Starkes Zeichen für Münster Über 20.000 Menschen beim Protest gegen Rechtsruck, Rassismus und Deportationspläne

Schätzungsweise über 20.000 Menschen kamen auf dem Domplatz zusammen. (Foto: Thomas Hölscher)
Schätzungsweise über 20.000 Menschen kamen auf dem Domplatz zusammen. (Foto: Thomas Hölscher)

Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ hatte nach dem Bekanntwerden rechter „Geheimpläne“, die die Investigativ-Plattform „Correctiv“ veröffentlicht hatte, zu einer Demonstration aufgerufen. Zuerst sollte diese auf der Stubengasse stattfinden, wurde dann aber – zu Recht – auf den Domplatz verlegt. Denn Schätzungen zufolge kamen dort mehr als 20.000 Menschen zusammen.

Es sei höchste Zeit, auf die Straße zu gehen, gegen Rassismus, gegen rechte Hetze, gegen Antisemitismus, gegen Massendeportation und Umsturzpläne, so Bündnissprecher Carsten Peters in seiner Eröffnungsrede. „Wir stehen auf, weil wir für etwas demonstrieren wollen. Für Demokratie, für Vielfalt, für Solidarität. Das war und ist in dieser unserer Zeit noch nie so wichtig wie heute. Wir müssen uns positionieren und wir müssen unmissverständlich klar machen: Keinen Schritt weiter! Keinen weiteren Ruck nach rechts, keinen Meter den Nazis. Aus den menschenfeindlichen Gedanken, die wir in diesen Tagen hören, werden Worte und die Worte werden zu Taten. Dem müssen wir uns ganz entschieden entgegenstellen.“ Die bekanntgewordenen Deportationspläne der AfD und anderer machten deutlich, wie die Bedrohung für viele Menschen sein könne, wenn die AfD weiter an Einfluss gewinnt, so Peters weiter. Hier sei entschiedener Widerstand gemeinsame demokratische Pflicht.

Man dürfe sich nichts vormachen, ergänzte der GRÜNEN-Landtagsabgeordnete Robin Korte und verdeutlichte: „Diese rechtsextreme Partei, gegen die wir hier heute gemeinsam stehen, will nichts anderes, als die Abwicklung dieses Staates und seiner Werte zur Freiheit, Pluralität und Demokratie.“ Sie wolle aus diesem Land einen autoritären Start machen, so wie Russland oder China. „Ein Land, in dem wenige darüber entscheiden, wer dazu gehört.“ Maria Salinas vom Integrationsrat der Stadt Münster rang zu Beginn ihrer Rede mit den Tränen und zeigte sich überwältigt von den Menschenmassen, die in die Stadt gezogen waren. „Ich bin am zittern wegen dieser Solidarität, wegen dieses unglaublichen Moments, Teil der Geschichte Deutschlands zu sei, wo wir uns gegen Rassismus und Faschismus wehren.“

Hetze gegen Recherchekollektiv „Busters“
Das Recherchekollektiv "Busters" berichtete über seine Arbeit und daraus entstehende Drohungen und Anfeindungen. (Foto: Thomas Hölscher)
Das Recherchekollektiv „Busters“ berichtete über seine Arbeit und daraus entstehende Drohungen und Anfeindungen. (Foto: Thomas Hölscher)

Fabian Pegel vom lokalen Recherchekollektiv „Busters“ warnte vor dem Mythos, dass es in Münster gar keine AfD gebe. Sie sei im Stadtbild wenig präsent. „Die tatsächlich existierenden Mitglieder (…) treffen sich nicht in einer Parteizentrale, sondern in Privatwohnungen oder gemieteten Räumlichkeiten. Und: Immer, wenn es hier rechte Lokalveranstaltungen gibt, mischen sie sich unter die Leute und versuchen, an Relevanz zu gewinnen.“ Pegel erinnerte an die „Trekkerdemos“ aus der vergangenen Woche: „Hier in Münster wurde sich verhältnismäßig gut von rechts abgegrenzt. Die abgegrenzten Personen veranstalteten deswegen eine eigene, rechtsoffene Demo, inklusive Reichskriegsflaggen, umgedrehten Deutschlandflaggen als Erkennungssymbol von Reichsbürgern, einer Ampel in einem Strick und jeder Menge Schilder mit rechter Hetze.“ Die Recherchen, die die Busters regelmäßig bei Social Media offenlegen, bleiben vom rechten Spektrum nicht unbemerkt. Ganz im Gegenteil, in Chats oder direkten Nachrichten werde gegen die Mitglieder des Kollektivs gehetzt und sogar Morddrohungen ausgesprochen.

Innenstadt lahmgelegt
Zeitweise musste die Polizei Seitenstraßen und Wege in Richtung Domplatz sperren. (Foto: Ralf Clausen)
Zeitweise musste die Polizei Seitenstraßen und Wege in Richtung Domplatz sperren. (Foto: Ralf Clausen)

Die Großdemonstration legte in der Innenstadt so ziemlich alles lahm. Der Verkehr im Ludgeri-Kreisel kam zwischenzeitlich zum Erliegen, weil der Strom an Menschen über die Zebrastreifen nicht abriss. Ähnliche Bilder zeigten sich auf der Rothenburg und um den Aegidiimarkt. Vor dem Gebäude der Bezirksregierung war es zeitweise so laut, dass die Redebeiträge nicht zu verstehen waren. Nicht nur aus Münster kam die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo, sondern auch aus dem Umland. Menschen aller Altersgruppen, von Schülern bis zu Senioren, Familien mit Fahrradanhängern. Die Polizei sprach auf Nachfrage unserer Redaktion von einem friedlichen Verlauf ohne besondere Vorkommnisse. Da die Kapazität des Domplatzes deutlich überschritten wurde, mussten zeitweise Zuwegungen gesperrt werden.  

Thema im Deutschen Städtetag

„Die jüngsten Berichte zu einem Treffen rechtsextremer Kreise bei Potsdam sind schockierend und werfen ein weiteres Schlaglicht auf demokratiefeindliche Bestrebungen in unserem Land“, betont Oberbürgermeister Markus Lewe, der zugleich Präsident des Deutschen Städtetags ist. „Die Pläne (…) offenbaren nicht nur die Dimension dieser totalitären Machtfantasien, sondern sind unvereinbar mit den Grundwerten unserer Verfassung und somit ein Angriff auf die Basis unseres Zusammenlebens“, schreibt er auf Social Media. Bei der Sitzung des Deutschen Städtetages am Donnerstag in Trier wurde eine Erklärung verabschiedet, die diese Pläne zutiefst verurteilt und einsteht für Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Münster sei eine offene und vielfältige Stadt und biete eine sichere Heimat für Menschen verschiedenster Herkünfte und Weltanschauungen. Die Proteste seien „richtig und wichtig“, so Lewe.

(Foto: Jasmin Otman)
(Foto: Jasmin Otman)
Gefahren auch für die Wirtschaft

Die WIN Wirtschaftsinitiative Münster e.V. (WIN) meldete sich bereits gestern zu Wort. „Wir sind der Überzeugung, dass auch wir unsere Stimme einbringen müssen“, heißt es in einem Statement. Das Vertrauen in staatliche Institutionen schwinde angesichts multipler Krisen. „Populisten und rechtsextreme Gruppierungen nutzen dieses für ihre Zwecke. Forderungen nach millionenfacher Rückführung von Migranten und Staatsbürgerschaftsentzug sind nicht erst seit dem Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv bekannt: Solche Forderungen, die auch offen in sozialen Medien von AfD-Politikern vertreten werden, sind nicht nur fremdenfeindlich, sondern stellen eine klare Ablehnung unserer rechtsstaatlichen Prinzipien dar. Sie gefährden unsere Demokratie, unseren Wohlstand und damit unser Land als solches.“

Als Unternehmer sei man über diese Entwicklungen mehr als beunruhigt. Die zunehmende Akzeptanz rechter Parteien und Gruppierungen und ihrer Parolen bei den Wählern schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland. „Sie stellt eine echte Gefahr für ein gutes Miteinander von Mitarbeitenden mit und ohne Migrationshintergrund, für die Fachkräftesicherung und damit die Prosperität in unseren Unternehmen dar.“ Der Vorstand der WIN unterstütze daher ausdrücklich auch den Aufruf zur Demonstration gegen den Neujahrsempfang der AfD am 16. Februar.

„Correctiv“ zeigt sich transparent

Nach Veröffentlichung der „Correctiv“-Recherche gingen innerhalb einer Woche mehr als 100.000 Menschen in vielen deutschen Städten auf die Straße und demonstrierten gegen Rechtsextremismus und die AfD. Für Samstag und Sonntag sind laut der Plattform „Demokrateam“ über 80 Demos angekündigt. Wenig überraschend häufen sich – vor allem auch in den Sozialen Medien – Behauptungen, dass die „Correctiv“-Plattform staatsfinanziert und nicht unabhängig sei. Dies weisen die Journalisten von sich und vermuten, dass solche Äußerungen von den brisanten inhaltlichen Enthüllungen ablenken sollen. „Unsere Finanzierung ist kein Geheimnis, sondern wir handhaben das immer transparent.“ Auf der Webseite des Kollektivs gibt es hierzu Informationen und eine Jahresauflistung der Zuwendungen.

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