Trecker-Demos rollten durch Münster Sternfahrt über den Innenstadtring / Trittbrettfahrer aus rechten Millieu und Querdenker-Szene

An der Sternfahrt nahmen schätzungsweise 700 Fahrzeuge teil. (Foto: Thomas Hölscher)
An der Sternfahrt nahmen schätzungsweise 700 Fahrzeuge teil. (Foto: Thomas Hölscher)

Der Montag stand auch in Münster ganz im Zeichen der Trecker-Demos, wobei offenbar nur die größte davon eine echte Bauern-Demo war. Für diese waren ab etwa 16 Uhr aus dem gesamten Münsterland laut dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV e.V.) „schätzungsweise 700 Maschinen aus allen vier Himmelsrichtungen auf dem Ring zusammengekommen“ und hatten sich ab der Wolbecker Straße im Uhrzeigersinn auf den Weg Richtung Weseler Straße gemacht. Wir haben sie am Ludgerikreisel beobachtet und gehen davon aus, dass dort auf keinen Fall weniger landwirtschaftliche Fahrzeuge unterwegs waren. 

„Die Sorgen der Landwirtschaft vor dem Hintergrund der angekündigten Haushaltsstreichungen sind groß. Ziel unserer Trecker-Sternfahrt am Nachmittag war ausdrücklich nicht, Blockaden herbeizuführen. Vielmehr ging und geht es für uns darum, unseren Anliegen beim Thema Agrardiesel und unserer Sorge um die heimische Lebensmittelerzeugung Ausdruck zu verleihen“, zog Susanne Schulze Bockeloh, Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbands des WLV e.V., am späten Nachmittag Bilanz. „Wir hoffen auf das Verständnis der Bevölkerung, wenn der Verkehr in unserer Stadt wegen unserer Sternfahrt ins Stocken kam und entschuldigen uns für Unannehmlichkeiten.“

Der WLV möchte mit den Bürgern Münsters lieber in einen Dialog treten. Der Verein lädt daher am Mittwoch (10. Januar) zwischen 10.00 und 13.00 Uhr zum Gespräch auf den Lamberti-Kirchplatz ein. „Im weiteren Wochenverlauf sind Gesprächstermine mit den Bundestagsabgeordneten aus unserer Stadt vereinbart“, erklärt Schulze Bockeloh.

Änderungen unzureichend
Bereits am Morgen zog eine Trecker-Demo durch Münster. (Foto: Thomas Hölscher)
Bereits am Morgen zog eine Trecker-Demo durch Münster. (Foto: Thomas Hölscher)

Zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte haben darüber hinaus bereits großes Interesse zur Teilnahme an einer Großkundgebung des Deutschen Bauernverbandes in Berlin am 15. Januar angekündigt. Die Zugeständnisse der Ampel seien laut WLV ein „Schritt in die richtige Richtung“. Dieser sei auf die Arbeit der Bauernverbände und auf das große Engagement der zahlreichen Landwirtinnen und Landwirte zurückzuführen. Die neuerlichen Ankündigungen der Bundesregierung seien aber nicht ausreichend. Konkret verzichtet die Bundesregierung nun auf die angekündigte Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nicht in einem Schritt abgeschafft, sondern schrittweise reduziert werden.

„Es mangelt grundsätzlich seitens der Politik an Perspektiven zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft. Die Sparpläne der Bundesregierung würden die hiesige Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb noch zusätzlich schwächen“, weiß Susanne Schulze Bockeloh. Bei den Protestaktionen gehe es „ausdrücklich um die Sache“, sie stünden „für friedlichen und demokratischen Protest“, so der Aufruf des WLV.

Warnung vor Trittbrettfahrern
Die Landwirte der Konvois, die vom WLV organisiert wurden, erhielten Zuspruch der Passanten. (Foto: Thomas Hölscher)
Die Landwirte der Konvois, die vom WLV organisiert wurden, erhielten Zuspruch der Passanten. (Foto: Thomas Hölscher)

Die CDU-Kreisvorsitzende Simone Wendland warnte davor, die Demonstrationen der Landwirte mit populistischen Aktionen von Trittbrettfahrern zu verwechseln. Dazu gehören auch die persönlichen Angriffe gegen Robert Habeck, die sie entschieden verurteile. Am Donnerstagabend hatte ein wütender Mob die Fähre im Hafen von Schlüttsiel attackiert, als der Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler von seinem Urlaub auf Hallig Hooge zurückkehren wollen. Wie das Recherche-Portal „Volksverpetzter“ schreibt, sei die Aktion „offenbar in rechtsextremen Gruppen organisiert“ worden. Da auch Landwirte dem Aufruf folgten, halte sich in den Medien die Behauptung, es handle sich lediglich um verärgerte Bauern. „In Wahrheit ist es unwahrscheinlich, dass hier wirklich nur ein paar enttäuschte Menschen Kritik üben wollten.“

Auch in Münster waren zwei der heutigen Demos ganz offensichtlich von rechten, wenn nicht sogar rechtsextremen Personen veranlasst, zumindest waren diese daran beteiligt. Das ließ sich schon mit bloßem Auge erkennen, uns liegen aber auch konkrete Hinweise darauf vor. So waren am Konvoi, der ab 13 Uhr von Nienberge zum Parkplatz am Preußenstadion in Berg Fidel führte, nur wenige landwirtschaftliche Fahrzeuge beteiligt, von insgesamt 93 Fahrzeugen waren nicht einmal zehn Traktoren. Dazu kam eine etwas größere Zahl von LKW, meist von Speditionen oder landwirtschaftlichen Lohnunternehmen, während mehr als die Hälfte der beteiligten Fahrzeuge private PKW oder Vans waren. In so manchen von ihnen wurden Vertreter der AfD und der Querdenker-Szene gesichtet. Fast alle präsentierten an den Fahrzeugen Plakate mit Aufschriften wie „Die Ampel muss weg“ oder „Gemeinsam gegen die Ampel“, nicht wenige waren mit allerlei Deutschlandfahnen dekoriert. Echte landwirtschaftliche Themen dagegen waren auf den mitgeführten Plakaten dort kaum zu finden.

(Foto rechts: Busters)

Von diesen Trecker-Demos distanziert sich auch der WLV. So unterstrich Susanne Schulze Bockeloh: „Leider sind an diesem Tag verschiedene Aktionen zusammengetroffen. Auf die beiden Aktionen am Vormittag hatten wir leider keinen Einfluss und weisen nochmals ausdrücklich darauf hin, dass dies keine Formate des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes waren“. Einige der Fahrzeuge aus der Demo vom Mittag hatten sich zwar auch unter den großen Konvoi des WLV gemischt, sind aber in dessen Masse nahezu untergegangen.

Polizeisprecherin Anna Tastowe sagte uns auf Nachfrage: „Wir ziehen insgesamt eine positive Bilanz“. Die Sternenfahrt sei friedlich verlaufen. „Die Versammlungen verliefen wie geplant und weitgehend ohne Probleme, nur vereinzelt mussten wir Maßnahmen treffen“, betonte auch der Einsatzleiter Volker Wittenbreder laut Pressemeldung der Polizei. „Die Münsteranerinnen und Münsteraner haben heute im Straßenverkehr Geduld bewiesen. Die Verkehrsbehinderungen haben wir durch unser Einsatzkonzept so weit wie möglich minimiert.“

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