Am Washington Monument stürzt ein Fahrstuhl samt Insassen ab. Im letzten Moment eilt Spider-Man zur Hilfe, schießt Netze aus seinen Handgelenken und versucht, den Sturz aufzuhalten. Der Superheld verfügt über übermenschliche Kräfte – aber welche Kräfte wirken in dieser Sequenz aus „Spider-Man: Homecoming“ eigentlich auf den Netzen, den Helden und den abstürzenden Lift? Fragen wie diese beantworten angehende Ingenieur*innen auf dem Steinfurter Campus der FH Münster im Seminar „Science & Fiction“: Die Masterstudierenden unterschiedlicher Fachbereiche untersuchen wissenschaftlich, was in Romanen, Filmen, Comicbüchern und Videospielen gezeigt wird.
Unterrichtet werden sie dabei von den Professoren Dr. Samir Salameh und Dr. Jürgen Scholz und von Natalie Peracha – selbst Masterstudentin am Fachbereich Maschinenbau der FH Münster und Autorin von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. „Die Idee ist, zu hinterfragen: Ist das, was gezeigt wird, theoretisch möglich? Und ob ja oder nein: Warum?“, erklärt Peracha den Ansatz des Seminars. Die Studierenden untersuchen dies mithilfe der sogenannten Modellbildung. Bei dieser wissenschaftlichen Herangehensweise schaffen sie eine vereinfachte Darstellung der jeweiligen Situation, stellen Hypothesen auf und diese mathematisch, schematisch oder konstruktiv dar. „Ein Student untersucht zum Beispiel eine Szene aus ,Die Simpsons – Der Film‘. Darin fährt Homer Simpson mit einem Motorrad im Inneren einer riesigen Glaskuppel entlang, die über die Stadt Springfield gelegt wurde. Er prüft nun, wie schnell das Motorrad fahren müsste, um bis an die Spitze der Kuppel fahren zu können“, erklärt die Seminarleiterin.
„Wir vermitteln quasi spielerisch das Prinzip der Modellbildung und geben den Studierenden die Möglichkeit, das Gelernte aus ihrem bisherigen Studium zu kombinieren und anzuwenden. Die Methodik kann ebenso auf reale Fälle angewandt werden“, sagt Salameh. „Es ist interessant, wie die einzelnen mehr oder weniger spektakulär anmutenden Sequenzen aus Filmen und Videospielen detailliert seziert und mit wissenschaftlichen Gleichungen untermauert oder eben widerlegt werden“, ergänzt Scholz. Im Laufe des Sommersemesters präsentieren die Studierenden wöchentlich ihre Fortschritte, das Dozierenden-Trio wiederum gibt Impulse, wie sie weiter vorgehen könnten. Zum Abschluss des Seminars müssen die Studierenden ihr Modell präsentieren und ein wissenschaftliches Paper schreiben. Die Möglichkeit, die Ergebnisse anschließend auch zu veröffentlichen, prüft Salameh derzeit.
„Auf der Homepage unserer Hochschule ist eine FH-Story über Natalie und ihre Romane erschienen“, erklärt Salameh. „Das fand ich interessant, und da bin ich gleich mit ihr in Kontakt getreten.“ Dass die Studentin unterrichtet, ermöglicht der Wandelfonds der Hochschule, mit dem Innovationen unter anderem in der Lehre an der FH Münster gefördert werden sollen. Als Autorin hat Peracha in der Vergangenheit bereits didaktische Erfahrungen in Schreibworkshops gesammelt. Dass sie nun ihre eigenen Kommiliton*innen unterrichtet, sei für sie kein Problem: „Ich finde das Thema ja selbst cool und es macht Spaß, darüber zu sprechen. Viele Studierende im Seminar sind außerdem ohnehin meine Freunde. Und in der Idee liegt ein gewisser Reiz: Vielleicht macht durch die Forschung ja jemand aus dem Seminar tatsächlich einmal möglich, was wir zum Beispiel in Science-Fiction-Filmen sehen.“
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