Zwanziger Jahre-Gala im Theater Münster Robert Nippoldt und das Trio Größenwahn feierten das Berlin der 1920er mit Show, Ausstellung und Party

“Schöner Gigolo, armer Gigolo” und viele weitere Schlager der Zwanziger Jahre präsentierten Robert Nippoldt und das Trio Größenwahn. (Foto: Thomas Hölscher)
“Schöner Gigolo, armer Gigolo” und viele weitere Schlager der Zwanziger Jahre präsentierten Robert Nippoldt und das Trio Größenwahn. (Foto: Thomas Hölscher)

Am Mittwochabend präsentierten der Buchillustrator Robert Nippoldt und die Jazzmusiker des Trios Größenwahn ihre Multi-Media-Show „Ein rätselhafter Schimmer“ im ganz großen Stil im schon lange ausverkauften Theater Münster. Vorher hatte Nippoldt im Foyer die Ausstellung seiner Original-Grafiken und Zeichnungen eröffnet, zum Abschluss gab es eine rauschende Zwanziger Jahre-Party im Theatertreff.

Wie ein sehr großer Teil des Publikums hatte sich auch das Theater Münster für diesen einen Abend herausgeputzt, um das Berlin der 1920er zu feiern. Nicht nur Originalzeichnungen von Robert Nippoldt schmückten das Foyer, sondern auch riesige Ausdrucke auf Leinwänden an den Wänden und in den Fenstern. Eine alte Bank auf einer kleinen Bühne lockte zahlreiche Besucher, sich in ihren Kostümen vor einer solchen Leinwand fotografieren zu lassen. Und zum Abschluss hatte die Lindy-Hop-Szene der Stadt zu einer Party in den Theatertreff eingeladen, um stilecht das Tanzbein zu schwingen. Der dafür ausgesprochenen Bitte, in 20er-Jahre-Garderobe zu erscheinen, waren schon die meisten Zuschauer der Show „Ein rätselhafter Schimmer“ im Großen Haus gefolgt. Spätestens seit dem Erfolg der TV-Serie „Babylon Berlin“ ist diese Epoche der deutschen Geschichte eben schwer in Mode.

Nach dem Auftritt waren Autogramme von Nippoldt für sein großformatiges Buch gefragt. (Foto: Thomas Hölscher)
Nach dem Auftritt waren Autogramme von Nippoldt für sein großformatiges Buch gefragt. (Foto: Thomas Hölscher)

Den ursprünglichen Anlass für diesen Gala-Abend hat aber das große Buch „Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger“ gegeben, das der Grafiker Robert Nippoldt 2017 nach fünfeinhalb Jahren Arbeit im Kölner Verlag Taschen herausgebracht hat. Parallel dazu hat er mit dem Trio Größenwahn eine Show zusammengestellt, in der die vielen Zeiterscheinungen und vor allem die Musik der Zwanziger Jahre wiederbelebt werden. Schon seit einigen Jahren sind sie mit dieser einzigartigen Kombination aus Konzert und der Video-Projektion vom Live-Zeichnen und dem pointierten Auslegen von Karten, Bildern und klassischen Scherenschnitten unter dem Titel „Ein rätselhafter Schimmer“ kreuz und quer durch die Republik unterwegs, in Münster zuletzt in der Friedenskapelle.

So nach und nach sind immer mehr Szenen hinzugekommen, so dass auch Kenner der Show wieder Überraschungen erleben durften. So war die herrlich komödiantisch in Szene gesetzte Manie um Tutanchamun und das alte Ägypten neu, die Howard Carter mit seinen Ausgrabungen 1922 im Tal der Könige ausgelöst hatte. Den Text dazu legte Nippoldt wie ein Archäologe frei – mit dem Pinsel im Sand. Herrlich auch der genussvolle Vortrag eines Dada-Gedichts von Kurt Schwitters, das Christian Manchen vortrug, sonst eigentlich Pianist des Trios. Dazu passend warf Robert Nippoldt ein paar Fundstücke aus der Werkzeugkiste – und ein rohes Ei – auf den Zeichenkarton unter der Kamera und gestaltete so Collagen, wie sie bei den Dada-Künstler jener Zeit beliebt waren, es wirkte fast wie ein zeitgenössischer Trickfilm der Dada-Szene.

Auf der großen Bühne des Theater Münster fielen die Projektionen der Show deutlich wuchtiger aus als gewohnt. (Foto: Thomas Hölscher)
Auf der großen Bühne des Theater Münster fielen die Projektionen der Show deutlich wuchtiger aus als gewohnt. (Foto: Thomas Hölscher)

Die große Bühne im Theater Münster bot deutlich mehr Möglichkeiten, als Nippoldt und das Trio Größenwahn sonst gewöhnt sind. Nicht nur die Leinwand für die Projektionen war um ein Vielfaches größer, sondern auch die Bühne. Sie nutzten es zum Beispiel für eine viel ausgiebigere Tanzeinlage, zum Thema der Modetänze aus den 20er Jahren tanzten hier nicht nur die Pinsel. Sicher auch dafür hatte Sängerin Lotta Stein sich diesmal eines viel größeren und noch edleren Kleiderfundus bedient als sonst.

Natürlich fehlten auch die bekannten Highlights aus dem Programm nicht: die Spielkarten mit den Reichskanzlern der Weimarer Republik, die für jeden Monat ihrer Amtszeit jeweils eine Sekunde lang zu sehen war. Die vielen frechen Schlager der Zeit von den Schellackplatten auf dem gezeichneten Grammophon. Oder die herrlich altmodischen Scherenschnitte zum Lied der Seeräuberjenny aus Brecht und Weills „Dreigroschenoper“ – wobei hier die Techniker des Theaters auch das Publikum in den jeweils passenden Farben ausleuteten, während es sonst doch meistens sehr dunkel blieb.

An vielen Stellen fügte sich die Show „Ein rätselhafter Schimmer“ mit Robert Nippoldt und dem Trio Größenwahn hervorragend in die Programmreihe „Weimar – Republik der Moderne“ ein, die seit letztem November mit vielen Veranstaltungen, vor allem aber mit wöchentlichen Vortragsabenden im Theater Münster läuft. Nicht nur das: sie krönte diese Reihe mit mit einem erstklassigen Gala-Abend, dem das begeisterte Publikum gleich zweimal(!) Standing Ovations spendierte.

Wer die Show verpasst hat oder noch einmal erleben möchte, hat dazu am 15. und 17. November 2019 die Gelegenheit in der Friedenskapelle Münster. Weitere Infos und Termine findet ihr unter https://ein-raetselhafter-schimmer.de.

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