (Foto: Piggybackriders)

Ab und zu bekommen wir übrigens auch Sprachnachrichten oder Post aus Taunusstein zurück. Letztens hat uns jedes Kind sogar ein Bild gemalt. „Bleibt gesund und habt eine schöne Zeit!“, hat ein Mädchen dazugeschrieben. Da kam eine Erinnerung hoch und ich musste kurz schmunzeln. Meine Gedanken an drei schreckliche Tage in Anatolien, in denen irgendetwas Verdorbenes sich gleichzeitig oben und unten einen Weg aus unseren Körpern bahnen wollte und wir noch 50 Kilometer bis in die nächste Stadt vor uns hatten – die verdränge ich sonst eigentlich lieber. Aber Spaß beiseite, bis auf diese Ausnahme sind wir seit anderthalb Jahren echt topfit – toi, toi, toi! Unser ultimativer Geheimtipp fürs Gesundbleiben? Jeden Morgen ein Glas Wasser mit dem Saft einer halben Zitrone trinken – das wirkt Wunder! Probiert’s mal aus!

Wer jetzt Lust auf bewegte Bilder zu den Weltreisegeschichten bekommen hat, der kann mal bei YouTube vorbeischauen. Auf dem Kanal „Piggybackriders“ erscheint momentan jeden Freitag ein neues Video, diese Woche über Findelkind und Zauberkatze Iki.

Mehr zur Reise, dem Schulprojekt und der Postkartenaktion erfahrt ihr auf Manus und Magdas Website www.manuandmagda.com. Da die beiden gerade im „Heimaturlaub“ in Münster sind, habt ihr außerdem die Gelegenheit, selbst bei einem ihrer Vorträge dabei zu sein: Am 7. und 9. August jeweils um 19.00 Uhr bei Fahrrad XXL Hürter an der Hammer Straße. Wie immer bei Reisevorträgen gilt: Eintritt frei, Spenden erwünscht.

 

Und hier ist das oben erwähnte neueste Video der Piggybackriders auf YouTube

 

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