Das internationale Jazzfestival Münster feiert an diesem Wochenende im Theater Münster sein 40. Jubiläum. Allerdings nicht mit einer nostalgischen Rückschau, sondern mit neuen Einblicken in die Vielfalt vor allem des europäischen Jazz. Das wurde schon am ersten Abend mit vier ganz unterschiedlichen Konzerten deutlich.
Stars des Abends waren Erik Truffaz und Krzysztof Kobyliński, die wahrscheinlich jeden im Publikum mit ihrer dichten, lyrischen Musik verzaubert haben. Truffaz wird immer wieder als der „französische Miles Davis“ bezeichnet, in diesem Duo mit dem polnischen Pianisten ist es dann der Miles von „Birth of the Cool“ oder, wohl noch treffender, vom Soundtrack für „Ascenseur pour l’échafaud“. Die Kompositionen stammten alle von Kobyliński und erweckten den Eindruck, als seien sie geprägt von osteuropäischer Folklore und der Kammermusik der Romantik.
Die Lieder hatten aber alle ihre ganz eigene Dynamik, sie entwickelten einen fast schon hypnotischen Sog, wobei Kobyliński sich als Pianist häufig sehr zurückhielt und dem Trompeter Truffaz eine hervorragende Plattform für seine herzerwärmenden und doch so klaren Soli bot. Da war es schon sehr schlau, dass der polnische Pianist den Auftritt mit drei Solo-Stücken begonnen hatte, die das Publikum musikalisch hervorragend auf das Werk des Duos einstimmten. Bei aller Melancholie ihres ersten gemeinsamen Programms „Give Me November“, das übrigens im letzten November auf CD erschienen ist, war hier und da sogar Platz für ein musikalisches Späßchen oder etwas Rhythmus – nicht nur als der überaus sympathische Truffaz das Publikum zur Begleitung per Schnipsen und Klatschen dirigierte.
Wie er bei seiner Anmoderation verriet, traute Festival-Leiter Fritz Schmücker sich aber nicht, diesen eher ruhigen Programmpunkt als ersten auf die Agenda zu setzen, wie er es im letzten Jahr beim INNtöne-Festival im österreichischem Diersbach erlebt hatte. Dass er dennoch ein gutes Händchen für eine abwechslungsreiche Gestaltung hat, bewies er aber auf jeden Fall mit dem Line-Up für den ersten Tag des 27. Jazzfestivals Münster. Begonnen hatte es mit dem portugiesischem Sextett AXES in der ungewöhnlichen Besetzung mit vier Saxophonen und zwei Schlagzeugen. João Mortágua fiel dabei kaum als Bandleader auf, die Band erschien mehr wie ein Kollektiv, das so gut wie nie zur Ruhe kam. Ob nun die Saxophonsätze und abwechselnden Soli an lebhaftes Geplapper erinnerten oder die Soli der beiden Drummer wie ein Streitgespräch: AXES zeigten, dass Jazz immer auch Kommunikation ist. Auch wenn Pedro Vasconcelos an den Drums und allerlei Spielzeug-Instrumenten mitunter etwas zu sehr wie ein Spaßvogel auftrat, prägte das nicht den Gesamteindruck dieses agilen Sextetts aus Porto, das die Ohren des Publikums vom Alltagstrott freiblies und für erste Ausrufezeichen sorgte.
Nachdem das Publikum danach Erik Truffaz und Krzysztof Kobyliński wieder etwas zur Ruhe und vielleicht sogar ein wenig ins Träumen gekommen war, erschien als dritter Act wieder eine lebhafte Truppe: Daniel Erdmanns VELVET JUNGLE. Seit einigen Jahren unter dem Namen VELVET UNDERGROUND unterwegs, hat sich das Trio inzwischen mit dem schweizerischen Schlagzeuger Samuel Rohrer zu einem wahrhaft internationalen Quartett erweitert. Ob er oder der britische Vibraphonist Jim Hart, ob der deutsche Saxophonist und Band-Leader Daniel Erdmann oder der französische Violinist Theo Ceccaldi – sie alle sind hervorragende Solisten auf ihren Instrumenten. Ganz unterschiedlich fielen ihre Stücke aus, mal begannen sie sphärisch, mal tanzbar mit afrikanischen Rhythmen, mal waren sie inspiriert von einem Film von Aki Kaurismäki und dann blitzten wieder Erinnerungen an Satie oder Weill auf. Dabei spielte Theo Ceccaldi seine Bratsche manchmal wie einen Bass oder wie eine E-Gitarre, inklusive der Effektgeräte. Kurze Zeit später ließ er die Geige in geradezu klassischer Jazz-Manier erklingen. Mit ihrem gesamten Auftreten wirkte die Band wie ein ausgesprochen urbaner Haufen, der ständig nach dem nächsten neuen Kick sucht.
Wesentlich traditioneller kam dagegen das spanische Trio daher, das den Freitagabend abschloss: der Flamenco-Gitarrist Juan Gómez „Chicuelo“ hat sich dazu mit den Pianisten Marco Mezquida zusammengetan, der bisher vor allem mit Ravel-Bearbeitungen aufgefallen ist. Zusammen mit dem Percussionisten Paco de Mode haben Chicuelo und Mezquida den Flamenco zu einer neuen Fusion mit dem Jazz geführt. Sie spielten nahezu ihr komplettes Album „Conexión“, das zwar schon 2017 erschienen ist, aber bisher längst nicht allen im Publikum bekannt sein durfte. Äußerst virtuos spielten sie ihre Kompositionen, nur selten stand dabei das Tempo im Vordergrund, immer aber das Feeling. Die CD werden sich bestimmt viele Festival-Besucher zulegen, ebenso wie die von Truffaz und Kobyliński.
Heute Nachmittag wurde das Festival im Kleinen Haus mit einem wiederum ganz anderen Konzert von dem Westfalen-Jazz-Preisträger Florian Walter mit seinem Projekt „Feldmodul“ eröffnet, um 18 Uhr geht es im Großen Haus mit „Perpetual Motion“ zu Ehren von Moondog weiter.
Für Sonntag sind sogar noch ein paar Karten erhältlich, sowohl online als auch vor Ort an der Abendkasse. Das Programm startet dann im Kleinen Haus um 13:30 Uhr, im Großen Haus um 16 Uhr. Wir verlosen 2x2 der begehrten Tickets für morgen (nur Großes Haus), schaut dazu auf unserer Facebookseite vorbei.
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