Raunen beim letzten Festival-Konzert Das Publikum lauschte, raunte und jubelte am Sonntag beim 27. Jazzfestival Münster

Gold war die letzte Klangfarbe beim 40jährigen Jubilum des Internationalen Jazzfestivals im Theater Münster. (Foto: Stephan Günther)
Gold war die letzte Klangfarbe beim 40jährigen Jubiläum des Internationalen Jazzfestivals im Theater Münster. (Foto: Stephan Günther)

Gold war die letzte Klangfarbe beim Abschlusskonzert von „SHAKE STEW featuring Queen Mu & The Golden Twang“ auf dem Internationalen Jazzfestival Münster. Bejubelt wurden auch die kleineren Formationen, die vorher beim 40jährigen Jubiläum am dritten und letzten Festivaltag auftraten.

Wie es fast immer so war, seitdem das Jazzfestival als Biennale im Theater Münster stattfindet, hat auch 2019 eine große Band den letzten Abend abgeschlossen. Diesmal kam sie aus Österreich und hatte wegen eines ausgefallenen Fluges ihren Auftrittsort unbequem und mit viel Verspätung erst auf dem letzten Drücker erreicht. Das ließen sich die neun Musiker der Formation SHAKE STEW auf der Bühne aber nicht anmerken. Und sie bewiesen mit ihrem überaus unterhaltsamen und gewitzten Auftritt, dass Fritz Schmücker recht hatte, als er sie als die zurzeit heißeste Jazzband der Alpenrepublik ankündigte. Mit zwei Schlagzeugen und zwei Bässen und einer Bläser-Section aus Trompete, Alt- und Tenorsaxophon sorgten sie erstmals bei diesem Festival für eine ordentliche Ladung Funk.

Die Truppe um den Bassisten Lukas Kranzelbinder beschränkte sich aber nicht darauf, sondern zeigte auch verschiedene andere Klangfarben des Jazz. Und sie zelebrierte jeweils mit viel komödiantischen Trara das Erscheinen der „Stargäste“. So betrat Gitarrist Tobias Hoffmann als „Golden Twang“ die Bühne wie in einer Las Vegas-Show ferner Jahrzehnte im goldenen Anzug. Sängerin Angela Maria Reisinger erschien als „Queen Mu“ mit viel Rauch aus der Versenkung und breitete ihre goldenen Flügel aus. Musikalisch reicherten sie den Sound dieses nun neunköpfigen Kollektivs um einige Nuancen an, das Publikum musste daher von Lukas Kranzelbinder gar nicht mehr zum ehrfürchtigen Raunen aufgefordert werden, es spendete zum Schluss herzlichen Applaus für „SHAKE STEW featuring Queen Mu & The Golden Twang“. Mindestens genau so viel Zuspruch erhielt auch Festival-Leiter Fritz Schmücker, als er versprach, ein 50jähriges Jubiläum des Festivals anzustreben. Sein gutes Händchen für ein abwechslungsreiches Line-Up wurde auch diesmal wieder von allen Seiten gepriesen.

Veronika Harcsa, eine von insgesamt drei Sängerinen beim diesjährigen Jazzfestival. (Foto: Stephan Günther)
Veronika Harcsa, eine von insgesamt drei Sängerinen beim diesjährigen Jazzfestival. (Foto: Stephan Günther)

Der Abend im Großen Haus hatte, wie immer am letzten Festivaltag, schon um 16 Uhr begonnen, und zwar mit dem ungarisch-belgischen Quartett um die Sängerin Veronika Harcsa und den E-Gitarristen Bálint Gyémánt. Als Fritz Schmücker vorher sagte, dass Veronika Harcsa sich weniger als Jazzsängerin und mehr als Singer-Songwriterin verstehen würde, weckte er allerdings falsche Erwartungen. Denn entgegen dieser Ankündigung deckte sie doch eine wesentlich größere Bandbreite ab. Und sie verlor sich schon gar nicht in ethno-ätherischen Sphären, wie manch einer zuvor befürchtet hatte. Schließlich lebt sie abwechselnd in London und Budapest, und auch die Erinnerung an Brüssel hat Spuren hinterlassen, so dass sie ihre Lieder eher dem Leben in Metropolen widmete, als dem auf dem platten Land in Ungarn.

Zwei der musikalisch ansprechenderen Acts dieses Festivals waren ebenfalls am Sonntag im Großen Haus zu erleben. Das Trio Hermia/Darrifourcq/Ceccaldi präsentierte als zweite Formation an diesem Wochenende das Cello als Soloinstrument. Im Gegensatz zum vergleichsweise biederen Amerikaner Erik Friedlander am Vortag bewies der Franzose Valentin Ceccaldi, welche Bandbreite im Violoncello steckt und dass es sich im Jazz behaupten kann. Ceccaldi bewegte sich stets auf Augenhöhe mit seinen Mitstreitern, Manuel Hermia am Tenor- und Sopransaxophon und Sylvain Darrifourcq am Schlagzeug. Sei es beim inzwischen auch schon fast klassischen Free Jazz – hier mit der Power einer Rock-Band – oder bei leisen, fast kammermusikalischen Passagen, die mal an Horrorfilme erinnerten und mal an ein altes, mechanisches Uhrwerk. Beim Titel „Ho Chi Minh“ erzeugten die drei schließlich Geräusche, die an den Krieg in Vietnam und anderswo erinnerten.

Klangfarben der karibik versprühte der Pianist Grégory Privat mit seinem Trio. (Foto: Stephan Günther)
Klangfarben der Karibik versprühte der Pianist Grégory Privat mit seinem Trio. (Foto: Stephan Günther)

Das Programm folgte der vertrauten Logik und sah zwischen diesem freien Trio und der aufregenden Funk-Show von SHAKE STEW als vorletzten Act ein Konzert vor, bei dem man sich entspannt zurücklehnen konnte. Der französische Pianist Grégory Privat nahm die Zuhörer mit auf imaginäre Reisen, nicht nur in seine karibische Heimat, der Insel Martinique. Dabei verwendete das klassisch mit Piano, Bass und Drums besetzte Trio nicht einfach die bekannten Tanzrhythmen der Karibik, um ihre Melodien zu untermalen, sondern griff vielmehr Stimmungen auf, die Schlagzeuger Mathieu Edward in vertrackte, trotzdem lässig wirkende Rhythmen verknüpfte.

Tatsächlich konnten konnten die Zuschauer bei der Jubiläumsausgabe des Internationalen Jazzfestivals an den drei Tagen im Theater Münster wie versprochen einen „Kosmos der Klangfarben“ erleben. Hier nun unsere abschließenden Anmerkungen zu den Dingen, die uns daneben noch so aufgefallen sind:

  • Die teilweise spektakulären Auftritte von insgesamt drei Sängerinnen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim 27. Jazzfestival kaum Frauen präsent waren. Gibt es im aktuellen Jazz wirklich so wenige? Da war das Festival vor einigen Jahren schon mal ein paar Schritte weiter.
  • Fritz Schmücker bewies es mit seiner Auswahl aufs Neue: das Internationale Jazzfestival Münster ist nicht auf große Stars aus den USA angewiesen. Es gibt auch in der europäischen Jazzlandschaft immer noch genug zu entdecken. Dies bestätigte auch das Publikum mit seinem ausgiebigen Applaus für die Festivalleitung – und mit dem auch diesmal wieder schnellen Ausverkauf der Tickets.
  • Überhaupt macht das Publikum in Münster eine Menge mit: wenn Musiker zum Mitsingen, Schnipsen oder rhythmischen Klatschen aufforderten, klappte das erstaunlich gut –  egal was man uns vom sturen Westfalen weismachen will. Und an der Fragebogen-Aktion der Uni Bielefeld zu Konzertbesuchen und dem Hören von Jazz hat sich bis Sonntag die beachtliche Zahl von über 500 Festivalbesuchern beteiligt.
  • Zu Unmut führten aber die hohen Catering-Preise im Theater Münster. Mit 4 € für ein Bier (0,33l) oder 7 € für ein Glas Wein war die Schmerzgrenze für viele inzwischen überschritten. Beim nächsten Mal in zwei Jahren werden daher wahrscheinlich noch mehr Festivalbesucher einen Weg zur Selbstversorgung suchen und das untere Foyer in eine Picknickzone verwandeln.

 

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