Picknickdeckentanz von Mülheim bis Palermo Sondaschule bei den Picknickkonzerten auf der Zoowiese

Weil wir von der Sondaschule sind! (Foto: Michael Wietholt)
Weil wir von der Sondaschule sind! (Foto: Michael Wietholt)

Man sieht Münster nicht unbedingt auf den ersten Blick an, dass die beschauliche Domidylle einer der deutschen Hotspots für Ska und Ska-Punk ist, aber immerhin wurde hier mit El Bosso & die Ping-Pongs die erste deutschsprachige Ska-Band gegründet, außerdem macht auch Dr. Ring-Ding immer wieder von sich reden. Kein Wunder also, dass sich auch Sondaschule auf der Wiese vor dem Allwetterzoo vor herrlich baumbestandener Kulisse sichtlich wohl fühlen.

So ist dann auch an Picknick – trotz des Namens der Veranstaltungsreihe – kaum zu denken, hält es doch kaum ein Gesäß bei Häppchen und Erfrischungen auf der hübsch karierten Decke. Stattdessen wird vom ersten Ton an getanzt und gefeiert, der Domkellerstolz (für Inhaber einer allzu behüteten Jugend: ein Tröpfchen, das eher ob des erfreulichen Preis-Leistungs-Verhältnisses als aufgrund der Qualität der verkelterten Rebsorten geschätzt wird) darf da in guter Punk-Tradition auch mal direkt aus dem Tetrapak genossen werden. Natürlich beschränkt sich der Aktionsradius coronakonform auf die eigene Picknickparzelle, was jedoch der intensiven Tanzlust keinen Abbruch tut. Standesgemäß darf auch der obligatorische beleibte junge Herr in deutlich zu knapp dimensionierter Damenunterbekleidung nicht fehlen.

Jetzt und hier ist er glücklich: Costa Cannabis (Foto: Michael Wietholt)
Jetzt und hier ist er glücklich: Costa Cannabis (Foto: Michael Wietholt)

Große Begeisterung erfasst nicht nur das mit hervorragendem Sound beschallte Publikum, auch den Akteuren auf der Bühne sprüht die Spielfreude förmlich aus jeder Pore, was umso beeindruckender ist, bedenkt man, dass diese Tour sicherlich die schwerste in der Bandgeschichte sein dürfte. Dass der unerwartete Tod des langjährigen Gitarristen Daniel „Blubbi“ Junker vor fast genau zwei Monaten nicht spurlos an der Band vorbeigegangen ist, wird vor allem in den ruhigen Momenten deutlich. Spätestens, als vor den Zugaben in Gedenken an Blubbi die Freundschaftshymne „Bist du glücklich?“ erklingt und die Fäuste in den Himmel gereckt werden, müssen wohl selbst die Hartgesottensten eine Träne verdrücken. Auch das als erste Zugabe nachfolgende „Bevor ich irgendwann mal geh“ gewinnt durch die Umstände traurige Aktualität, wird sich aber sicherlich umso mehr als Hommage an Junker in den zukünftigen Setlists etablieren.

Tauscht Picknickdecke gegen Tanzfläche: Das Publikum (Foto: Michael Wietholt)
Tauscht Picknickdecke gegen Tanzfläche: Das Publikum (Foto: Michael Wietholt)

Unterkriegen lässt sich Sondaschule von diesem Schicksalsschlag jedoch nicht, stattdessen wird die Energie von Beginn an konsequent in Vorwärtsbewegung umgesetzt. Mit der aktuellen Single „Gute Zeiten“ vom im Januar erscheinenden neuen Album „Unbesiegbar“ gelingt der Start schwungvoll und optimistisch. Im Anschluss folgt ein wilder Ritt durch alte und neue Hits, auch die mit dem „Schere, Stein, Papier“-Akustik-Album bereits erwiesene Lagerfeuertauglichkeit wird im Laufe des Nachmittags in Gestalt des in der ersten Hälfte von Costa solo zur Akustikgitarre vorgetragenen „Für immer nie nüchtern“ erneut unter Beweis gestellt, bevor der Rest der Band den Song in ein ordentliches Brett verwandelt. Neben akuten Fernwehauslösern wie „Amsterdam“, „Palermo“, „Hängematte“ und „Grüße vom Meer“ wird mit dem augenzwinkernd als „Saufmusik“ angekündigtem „Tausche Alkoholsucht gegen Liebe“ sowie „Schere, Stein, Papier“ auch einigen der nachdenklicheren Stücke Raum zugestanden. Ebenso finden mit Nummern wie „Stuntman“ auch Raritäten aus den beiden „Lost Tapes“-Sammlungen Eingang ins nicht ganz zweistündige Programm. Zwischendrin wird mit der Begründung „weil‘s halt so richtig schön Scheiße ist“ die Tradition eingeführt, sich an der lautesten Stelle des Songs hinzusetzen, schließlich stünden sonst eh schon alle die ganze Zeit.

Insgesamt war von gesitteter Picknick-Beschaulichkeit an diesem Sonntagnachmittag bei überraschend sonnigem Wetter erfreulich wenig zu spüren, stattdessen fühlte man sich an die guten, fast vergessenen Zeiten verschwitzt durchfeierter Festivalwochenenden erinnert. Und das ist deutlich mehr, als man von einem Sonntag in Münster üblicherweise erwarten kann.

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