Münsters Storchenpopulation wächst weiter Viele Adebare sind schon wieder angekommen

Die Störche kommen jedes Jahr früher aus ihren Winterquartieren zurück. (Foto: Michael Tillmann)
Die Störche kommen jedes Jahr früher aus ihren Winterquartieren zurück. (Foto: Michael Tillmann)

„Wenn die Entwicklung so weitergeht, hat der Storch als Frühlingsbote bald ausgedient.“ Mit Erstaunen stellt Michael Tillmann, langjähriger Beobachter des Storchengeschehens in und um Münster, fest, dass sich die Ankunft der großen Vögel Jahr für Jahr weiter nach vorne schiebt. Ende Februar seien schon zwei Drittel des Vorjahresbestandes wieder da. Und das gilt sowohl für die Storchenkolonie im Zoo als auch für die Storchenhorste im übrigen Stadtgebiet.

64 Storchenpaare habe es im vergangenen Jahr in Münster gegeben, 45 Paare im Zoo und 19 Paare im Westen und Norden der Stadt. Insgesamt sind genau 100 Jungstörche flügge geworden. „Mit mehr als 20 Prozent Zunahme an Paaren gegenüber 2020 hat auch Münster den allgemeinen Bestandstrend bei den Störchen bestätigt“, weiß Michael Tillmann, der als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Weißstorch auch den landesweiten Überblick hat. Mit 609 Paaren im vergangenen Jahr hatte Nordrhein-Westfalen sogar eine Zunahme von über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Das hat auch dazu geführt, dass unter den Stadt- und Landkreisen Münster auf den vierten Platz in der Landesstatistik abgerutscht ist, hinter den Kreisen Minden-Lübbecke, Paderborn und Wesel. „Aber immerhin“, so Tillmann, „dürfte Münster nach wie vor die storchenreichste Großstadt in ganz Deutschland sein.“

Alle Störche haben sich freiwillig im Zoo angesiedelt

Überall auf dem Zoogelände gibt es Nistplätze für Störche. (Foto: Sebastian Rohlnig)
Überall auf dem Zoogelände gibt es Nistplätze für Störche. (Foto: Sebastian Rohlnig)

Mit Spannung blickt der Experte auf die Baustelle der Meranti-Halle im Allwetterzoo, ob und wie sie sich auf die dortige Storchenkolonie auswirken wird. Eine Entwicklung, die auch Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo Münster, aufmerksam beobachte. Für ihn ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig zu betonen, dass es sich bei den Störchen um keine Zootiere handele. „Die haben sich hier alle selbstständig und freiwillig angesiedelt. Zudem bekommen sie von unserem Team auch keinerlei Nahrung. Aus diesem Grund werden sie auch als Wildstörche eingestuft“, so Wagner, und fährt fort: „Wir streben keine Zunahme der Storchenpaare bei uns an und würden es viel lieber sehen, wenn sich mehr Paare außerhalb des Zoos im Stadtgebiet ansiedeln würden. Aus diesem Grund sind die von uns in diesem Jahr neu angebotenen Storchennestplattformen auch alle weitläufig verteilt.“ Im Rahmen der Arbeiten zur neuen Meranti-Halle sind durch die Gehölzarbeiten auch Storchennester entfernt worden. Doch es gibt Abhilfe – oder vielmehr Neubauten. Denn insgesamt sechs neue Storchenplattformen warten auf ihren Erstbezug.

„Wir hier im Allwetterzoo haben eine der größten Kolonien in ganz NRW – und das, obwohl wir die Tiere nicht füttern. Dadurch wird sie als natürliche Kolonie gewertet – eine Kolonie die stetig anwächst. Und da kommt neuer „Wohnraum“ gerade recht.“

Auch auf dem Parkplatz finden die Störche Nistmöglichkeiten. (Foto: Sebastian Rohling)
Auch auf dem Parkplatz finden die Störche Nistmöglichkeiten. (Foto: Sebastian Rohling)

Die Plattformen sollen auch dazu dienen, die Kolonie etwas managen zu können. Denn die Tiere sollten nicht überall brüten – insbesondere dann nicht, wenn sich viele Horste auf engen Raum verteilen. Die schweren Nester können sonst sehr herausfordern für die Statik von Gebäuden und die Belastbarkeit von Ästen an Bäumen sein. Aus diesem Grund sind die von uns in diesem Jahr neu angebotenen Storchennestplattformen auch außerhalb des eigentlichen Zoogeländes im Bereich des großen Parkplatzes aufgestellt worden. Insgesamt gibt es sechs neue Storchenplattformen. Drei auf dem Parkplatz in der Nähe der Bushaltestelle, wo auch die Linie 14, der elektrische Bus der Stadtwerke „auftankt“, zwei in der Nähe der Löwen und eine in der Blühwiese – zwischen Muntjaks und Orang-Utans“, sagt Wagner, wo die Masten aufgestellt worden sind.

Jede Plattform liegt auf einem acht Meter hohen Mast. „Um einen rund 1 Meter breiten Horst bauen zu können, benötigen die imposanten Tiere nicht nur Platz, sondern auch Baumaterial“, so Wagner. „Sie beginnen mit der Gestaltung eines stützenden Unterbaus. Dafür sammeln sie daumendicken Äste und Zweige, die sie geschickt ineinander verhaken.“ Der Unterbau hat eine Nestmulde, in welcher dann das eigentliche Nest gebaut wird. Dafür verwenden Störche weiches Material wie Laub, Heu, Stroh, Wurzelbüschel, Grasballen und Blätter. „Leider aber auch Papier oder Abfälle wie alte Kleidungsstücke. Ein weiterer guter Grund, Müll nicht achtlos wegzuwerfen.“

Die Nistmöglichkeiten müssen aufwendig im Boden verankert werden, damit die schweren Nester sie nicht zum Einsturz bringen. (Foto: Sebastian Rohling)
Die Nistmöglichkeiten müssen aufwendig im Boden verankert werden, damit die schweren Nester sie nicht zum Einsturz bringen. (Foto: Sebastian Rohling)

Ein Nestboden wird dann im Verlauf der Brutsaison immer wieder neu ausgepolstert und sauber gehalten. „Störche sind ihrem Brutplatz treu und besetzen jedes Jahr wieder den gleichen Nistplatz“, erklärt Wagner. So könne ein Horst über die Jahre mehrere Hundert Kilo Gewicht auf die Waage bringen. „Aus diesem Grund stehen die Masten mit den Storchenplattformen jeweils in einem 6 Kubikmeter Betonfundament. Dafür wurde pro Fundament 300 kg Betonstahl verbaut. Damit tragen die Masten ohne Probleme die teils sehr schweren Horste der Störche.“

Aber natürlich habe es für die Zoobesucher jedes Jahr aufs Neue einen hohen Erlebniswert, das Treiben der Störche so nah verfolgen zu dürfen. Ob das Wachstum der Storchenpopulation bald an seine Grenzen kommt, darüber kann nur spekuliert werden. Michael Tillmann sieht aber zunehmendes Konfliktpotenzial auf die Tiere zukommen. „Meiner Meinung nach werden die Konflikte zwischen den Belangen des Artenschutzes und der Notwendigkeit, mehr erneuerbare Energien, auch durch mehr Windkraft zu erzeugen – auch im Stadtgebiet Münster – zunehmen. Das würde dann auch die Störche betreffen.“ Für ihn ein schwieriger Spagat, ist er doch seit vielen Jahren auch in der Klimabewegung stark engagiert ist.

Transparenzhinweis:
In unserer Medienpartnerschaft mit dem Allwetterzoo Münster ermöglichen wir vertiefende Einblicke in die Arbeit und den Alltag des Zoos am Aasee. Die Reihe bietet Blicke hinter die Kulissen und Berichte über die Menschen, die sich jeden Tag um das Wohl der Tiere bemühen.

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