Skulptur Projekte rund um die Promenade

Die "Skizze für einen Brunnen" von der Amerikanerin Nicole Eisenman lockt viele Besucher. (Foto: th)
Die „Skizze für einen Brunnen“ von der Amerikanerin Nicole Eisenman lockt viele Besucher. (Foto: th)

Wir Münsteraner haben es schon gut: wir müssen nicht wie die Kunstjünger aus aller Welt in ein oder zwei Tagen versuchen, uns einen umfassenden Überblick über die Skulptur Projekte 2017 zu verschaffen, bevor es weitergeht zur Dokumenta nach Kassel oder zur Kunst-Biennale in Venedig. Wir können die Kunstwerke so nach und nach betrachten, wenn uns gerade danach ist und ein schöner Tag dazu lockt. Hier haben wir eine kleine Rundtour zusammengestellt und stellen ein paar der Skulpturen und Projekte in Wort und Bild vor. Das werden wir in den nächsten Wochen fortsetzen.

Wir beginnen unsere Tour an der Promenade. Dort hat das Projekt „Sketch for a Fountain“ von der Amerikanerin Nicole Eisenman sich schnell zu einem Publikumsliebling entwickelt. Wer schon mal in einem Skizzenblock voller Zeichnungen und Entwürfen einer Künstlerin blättern durfte, erkennt in dieser „Skizze für einen Brunnen“ vieles wieder. Es geht hier nämlich nicht um das ziemlich unspektakuläre viereckige Wasserbecken in der Mitte, sondern um die Skulpturen rundherum. Es sind übergroße menschliche Figuren, die sich drumherum lümmeln, und die alle mehr oder weniger unfertig, mit schnell gezeichneten Strichen entworfen, eben skizzenhaft aussehen. Drei sind sogar aus Gips gefertigt, der schon in der ersten Woche begonnen hat zu verwittern. Nur zwei sind aus Bronze, auch bei ihnen sind nur einige wenige Körperteile detailliert ausgearbeitet. Aus einigen Figuren plätschert etwas Wasser im leichten Bogen, aber aus unerwarteten Stellen. Und aus der Schnecke auf der Schulter der stehenden Bronzefigur quillt unablässig Rauch. Alle Figuren scheinen nackt zu sein, aber sie sind keinem Geschlecht eindeutig zuzuordnen.

Ist er wirklich so harmlos, wier er anfangs aussieht? Der "Nuclear Temple" von Thomas Schütte. (Foto: th)
Ist er wirklich so harmlos, wier er anfangs aussieht? Der „Nuclear Temple“ von Thomas Schütte. (Foto: th)

Es wirkt alles ein wenig wie die Parodie auf klassische Brunnenanlagen – oder auf die Picknick-Gemälde der Impressionisten Cézanne, Renoir oder Manet. Die Szenerie lädt ein, sich dazu zu setzen, die wohlgeformten Steine rundherum sind dafür hervorragend geeignet und werden dazu gerne genutzt. Eigentlich sind sie ebenfalls Skulpturen, sie stammen aus dem Bestand der Projekt-Partnerstadt Marl. So groß und so beliebt diese Brunnen-Skizze von Nicole Eisenman auch ist, sie wird wohl nicht von Dauer sein: wie bei einigen anderen aktuellen Exponaten ist das Vorübergehende, der begrenzte Zeitraum der Skulptur Projekte ein wesentliches Merkmal.

Fahren wir weiter Richtung Westen, zur Wilhelmstraße, und achten auf das aufgesprühte Symbol der „SP17“ auf dem Bürgersteig, um rechtzeitig auf die andere Straßenseite zu wechseln. Dort ist der schon lange stillgelegte Überwasserfriedhof mit seinen uralten Gräbern. Hoch über unseren Köpfen, in und zwischen die Bäume, hat Hervé Youmbi bunte Masken gehängt, die auf den ersten Blick nach einem afrikanischem Totenkult aussehen. Tatsächlich stammt der Künstler aus der Zentralafrikanischen Republik, aber diese Himmlische Masken, „Les masques célèstes“, sind eigens für diese Ausstellung hergestellt worden. Wenigstens eine verweist eher auf die moderne Popkultur und sieht der bekannten Maske aus dem Horrrorfilm „Scream“ sehr ähnlich. Hat man diese afrikanischen Objekte aus Holz, Glasperlen und Baumwollfäden betrachtet, kommen einem die christlichen Grabstellen aus dem 19. Jahrhundert ebenfalls seltsam vor, vor allem das des preußischen Generals Ludwig Roth von Schreckenstein.

Wer aufmerksam schaut, findet auf dem Überwasserfriedhof in einem weiteren Baum eine kleine Skulptur aus dem Jahr 1987: Ian Hamilton Finlay hatte dort für die zweiten Skulptur Projekte eine schlichte Sandsteintafel mit einem Zitat von Annette von Droste-Hülshoff angebracht. Nur einen kurzen Spaziergang weiter können wir beobachten, wie weit die Natur im „sanctuarium“ inzwischen gewuchert ist, was Herman de Vries schließlich für die Zukunft seiner gemauerten Skulptur 1997 vorgesehen hatte. Hier könnten wir weiterfahren zur „Square Depression“ in der Wilhelm-Klemm-Straße, die Bruce Nauman für 1977 geplant hatte, aber erst 2007 umsetzen konnte. Wir entscheiden uns aber, das Schloss zu umkreisen, nehmen die Brücke über die Gräfte und folgen der Allee südlich des Botanischen Gartens. Dort finden wir den verspiegelten Pavillon „Oktogon für Münster“ wieder, den Dave Graham für die Skulptur Projekte 1987 geschaffen hat, und der normalerweise im Lager des LWL-Museums steht, um nicht zu verfallen.

Kühl ist es bei "HellYeahWeFuckDie" von Hito Steyerl im LBS-Gebäude. (Foto: th)
Kühl ist es bei „HellYeahWeFuckDie“ von Hito Steyerl im LBS-Gebäude. (Foto: th)

Weiter geht es über die Himmelreichallee auf das alte Zoogelände hinter der Musikschule, wo wir neben dem Froschteich eine Skulptur von Thomas Schütte entdecken. Sie hat die klassische Form eines alten, sakralen Bauwerks, mit Kuppel, Fensternischen und Torbögen. Die sind allerdings so klein, dass es fast nur Kinder schaffen, hinein zu kriechen. Das Material ist für so einen Bau ungewöhnlich. Es ist nämlich eine geschweißte Hohlform aus 8 Millimeter starkem, rostigen Stahlblech, als käme er aus einer Schiffswerft. Kaum einer kann widerstehen, dran zu klopfen. Liest man den Namen des Kunstwerks, beginnt wohl jeder Betrachter mit seiner eigenen Gedankenkette: es heißt „Nuclear Temple“.

Vielleicht ist uns nun zu warm geworden, da freuen wir uns auf das klimatisierte Foyer im LBS-Gebäude, das nur ein paar Schritte entfernt steht. Dort hat sich die Medienkünstlerin Hito Steyerl mit ihrer Installation „HellYeahWeFuckDie“ ausgebreitet. Diese fünf Wörter sollen nach einer Untersuchung des Magazins „Billboard“ die am häufigsten gebrauchten in den englischsprachigen Musik-Charts der letzten zehn Jahre sein. Hito Steyerl hat daraus beleuchtete Beton-Elemente geschaffen, die von den Besuchern meistens als Bänke genutzt werden. Von dort aus betrachten sie Videos, in denen das Balanceverhalten von Robotern getestet wird. Die Filme laufen in einer in Dauerschleife und sind begleitet von einer relativ monotonen elektronischen Musik, die den ganzen großen Raum erfüllt. Der ist wie das ganze Haus erkennbar im futuristischen Stil der 1970er Jahren gestaltet und hat seinen eigenen Charme, der von der Installation und der Ausstellungssituation noch unterstützt wird. Die damals sehr modernen Kunstwerke von Heinz Mack, Günther Uecker oder Otto Piene, die sonst auch an den Wänden dort hängen, finden nun wieder mehr Beachtung, sie passen einfach zu gut dazu. Geöffnet ist das LBS-Gebäude jeden Tag bis 20 Uhr.

Kein Kletterfelsen: "Nietzsche’s Rock" von Justin Matherly. (Foto: so)
Kein Kletterfelsen: „Nietzsche’s Rock“ von Justin Matherly. (Foto: so)

Wir können unsere Fahrradtour zu den Skulptur Projekten auf der Promenade fortsetzen. Das nächste Ziel wäre das „Momentary Monument“ von Lara Favaretto auf der Wiese zwischen Ludgerikreisel und Musikakademie. Vorher halten wir aber kurz am Train-Denkmal aus den 1920er Jahren, auf das die italienische Künstlerin sich bezieht. Weiter geht es über die Promenade zu „Nietzsche’s Rock“ von Justin Matherly auf der Wiese an der Ecke Von Vincke-Straße/Salzstraße. Dieser aus Beton, Glasfaser und Holz geschaffene Felsen schwebt auf medizinischen Gehhilfen und ist wahrscheinlich nicht so stabil, wie er auf dem ersten Blick aussieht. Jedenfalls ist er nicht zum darauf Herumklettern gedacht, obwohl der amerikanische Künstler die Klettersteine dran gelassen hat, die er beim Zusägen der Urform gebraucht hat.

Danach geht es zurück zum Ausgangspunkt. Wir biegen aber kurz vorm Kreuztor ab und besuchen die Tafostation gegenüber dem Buddenturm. Der Verein „Kiepenkerl-Viertel“ kooperiert hier mit den Skulptur Projekten und bietet Workshops vor allem für Kinder an. Gleich daneben, im Schatten der Observantenkirche, ist ein feiner Platz, den Tag ausklingen zu lassen. Hier locken ein paar malerische Sitzgelegenheiten zum Verweilen – und eine Bude, für die sich die Fischbrathalle von gegenüber mit der Mikro-Brauerei Finne aus dem Kreuzviertel zusammengetan hat und aus der heraus Fischbrötchen, Bier und andere Getränke angeboten werden. Geöffnet ist dieser gastliche Ort jeden Tag von 10 bis mindestens 22 Uhr. Genug Zeit also, um vielleicht von dort aus schon Fotos und Kommentare zu den Skulpturen zu posten. Das Kiepenkerl-Viertel lädt jedenfalls dazu ein, das unter dem Hashtag #LustaufKunst auf seiner Facebookseite und auf Instagram zu tun.

 

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert