Unterm Strich ist noch jede Menge Platz Wir verlosen Till Leneckes „illustrierten Spaziergang“ durch die schönste Stadt der Welt

Till Lenecke an seinem Leuchttischchen - hier arbeitet der Illustrator im Detail. (Foto: Marc Geschonke)
Till Lenecke an seinem Leuchttischchen – hier arbeitet der Illustrator im Detail. (Foto: Marc Geschonke)

Wir befinden uns im Jahre 2019 n. Chr. – Die ganze Welt ist von ohne Sinn und Verstand wild mit dem Handy umher fotografierenden Menschen besetzt … Die ganze Welt? Nein! Ein von farbenfrohen Leidenschaftsmalereien besessener Till hört nicht auf, der Technikverlorenheit Widerstand zu leisten … oder anders formuliert: Herr Lenecke zeichnet. Einfach alles. Ach ja, und bevor wir’s vergessen: Am Ende dieser Reportage verlosen wir eine streng limitierte und signierte Ausgabe von Leneckes Münster-Buch! Dranbleiben!

Mehr als 120 Seiten und ebenso viele Stadteindrücklichkeiten umfasst eine der skizzenhaftesten Liebeserklärungen an Münster. „Illustrierter Spaziergang“ hatte Till Lenecke seine einstige Bachelorarbeit im Design-Studiengang betitelt. All die wunderschönen und teils kolorierten Zeichnungen hatte der heute 47-Jährige zwischen August 2016 und Februar 2017 entworfen. Doch Moment… 47? 2017? Bachelorstudium?

Jawohl, der heute in Hamburg lebende Illustrator war zu münsterschen Zeiten ein Spätberufener. Schmach und Schande sind da aber völlig fehl am Platze. Denn wahrscheinlich hat der gute Mann zuvor mehr Abenteuer erlebt als manch anderer in deutlicher längerer Zeit. „Ganz ordentlich“ habe er zunächst noch seine Lehre zum Offset-Drucker („der kleinste gemeinsame kreative Nenner mit meinen Eltern“) absolviert, das Abi nachgeholt, den Zivildienst gemeistert, und war zwischenzeitlich auch Briefträger, Erzieher und so. Und am Kap Horn. Auf dem Pazifik. Im Mittelmeer. Und noch viel weiter. Unter anderem mit jenem Großsegler, den gut informierte TV-Gucker als „Beck’s Bier-Schiff“ kennen – die Alexander von Humboldt.

„Ich wollte da vom ersten Moment an immer nur ganz nach oben in die Masten klettern“, begründet er seine vielen und frühen Jahre als Matrose wie Seemann, so kam er dann auch auf die Viermast-Windjammerlegende Sea Cloud. „Über 50 Meter über Deck, das war das Allerallerallergeilste“, schwärmt er kurz, dreht dann jedoch wieder ab gen Leuchttisch. Noch heute erhalte er Einladungen á la „junger Mann zum Mitreisen gesucht“. Jetzt aber sitzt er mit Finelinern und Büttenpapier mehrere Stockwerke über Blankenese, erzeichnet sich hier in seinem Arbeitszimmer den Lebensunterhalt. Das hölzerne Segler-Modell auf dem Fenstersims immer in Augenhöhe. Im Blick, im Herzen.

Urban Sketcher wollen die Welt so zeichnen, wie sie ist. (Foto: Marc Geschonke)
Urban Sketcher wollen die Welt so zeichnen, wie sie ist. (Foto: Marc Geschonke)

Grafiker mögen weiße Wände

Das mag wohl auch für Münster gelten. Nein, Bilder vom Dom, Mutter Birken oder der Brasserie hat er keine an der Wand. Allerdings auch nichts anderes, bis auf ein strahlendes Billy-Regal. „Wir Grafiker mögen weiße Wände“, sagt er da – und will so dann wohl auch den Raum für kreative Schaffensphasen rein halten. Immerhin: Die einstigen Zeichnungen von westfälischer Schönheit liegen dann doch zuoberst im Regal. „Hier, die Lambertikirche!“, sagt’s und legt die Originalzeichnung behutsam aufs Sofa.

Die fein skizzierten Glücksmomente seiner Studienzeit sind im Übrigen nicht nur als gedrucktes Buch zu haben – 2500 Mal wurde seine Bachelorarbeit gedruckt und in den Handel gebracht –, sondern können auch als „auf 1 limitierte“ Artwork-Stücke oder Drucke (Direktanfrage per E-Mail an info@till-lenecke.de) erworben werden.  Entstanden sind die Arbeiten damals allesamt, indem Till „mit dem Fahrrad zu den Sehenswürdigkeiten und persönlichen Lieblingsplätzen in der Stadt“ fuhr, sich dort dann mit Stiften und Skizzenbuch ein hübsches Plätzchen („Aber nicht gegen die Sonne!“) suchte, Platz nahm und loslegte. Strich für Strich für Strich.

So war’s am Krameramtshaus, so war’s am Schloßgarten Café, so war’s am Aasee, im Hafen, dem Kreuzviertel. Während Passanten vorbeiliefen, kurz ihr Handy zückten, einmal knipsten und sogleich mit einer neuen Dateileiche im Smartphone hinfort zogen, blieb Lenecke noch ein bisschen sitzen. Ließ die Eindrücke auf sich und seine Zeichenhand wirken.

Skizzieren, was man sieht: Till Lenecke zeichnet, weil er "nicht fotografieren kann". (Foto: Marc Geschonke)
Skizzieren, was man sieht: Till Lenecke zeichnet, weil er „nicht fotografieren kann“. (Foto: Marc Geschonke)

Gezeichnetes Bildergedächtnis statt Datenleichen im Handy

„Mein Bildergedächtnis“, sagt er dann, verweist aufs gut gefüllte Regal zur Rechten und ergänzt: „52“ – die Anzahl all seiner in den vergangenen 30 Jahren gefüllten Skizzenbücher. Weder fein säuberlich nach Ziffern, noch nach Größe sortiert. Und trotzdem sind sie ein ganz  besonderer Schatz, den er wohl für alle Zeiten hegen und pflegen mag. Wie Tagebücher. Gezeichnete Fotoalben.

Darin findet sich eben nicht nur Münster, nicht nur Reiseerlebnisse („Kreuzfahrt — Meine Zeit als Deckshand auf der Sea Cloud“ / „Bordhandbuch Alexander von Humboldt II“), nicht Bremen („Urban Sketching Bremen“) und nicht Hamburg („Hidden and lost places“), denen er ebenfalls schon eigene Druckwerke gönnte. Darin finden sich auch ganz persönliche Besonderheiten, tiefsitzende nachwirkende Zeichnungen seiner Kindheit. Die Grundschule, Omas Badezimmer. Zum Beispiel. Seiten habe er nie bis selten herausgerissen, selbst wenn mal eine Zeichnung völlig daneben ging, er nur Schmierzettel oder eine Gedankenstütze für Telefonnummern und Adressen benötigte.

Wer das so liest – ja vielmehr das Sammelsurium aus emotionalen und künstlerischen Werken wie Werten selbst einmal gesehen hat – mag sich möglicherweise darüber ärgern, nicht selbst die Buchreihe seines Lebens angelegt zu haben. Aber seid gewiss: Es ist nie zu spät…

Den Segler im Blick, sitzt Till Lenecke mittlerweile über den Dächern Hamburgs und arbeitet. (Foto: Marc Geschonke)
Den Segler im Blick, sitzt Till Lenecke mittlerweile über den Dächern Hamburgs und arbeitet. (Foto: Marc Geschonke)

Wenn Du das Motiv liebst, funktioniert alles!

„Zeichnen kann jeder“, behauptet einer, der des Stiftes mächtig ist. „Doch, ganz ehrlich – Zeichnen ist ein Handwerk, das kann man lernen. Wenn Du das Motiv liebst, funktioniert das auch! Auch wenn’s dauert.“ Und wenn es doch erst einmal nicht klappen sollte, vielleicht die innere Unruhe Überhand gewinnt: Nicht verzagen. Denn auch Till Lenecke weiß: „Man kann 10 scheiß Seiten haben – aber wenn  dann eine gute folgt, entspannt und entschädigt das für alles Vorherige.“

Er selbst zeichne beispielsweise nur, weil er „nicht fotografieren oder schreiben“ könne. Das klingt zwar sehr schön, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn die passend zu den Zeichnungen eingebrachten Schreibschriften im „illustrierten Spaziergang“ durch Münster sind allesamt die seinigen. Mit der linken Hand, obwohl er Rechtshänder ist. „Ich finde, das sieht besser aus – die Menschen sollten alle mal aus dem Schönschreibmodus raus!“

Die Lambertikirche auf dem Sofa: Wer möchte, kann sich das gute Stück auch nach Hause holen. Gegen entsprechende Zahlung. (Foto: Marc Geschonke)
Die Lambertikirche auf dem Sofa: Wer möchte, kann sich das gute Stück auch nach Hause holen. Gegen entsprechende Zahlung. (Foto: Marc Geschonke)

„Ein scheißgeiler Urban Sketcher“

Die weiteren gedruckten Erklärtexte in seinem Buch stammen indes von Till Schröder (Bspw. zum Wochenmarkt: „Das Getümmel ist verständlich, denn die Preise, die man hier für regionale Produkte direkt an die LandwirtInnen zahlt, sind äußerst fair und auch mit einem kurzen Einkaufszettel kann man bei Bedarf viel Zeit an den Kaffeeständen verbringen.“), das Vorwort vom „Skizzenbuch-Papst“ Felix Scheinberger – seines Zeichens Design-Professor an der münsterschen FH.

Wegen ihm (Mit Verlaub, so hat Till Lenecke es wirklich gesagt: „ein scheißgeiler Urban Sketcher“, Anm.d.Red.) sei er 2014 dann auch nach Münster gekommen. „Die Ausbildung für Illustratoren ist hier hervorragend“, sagt er. Das Leben als solcher aber auch oftmals schwierig. Von der Lust am Zeichnen allein kann man schließlich nicht leben, da braucht es Aufträge. Einen Namen. Und Menschen, denen diese Arbeiten, dieser eigene Stil und Strich gefällt.

52 Skizzenbücher hat der Interims-Münsteraner Lenecke bis heute gefüllt. (Foto: Marc Geschonke)
52 Skizzenbücher hat der Interims-Münsteraner Lenecke bis heute gefüllt. (Foto: Marc Geschonke)

„Irgendwann passiert immer etwas richtig Cooles“

„Elf Bewerbungen, null Aufträge, null Geld“, erinnert er sich an manch schwierige Zeiten und daraus resultierende Nebenjobs. „Ich musste wieder Briefträger werden, das war aber auch ein wirklich guter Job“, so Till Lenecke. Bis dann das Münster-Buch entstand. „Ist es nicht komisch, dass so lang eigentlich alles vergebens ist – und dann passiert irgendwann etwas richtig Cooles?“, fragt der 47-Jährige eher rhetorisch. „Wenn ich dann nicht mein Stipendium in Hannover bekommen hätte, wäre ich wohl nicht von Münster weggezogen, ich habe mich hier sehr wohl gefühlt“, so der Weltenbummler.  Das sieht man seinem „illustrierten Spaziergang“ auch an.

Eigens für ALLES MÜNSTER-Leser hat Till Lenecke eins seiner viel beachteten Bücher signiert. (Foto: Marc Geschonke)
Eigens für ALLES MÜNSTER-Leser hat Till Lenecke eins seiner viel beachteten Bücher signiert. (Foto: Marc Geschonke)

„Till Lenecke gelingt es, Münster einen Spiegel vorzuhalten, in dem sich die Stadt nicht nur abbildet, sondern in dem auch immer der höchst eigene Strich des Urhebers zu erkennen ist“, hat sein Förderer Scheinberger hineingeschrieben, „Wir haben es mit keiner Aneinanderreihung von Abziehbildern zu tun, sondern mit einer Sammlung eines klugen und talentierten Beobachters, der uns mit auf einen Ausflug nimmt, der am Ende eine Reise wird.“

Und jetzt: Trommelwirbel! Unsere Verlosung!

Wer mit Till Lenecke und uns auf Reisen gehen möchte: Wir verlosen ein extra für ALLES MÜNSTER signiertes Exemplar von „Münster – ein illustrierter Stadtrundgang“ (ISBN 978-3-946154-14-3) – exklusiv auf unserer FB-Seite.

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