„Kawumm“ – Der große Knall im GOP

Markus Pabst, der dicke Mann aus "Kawumm". (Foto: GOP)
Markus Pabst, der dicke Mann aus „Kawumm“. (Foto: GOP)

„Die wundersame Geschichte vom dicken Mann, der beinahe nichts konnte“ – Der dicke Mann ist in diesem Fall der Regisseur und Protagonist in Personalunion und zeigt den GOP-Besuchern seit letztem Donnerstag in gut zwei Stunden, was er sich gemeinsam mit Pierre Caesar ausgedacht hat. Eines sei direkt verraten, wirklich gewöhnlich ist hier nichts, Konventionen und Traditionen werden in diesem Stück nicht beachtet. Diese Erstaufführung hat es in sich, geht nicht an Grenzen, aber traut sich was.

Alltagssorgen, Politik oder gesellschaftliche Probleme sind wahrscheinlich Dinge, die man bei einem Varietee-Besuch zusammen mit dem Mantel an der Garderobe abgeben möchte. Im aktuellen Programm muss man aber durchaus damit rechnen, zwischen Prosecco und Fingerfood auch mit der Realität konfrontiert zu werden. Was zunächst mit mit etwas Melancholie des in der Welt der Zahlen gefangenen Buchhalters Mutzmann beginnt, mündet im Verlauf des Abends in gemischten Gefühlen, die aber immer wieder durch vergnüglichen Frohsinn und Leichtigkeit aufgefangen werden.

Das Duo Sienna am Luftring. (Foto: GOP)
Das Duo Sienna am Luftring. (Foto: GOP)

Pabst schafft es, der Show und den Zuschauern an den richtigen Stellen kleine und nachdenkliche Schockmomente zu bescheren, ohne dabei allzu politisch oder gar oberlehrerhaft zu werden. Zunächst monoton und der Routine seines Jobs geschuldet gelangweilt, führt Mutzmann im ersten Teil der Show Monologe, die in den artistischen Teil übergehen. Hier greift dann eins ins andere. Die Story verschmilzt mit der wunderbaren Akrobatik und offenbart das extrem runde Gesamtpaket der Show. Sei es anmutige Handstandartisik auf dem Schaukelpferd, die von Gesang begleitet die Geschichte des Erwachsenwerdens erzählt, oder hochkarätiger Slapstick mit den Collins Brothers, alias der Nerd und der Schnösel.

Düstere Eleganz kehrt mit dem Duo Sienna auf der Bühne ein, die nicht nur im Schummerlicht einen leicht lasziven aber anspruchsvollen Poledance zeigten, sondern später auch noch am „Synchron-Luftring“ ein absolutes Highlight des Abends ablieferten. Junge Artisten an klassischen Requisiten, in diesem Fall eine Punktlandung, frisch und atemberaubend wird hier gezeigt, wieviel Platz in einem Luftring wirklich ist.

Mit einem Paukenschlag, ganz getreu dem Motto der Show, begann die zweite Hälfte der Show. „Niemand schläft…“, wollte Sänger Ye Fei wohl sichergehen und schmetterte dem sichtlich überraschten Publikum die wohl berühmteste Arie aus Puccinis „Turandot“ entgegen, „Nessun Dorma“. Gänsehaut-Momente, die man wohl in dieser Form nicht erwartete und auch eher selten im Varietee erleben darf. Die zweite Hälfte des Abends war aber nicht nur getragen von Gänsehaut, sondern auch der eingangs erwähnten Nachdenklichkeit, gekonnt in Szene gesetzt von Pabst.

Saleh Prinz Yazdani auf dem Schaukelpferd. (Foto: GOP)
Saleh Prinz Yazdani auf dem Schaukelpferd. (Foto: GOP)

In einer Prozession, begleitet von Messdienern zieht er durchs Publikum auf die Bühne ein und liefert eine sarkastische Abrechnung mit der Religion und der Kirche, um nur eine Tanzeinlage später noch weiter auszuholen. In einer wuchtigen Predigt lässt er geballte Gesellschaftskritik auf die Gäste niederprasseln und mahnt in deutlichen Worten, „Es gibt wieder einen Grund zu schreien! Wir müssen schreien!“. Offenbar hat das Varietee auf solche Worte, auf ein solches Wagnis gewartet, denn der tosende Applaus ist sicher ein Zeichen, das Pabst mit dieser Rede genau ins Schwarze getroffen hat. Ins Schwarze, genau hierhin trifft diese Show mit all ihren Wendungen, der Story, den Darbietungen und ihrer herrlichen Andersheit.

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