„Wir begrüßen jeden Zug, der nicht fährt“ Verwaltungsgericht erlaubt Mahnwache der "Initiative für den sofortigen Atomausstieg"

Teilnehmer der Mahnwache gegen den geplanten Atommüll-Transport am Alfred-Krupp-Weg am Güterbahnhof in Münster. (Foto: Thomas Hölscher)
Teilnehmer der Mahnwache gegen den geplanten Atommüll-Transport am Alfred-Krupp-Weg am Güterbahnhof in Münster. (Foto: Thomas Hölscher)

Eigentlich sollte heute der nächste Atommüll-Transport mit Reststoffen aus der Urananreicherungs-Anlage Urenco in Gronau über die Schienen durch Münster, das Ruhrgebiet und die Niederlande rollen, bevor im Hafen von Amsterdam die Verladung nach Russland stattfindet. Dagegen protestierten am Vormittag am Alfred-Krupp-Weg am Güterbahnhof Mitglieder der „Initiative für den sofortigen Atomausstieg“ (SofA). Kurz vorher wurde bekannt, dass heute kein Transport stattfinden wird.

„Wir begrüßen jeden Zug, der nicht fährt“, erklärte Matthias Eickhoff, Vertreter der Initiative SofA und vermutet, dass sich der Betreiber Urenco der Diskussion derzeit nicht stellen wolle. „Firmen, die ihren Müll ins Ausland bringen, muss die Betriebserlaubnis entzogen werden“, forderte er und betonte: „Atommüll-Transporte sind keine Alternative, es bleibt ein dreckiges Geschäft“. Die Folge der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vor 34 Jahren könne nur der Ausstieg aus der Atomenergie sein.

Trotz der Vorschläge und der selbst auferlegten Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstand und Begrenzung der Teilnehmerzahl hatte die Stadt Münster zunächst keine Ausnahmegenehmigung für die Mahnwache erteilt. „Das ist heute die zweite Mahnwache, die wir veranstalten und die zweite, die per Gericht durchgesetzt werden musste“, erklärte Stefan Kubel von SofA. „Dies ist ein schlechter Zustand, das muss sich ändern.“ Es müsse auch Anmeldern ohne juristisches Know-how in Corona-Zeiten möglich sein, zu demonstrieren. Das Verwaltungsgericht Münster hatte der Bürgerinitiative am Wochenende schließlich den Anspruch auf Versammlung zugesichert und die Stadtverwaltung mit der Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung unter Maßgaben beauftragt.

Stefan Kubel von der "Initiative für den sofortigen Atomausstieg". (Foto: Thomas Hölscher)
Stefan Kubel von der „Initiative für den sofortigen Atomausstieg“. (Foto: Thomas Hölscher)

Zur Entscheidung der Richter hieß es unter anderem: „Der Versammlungsort bietet (…) eine ausreichend große Fläche, um die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von mindestens 1,5 m zwischen den zu erwartenden Personen zu gewährleisten. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich diese Teilnehmerzahl signifikant (…) erhöht. So ist es bereits bei der letzten Versammlung am 6. April 2020 an diesem Ort zu nicht mehr als 45 Teilnehmern gekommen, obwohl diese Veranstaltung durch eine Berichterstattung in überregionalen Medien besondere Beachtung erfahren hatte. Es bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich dies am 27. April 2020 anders darstellen könnte.“ Um die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollieren, erschienen Polizei und Ordnungsamt fast in gleicher Stärke wie die Teilnehmer der Mahnwache.

Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer begrüßte die Bewertung des Gerichts. „Das bringt Klarheit für alle Seiten und ist Entscheidungsgrundlage für die Stadt Münster in kommenden Verfahren.“ Nach bislang unklarer Rechtslage komme dieser erstmaligen Befassung des Verwaltungsgerichts Münster mit der Coronafrage im Versammlungsrecht eine Präzedenzwirkung zu. Die festgelegten Infektionsschutzauflagen sollen nun Grundlage für weitere Mahnwachen dienen, die aktuell in Münster angemeldet sind.

Hintergrund:

Die Firma Urenco mit Sitz in Gronau exportierte bereits von 1995 bis 2009 sämtliche „Reststoffe“ aus der Urananreicherung als Atommüll zur Endlagerung nach Russland, um in Deutschland eine deutlich kostspieligere Entsorgung zu umgehen. Wegen internationaler Proteste folgte eine zehnjährige Pause, bis im Frühjahr 2019 die Exporte wieder aufgenommen wurden. Seitdem verließen insgesamt 12 Uranmüllzüge Gronau mit insgesamt 7500t Uranhexafluorid.

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