Sie war bereits im Vorfeld nicht unumstritten, die Entscheidung der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe, den diesjährigen internationalen Preis des Westfälischen Friedens unter anderem an den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu verleihen. Zu eng sind vielen die unverändert bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen Frankreichs zu Russland. Der feierlichen Stimmung im Rathausfestsaal tat dies keinen Abbruch, als der Preis an Macron und das Deutsch-Polnische Jugendwerk verliehen wurde.
Der erste Vorsitzende des Vorstands der Wirtschaftlichen Gesellschaft, Dr. Reinhard Zinkann, verwies in seiner Rede zunächst auf die Verzögerung der Preisverleihung, die eigentlich schon im vergangenen Jahr hätte stattfinden sollen: „Diese Preisverleihung war geplant zum 375. Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedensschlusses im vergangenen Jahr. Doch wir leben in aufgewühlten Zeiten, in denen Krieg mitten in Europa herrscht. Und so freuen wir uns nun umso mehr, Teil des Staatsbesuches von Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident Macron, in Deutschland zu sein.“ Weiterhin verweist Zinkann auf den Anlass deer Verleihung: „Ohne die Laudation vorwegzunehmen, möchte ich für das Kuratorium unserer Gesellschaft eines ausdrücklich betonen: dieser Preis ist die Anerkennung für Engagement, für Dialogbereitschaft und den Einsatz für ein freies, vereintes und eigenständiges Europa.“
Jugendpreis verliehen
Den Jugendpreis erhielt in diesem Jahr das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW), das für ein Austauschprojekt zwischen Deutschland, Polen und der Ukraine ausgezeichnet wurde. Die Laudatio hielten Polens Ministerin für Bildung, Barbara Nowacka und ihre deutsche Kollegin Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die beiden Ministerinnen trugen sich ebenso wie Małgorzata Bochwic-Ivanovska und Stephan Erb, Geschäftsführerin und Geschäftsführer des Jugendwerks, sowie sieben Jugendliche aus Deutschland, Polen und der Ukraine stellvertretend für das DPJW im Anschluss an die Preisverleihung in das Goldene Buch der Stadt ein.
Steinmeier: Macron ist „Mutmacher“
Die Laudatio auf Präsident Macron hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der gleichzeitig Vorsitzender der Jury war. Macron habe viel für die deutsch-französische Freundschaft getan, dafür, dass beide Länder gemeinsam voranschreiten. Viele Durchbrüche in Europa seien anders gar nicht möglich gewesen. Dass Deutschland und Frankreich bei vielen Themen erfolgreich zusammenarbeiten, zeige, wie wertvoll und kraftvoll die Europäische Union ist. Der französische Staatspräsident sei nicht nur ein Macher, sondern ein Mutmacher. Er wolle wachrütteln, manchmal mit drastischen Worten. Er sei mahnend, aber nie hoffnungslos und mache stests deutlich: „Wir haben unser Schicksal in der Hand.“
Der französische Staatspräsident lasse nicht zu, dass uns die Dinge aus der Hand genommen werden. „Auch heute müssen wir wieder um den Frieden in Europa ringen“, so Steinmeier weiter. Frankreich und Deutschland hätten alles dafür gegeben, um genau das zu erreichen: Frieden und ein verlässliches Auskommen, auch mit Russland. „Wir haben versucht, auf politischem Weg einen Krieg zu verhindern. Aber unser gemeinsames Bemühen um den Frieden in Europa ist an Moskau gescheitert. Putin hat dieses Bemühen brutal zerschlagen.“ Er habe den Krieg nach Europa zurückgebracht, „von dem wir gehofft hatten, dass wir ihn nie wieder erleben müssen.“
Macron: „Quelle der Hoffnung“
Macron warb in seiner Rede für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, Verteidigung und auch ein gemeinsames Handeln beim Thema der inneren Sicherheit. Auch wünschte er sich mehr Optimismus und Tatendrang in Europa. Der hier in Münster geschlossene Westfälische Friede sei eine Wurzel des gemeinsamen Europas. Zudem erklärte Emmanuel Macron, dass die deutsch-französischen Beziehungen lange Zeit von gegenseitiger Faszination und Feindseligkeit geprägt gewesen seien. Am Ende sei nur die Faszination geblieben. Diese sei eine „Quelle der Hoffnung“.
Proteste: Verleihung ein „Affront“
Die Verleihung des Friedenspreises an den französischen Präsidenten stieß in Münster nicht nur auf Zustimmung, so waren teils lautstarke Proteste zu vernehmen. Am LWL-Museum für Kunst und Kultur hatte das Aktionsbündnis Münsterland zur einer Mahnwache aufgerufen. Die Initiatoren kritisieren, dass Macron der Westfälische Friedenspreis „ausgerechnet für sein angeblich unermüdliches Engagement gegen den russischen Angriff auf die Ukraine“ verliehen wurde und sprechen von einem „Affront“. Mit seiner Atompolitik fördere der französische Staatspräsident den russischen Angriffskrieg. Der staatliche französische Atomkonzern Framatome halte bis heute an seiner strategischen Kooperation mit dem Kreml-Konzern Rosatom fest. Er wolle diese sogar noch ausweiten, etwa über den Einstieg von Rosatom in die Brennelemente-Fertigung in Lingen. Mit seinem Veto verhindere Macron seit Jahren EU-Sanktionen gegen den russischen Atomsektor. Dies spüle Jahr für Jahr Milliarden in Putins Kriegskasse. „Macrons Atomkraft finanziert Putins Krieg“, kritisieren die Atomkraftgegner.
Auch die münstersche Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und die Friedenskooperative Münster kritisieren die Verleihung und hatten zu mehreren Protestveranstaltungen aufgerufen. Macrons Vermittlerrolle zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine soll als Begründung für die Preisverleihung herhalten, beklagt Jewgenij Arefiev, Sprecher der DFG-VK in Münster. „Es wird hier ein Vertreter geehrt, der diesen Krieg aktuell mit der Diskussion um die Entsendung der Bodentruppen anheizt und eine Eskalation bis zum Atomkrieg provoziert. Aus unserer Sicht wären hier andere, wirksamere Schritte zur Verhinderung oder Beendigung dieses Krieges angemessen gewesen, der die europäische Sicherheitsordnung in Frage stellt.“ In Europa befürworte die französische Regierung die Festung Europa mit menschenverachtenden Maßnahmen an den Außengrenzen. Die Gefährdung der Demokratie in Frankreich durch rechte Kräfte werde durch Einschränkung des Sozialstaates wie auch in Deutschland vorangetrieben. Auch fehle eine ideologische Abgrenzung nach rechts im EU-Raum.
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