Homeoffice: Emsige Eltern, kreative Kinder Oder: "Das beste aus zwei Welten" / Vierter Teil der Münster-Kolumne "Hausfrau & Mutter, berufstätig" von Iris Brandewiede

Supermutter mit Superkids im Homeoffice! (Grafik: E.M.)
Supermutter mit Superkids im Homeoffice! (Grafik: E.M.)

Mit ihren drei Kindern ist meine Kollegin komplett zum Homeoffice verdonnert, ich nur zum Teil. Meine werktäglichen Anrufe sind ihre Verbindung zum Arbeitsplatz, Informationsquelle und, wenn wir ehrlich sind, wohl auch willkommene Abwechslung zum Windeln wechseln. 

Heute werden wir aber mal richtig was schaffen. Die Mehrfachmutter hat sich freigeschaufelt, indem sie den Neunjährigen mit einem Gitarrentutorial versorgt hat, wie wir deutlich hören können. Die Vierjährige, ganz das verlässliche Sandwichkind, hört ein spannendes Hörspiel und malt ein Mandala. Der Zweijährigen erprobt, wie die Mutter verschwörerisch zugibt, fasziniert ein Düdelspielzeug Made in China. In einem reinen Holzspielzeug-Haushalt garantiert die Gesamtsituation mindestens eine halbe Stunde reiner Arbeitszeit. Dann aber ran.

Meine Kollegin zieht sich zum Zeichen, dass sie nicht gestört werden darf, ins Schlafzimmer zurück. Ins Obergeschoss. Mutig, denke ich. Ich muss wohl laut gedacht haben. Der Vater der Kinder werde jeden Moment vom Einkauf zurück sein, beruhigt mich die Kollegin. Raschelnd und klappernd richtet sie sich ein. Mein geschultes Ohr synthetisiert die akustischen Eindrücke zu folgendem Bild: Die Emsige nimmt im Schneidersitz auf dem Doppelbett Platz, wobei ihr Laptop an diverse Schnuller stößt. Hat das mit der Schnullerfee wohl doch nicht so ganz geklappt. Besser so. Choose you battles, sagt der Engländer. Und woher soll die gute Fee in diesen Zeiten auch die Geschenke nehmen…?! Fernmündlich erledigen wir, was zu erledigen ist: Verwaltung hier, Planung da, Dokumentation sowieso. Beide klagen wir bereits über das altvertraute Ziehen im Nacken, das sich einstellt, wenn man über längere Zeit den Hörer mit der Schulter ans Ohr presst, um die Hände zum Schreiben frei zu haben. Was soll‘s. Auf diese Weise haben wir schon viel Papierkram bewältigt, der sonst über Monate das Gewissen drückt.

Kaum sind wir voll auf der professionellen Ebene angekommen, nähern sich über die Holztreppe leichtfüßige Kinderschrittchen. Müsste ich eine aufgeweckte Vierjährige für ein Kinderhörspiel casten, wüsste ich keinen besseren Probetext. Und auch keine bessere Besetzung: „Mama, Mama, der Michel ist auf den Tisch klettert!“ berichtet die Kleine aufgeregt. Die dreifache Mutter reagiert gelassen: „Auf welchen denn?“ Sie hofft wohl wie ich, dass es sich um den winzigen Kinder-Basteltisch handelt, an dem die vernünftige Tochter soeben noch ihr Bildchen malte. „In der Küche, Mama!“ antwortet die resolute Kleine. Immer noch bleibt die Mutter entspannt. Sie versucht, wertvolle Zeit zu schinden: „Sei du doch so lieb und sag ihm, er soll mal zu mir hoch kommen, okay?“ Ich höre förmlich, wie die Kleine, immerhin in Personalunion auch große Schwester, ihre Mutter mit strengem Blick durchbohrt. Dann entfernen sich stapfende Füßchen auf der Holztreppe. Wir nehmen die Dienstbesprechung wieder auf. So ganz sind wir nicht mehr bei der Sache. Heimlich lauschen wir beide angestrengt auf Hintergrundgeräusche. Und da sind bis aufs Gitarrendüdeln keine. Stille ist gar nicht gut. Prompt poltern in alarmierendem Tempo die Schrittchen heran, begleitet vom Kommando: „Mama, schnell, er ist gleich ganz oben!“

Zehn Minuten später ruft meine Kollegin noch leicht außer Atem zurück. „Alle wohlauf“, ist die erste und wichtigste Botschaft. Ein winziger erleichterter Schluchzer schummelt sich in ihrhysterisches Kichern. Angeregt durch eine Abbildung der Bremer Stadtmusikanten, berichtet sie, hat der Zweijährige ein kreatives Bauwerk errichtet. War der Küchentisch der Esel, so diente das Stühlchen vom Basteltisch als Hund, eine Stoffkatze als Katze. In letzter Sekunde rettete die Mutter das Kind aus schwindelnder Höhe und hielt den – im Hintergrund immer noch wütend heulenden – Künstler davon ab, „den Hahn“ in Form einer offenen Milchflasche als Krönung auf seine Schöpfung zu setzen.

Just betritt der Familienvater das Haus, entnehme ich dem beherzten Fluch eines sonst sehr freundlichen Mannes. Fünf Läden habe er abgeklappert, trotz schlechten Gewissens wegen der vielen Kontakte. Das dringend Benötigte habe er dennoch nicht bekommen. „Zwei Rollen für fünf Leute, das wird knapp, Wochenende“, meint er…

So geht die kleine Ballade weiter, die immer noch auf die Weiterreise ins Tonstudio wartet:

Wie war das nochmal: Alltagssorgen - 
was gibt‘s heute? Wohin morgen?
Alles das ist meilenweit entrückt.

Die Meise mit der schwarzen Mütze
wäscht sich in ‚ner kühlen Pfütze - 
ob sie weiß, wie sehr sie mich beglückt?

Ich hab die Zeit gedreht, 
so dass sie rückwärts geht,
sie wird nicht weniger,
sie wird mehr und mehr und mehr und mehr, mehr und mehr und mehr und mehr und mehr.

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