„Das war wie eine Slotmaschine!“ Videomacher Simon Jöcker über seinen Drohnenfilm der Domplatzdemo

Simon Jöcker bei der Bearbeitung seines Drohnenvideos, das bei Instagram viral ging. (Foto: Thomas Hölscher)
Simon Jöcker bei der Bearbeitung seines Drohnenvideos, das bei Instagram viral ging. (Foto: Thomas Hölscher)

Mehr als anderthalb Millionen Menschen haben ihn auf Instagram gesehen, über 42.000 haben ihn geliked und weitere anderthalb Tausend Menschen kommentiert: den beeindruckenden Drohnenfilm von der Demo gegen Rechts am 19. Januar auf dem Domplatz mit 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dabei hätte dessen Produzent Simon Jöcker die Demo fast nicht gefunden. Wir sprachen mit dem Videoprofi über seinen „Millionen-Film“.

„Ich habe einfach gemerkt, dass da was im Gang ist und dass es eine große Sache wird. Und ich muss gestehen, dass ich auch nicht ganz uneigennützig gedacht habe“, erinnert sich der 44-Jährige an den Abend der Großdemo auf Münsters Domplatz. „Es ist natürlich für eine gute Sache und für die Botschaft, die transportiert werden soll. Aber ich habe auch gleichzeitig opportunistisch die Möglichkeit gesehen, für meinen neuen privaten Heimatkanal ‚Münsterliebe‘ einen Kickoff-Film zu machen. Es sind 20.000 Menschen, die für die gute Sache einstehen, aber es sind auch 20.000 Multiplikatoren, die das vielleicht teilen.“ So einfach wie gedacht, war die Angelegenheit dann allerdings doch nicht, wie Jöcker berichtet: „Also ich muss sagen, ich habe mich erst mal verflogen, weil die Demo ja in der Stubengasse stattfinden sollte, da war aber kein Mensch. Da war ich kurz davor, die Sache abzubrechen. Aber dann habe ich irgendwo Blaulicht gesehen, bin quasi den Lichtern gefolgt und plötzlich war der Domplatz schwarz vor Menschen!“

Virale Verbreitung
Das besagte Film auf Social Media. (Foto: Thomas Hölscher)
Das besagte Film auf Social Media. (Foto: Thomas Hölscher)

Der Dreh hat zehn Minuten gedauert, der Schnitt war rasch erledigt die passende Musik schnell gefunden. Nur rund zwei Stunden lagen zwischen dem Drohnenflug und der Veröffentlichung auf Instagram. “Mir war klar, dass Aktualität sehr wichtig war. Am nächsten Morgen wäre die Luft raus gewesen oder andere Fotos schon viral gegangen. Und dann ging alles Schlag auf Schlag!“

Nach der Veröffentlichung überschlug sich der Zähler förmlich, Jöcker konnte dabei zuschauen, wie sein Drohnenfilm immer mehr Fans begeisterte; 28, 29, 30, allerdings nicht einzelne Views sondern in Tausenderschritten, „Das war wie eine Slotmaschine! Ich habe mir gedacht, du wartest jetzt noch bis es 100.000 sind, dann legst Du dich ins Bett. Ich glaube, bei 200.000 bin ich dann schlafen gegangen, das war noch vor Mitternacht.“ Am darauffolgenden Tag waren es gegen Mittag schon mehr als 700.000, ein Bericht in der Zeitung sorgte für einen weiteren Schub, irgendwann stand der Zähler bei einer Million. „Aber mir ist klar, dass es wahrscheinlich nie wieder so kommen wird. Ich war mir auch jederzeit bewusst, dass die Leute nicht den Film feiern, sondern die Demo, also das, was da passiert ist.“

Jöcker (re.) im Interview mit ALLES MÜNSTER. (Foto: Thomas Hölscher)
Jöcker (re.) im Interview mit ALLES MÜNSTER. (Foto: Thomas Hölscher)

Bevor Jöcker, der in Los Angeles Film studiert hat, zum ersten Mal eine Drohne in die Luft steigen ließ, hatte er großen Respekt vor diesen Fluggeräten. „Mir war das noch zu heikel, ich habe mich gefragt, ob die Dinger nicht vom Himmel fallen!“ Als schließlich die erste Drohne angeschafft wurde, lag das Gerät ein halbes Jahr in der Ecke. „Irgendwann habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen. Ironischerweise war ich auch gerade dabei, einen richtigen Pilotenschein zu machen, was mir irgendwie nicht so schwer gefallen ist, aber bei der Drohne hatte ich Hemmungen, weil ich andere Leute damit verletzen kann und auch nicht selber mit drin sitze.“ Nach den ersten Runden war der Damm gebrochen, „Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass ich jetzt einfach plötzlich ganz neue Möglichkeiten hatte und im wahrsten Sinne des Wortes meinen Horizont erweitert hatte.“

Shitstorms und Bildmanipulationen

Neben der großen Begeisterung für den Film, gab es auch Vorwürfe der Fälschung. Gemäß der Maxime, dass nicht sein kann was nicht sein darf, sollen Menschen mit Computertechnik hinzugefügt und Flächen vervielfältigt worden sein. „Es gab Tausende von Nachrichten, es gab auch viele, wie ich glaube Trolle, es gab Shitstorms und unsäglich viele Diskussionen. Ich habe das nur so am Rande ein bisschen mitbekommen, auch die negative Energie, die es teilweise in den Diskussionen gab. Da habe ich mich dann komplett ausgeklinkt. Das wäre auch viel zu viel auf einmal gewesen. Es gab auch plötzlich ein Foto, das von jemand anderem gemacht wurde, das irgendwie gefaked und auf X geteilt wurde. In dem Zusammenhang wurde auch mein Video erwähnt, und es hieß, guck mal, noch so ein Fake. Das fand ich schon beträchtlich, weil ich gemerkt habe, dass man mit so viel Reichweite auch Einfluss nimmt.“

Jöcker geht davon aus, dass Bilder bewusst manipuliert und veröffentlicht wurden, um danach von denselben Leuten als „Beweise“ dafür genutzt zu werden, dass alle Fotos von den Großdemos gefaked sind, „Diese Denke hatte ich vorher noch gar nicht.“ Die modernen technischen Möglichkeiten, um Bilder zu manipulieren, machen den Filmemacher aber durchaus nachdenklich: „Mir ist bewusst geworden, dass Aufklärung darüber herrschen muss, wie gerade mit künstlicher Intelligenz Manipulationen ohne weiteres möglich sind und dass man auf keinen Fall alles glauben darf, was man sieht.“

Prominenter Name

Zumindest bei Menschen mit Kindern klingelt es, wenn der Name Jöcker fällt. Simons Vater Detlev Jöcker ist mit über 13 Millionen verkauften Alben einer der erfolgreichsten Komponisten von Kinderliedern aller Zeiten, sein „1, 2, 3 im Sauseschritt“ gehört zum Standardrepertoire jeder Kita. Hilft der prominente Name weiter? „Anfänglich war das so, das glaube ich schon, man kann das nicht verleugnen. Wenn der Name fällt, dann findet schon immer eine Einordnung statt.“ Bietet es sich da an, das große Netzwerk des Vaters als Sprungbrett zu nutzen? Das funktioniert nach Meinung von Simon Jöcker höchstens am Anfang: „Meine ersten Aufträge kamen über dieses Netzwerk, das hat sich aber schnell relativiert. Da muss man sich dann natürlich beweisen und auch wirklich Leistung zeigen. Mittlerweile denke ich da sehr wenig drüber nach, weil die Frage kundenseitig einfach selten kommt, es geht jetzt mittlerweile nur noch um die Filme.“

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