Zwangshandlungen auf der Bühne

(Foto: Klaartje Lambrechts)
Außergewöhnliches im Pumpenhaus (Foto: Klaartje Lambrechts)

Auf der ansonsten leeren Bühne stehen zwei Stühle, auf denen die flämische Choreographin Lisbeth Gruwez und Nicolas Vladyslav sitzen. Von der Decke hängen Mikrofone, die ihr Atmen im Stakkato verstärken. Das Beste, was man noch über die Produktion „We`re pretty fuckin`far from okay“ sagen kann, die am Freitag und am Samstagabend im Pumpenhaus gezeigt wurde: der Titel lässt Raum für Interpretationen, und damit kann man den Inhalt auch in der Überschrift wiederfinden.

Die erste halbe Stunde vergeht damit, dass sich die beiden Darsteller wahlweise den Bauch oder ein anderes Körperteil halten oder berühren – jeweils den eigenen oder das eigene versteht sich. Währenddessen werden eben Atemgeräusche in zum Teil erheblicher Lautstärke hörbar. Vladyslav zieht die Beine an, steigt mal auf den Stuhl, Gruwez streckt sich. Das Ganze wirkt wie eine kleine Selbsterfahrungsgruppe, die dem Wesen der Angst auf die Spur kommen will, zumal immer wieder die Köpfe geschüttelt, gedrückt oder bedeckt werden.

Während das Publikum, verzweifelt auf der Suche nach dem Sinn, fasziniert ist von den zuckenden, schwitzenden Leibern der beiden Menschen, die inzwischen auf der Bühne stehen und sich aneinander lehnen, verschwinden auf wundersame Weise die Stühle. Das kann man schon mal erwähnen, auch wenn es nicht um Zaubertricks von Houdini geht, sondern eigentlich eine Tanzchoreographie sein soll.

Irgendwann hört man ein paar Töne, doch die Hoffnung, dass sich daraus eine Melodie entwickeln würde, stirbt ganz schnell wieder. Die beiden Darsteller zeigen nun einen ausgeprägten Waschzwang, der sich zunehmend auf den ganzen Körper bezieht und auch vor dem Bühnenboden keinen Halt macht. Und als man gerade denkt „jetzt könnte es losgehen mit dem Tanz“, weil man zwischenzeitlich jegliches Zeitgefühl verloren hat, geht das Licht an. Irgendwo wird geklatscht, andere schließen sich an. Tatsächlich – eine gute Stunde ist um. Vier Zuschauer in den hinteren Reihen versuchen sich in Standing Ovations. Das mag übertrieben sein – zu verstörend anders ist die Produktion. Auch von Tanz lässt sich schlecht sprechen, es sei denn, man begreift ihn als Therapieform.

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