Wünsche der Betroffenen ernst nehmen Sexueller Missbrauch im Bistum Münster / Bischof Genn: Verantwortung nicht auf andere abschieben

Beim Thema "Sexueller Missbrauch" im Bistum Münster sieht sich Bischof Dr. Felix Genn in der Verantwortung. (Foto: Bistum Münster)
Beim Thema „Sexueller Missbrauch“ im Bistum Münster sieht sich Bischof Dr. Felix Genn in der Verantwortung. (Foto: Bistum Münster)

Bischof Dr. Felix Genn hat sich in einem Interview mit der Kirche + Leben zu den Einschätzungen von Betroffenen nach sexuellem Missbrauch im Bistum Münster geäußert, die vor kurzem zu einem ersten Vernetzungstreffen zusammengekommen waren. Es brauche eine unabhängige Aufarbeitung, die zu Konsequenzen führen müsse.

„Wir sollten jede Aussage vermeiden, die als das Abschieben von Verantwortung verstanden werden kann, sondern uns zu unserer persönlichen wie institutionellen Verantwortung bekennen“, so der Bischof. „Nicht die anderen hatten oder haben Verantwortung, sondern ich hatte und habe Verantwortung und bereue Fehler, die ich in dieser verantwortlichen Position gemacht habe.“ Er wolle mit den Betroffenen ins Gespräch kommen. Entscheidend sei aber, dass die Betroffenen das möchten. „Mir sind solche Gespräche ein Anliegen. Ich habe auch schon viele solcher Gespräche geführt. Zugleich akzeptiere ich es, wenn es Betroffene gibt, die sagen, dass Sie mit mir als Verantwortung tragender Vertreter eines Systems, in dem ihnen schwerstes Leid zugefügt wurde, nicht sprechen möchten.“

In dem Interview erläutert Bischof Genn, warum das Bistum Münster anders als andere Bistümer keinen „Betroffenenbeirat“ einrichtet. „Wir können nicht immer sagen, dass wir den Blick auf die Betroffenen richten und ihre Wünsche in den Mittelpunkt stellen, und dann errichten wir einen Betroffenenbeirat nach unseren Vorstellungen. Vielleicht möchten die Betroffenen das aber gar nicht oder eben ganz anders. Betroffene im Bistum Münster können für sich einen Weg suchen und finden, wie sie sich organisieren.“ Das Bistum unterstütze dies logistisch und finanziell, wenn die Betroffenen das wünschten.

Aufarbeitung und Konsequenzen

Auch die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs erfolge im Bistum Münster unabhängig, wie Genn betont: „Die Historikerkommission der Universität Münster, die den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster untersucht, arbeitet in völliger Unabhängigkeit von uns. Sie hat freien Zugang zu allen Akten, die sie einsehen will. Sie wird wohl im Juni ihren Bericht vorlegen. Erst dann werde auch ich die Ergebnisse der Untersuchung erfahren.“ Er selbst sehe sich als Bischof von Münster in der Verantwortung, die Ursachen sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen und konkrete Konsequenzen zu ziehen. Die Ankündigung von Konsequenzen habe hier allerdings keinen Wert, wenn diese nicht auch gezogen würden. Dabei reiche es aus seiner Sicht nicht, die Konsequenzen nur aus erwiesenen Fehlern oder sogenannten Pflichtverletzungen zu ziehen. Bischof Genn: „Die damit verbundene juristische Bewertung ist notwendig, aber unzureichend. Sollten wir an uns selbst – gerade als Christen – nicht viel strengere Maßstäbe anlegen? Was ist mit unserer Moral? Was ist mit unserer Haltung?“ In dem Interview zeigt sich der Münsteraner Bischof zudem offen für eine seelsorgliche Begleitung Betroffener, wenn diese das wünschten.

Weihbischof Zekorn in der Kritik

Genn äußerte auch zur Kritik von Betroffenen an einer Predigt von Weihbischof Dr. Stefan Zekorn. Betroffene hatten diesem vorgeworfen, „durch historische Einordnungen, Vergleiche und die Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse früherer Zeiten Schuld und Verantwortung früherer Bischöfe und Personalverantwortlicher zu relativieren.“ Er verstehe diese Kritik und könne sie „in der Tiefe nachvollziehen“, obwohl er selbst nie so schweres Leid habe erfahren müssen. Vergleiche und historische Einordnungen könnten immer als Relativierungen von Verantwortung und Schuld verstanden werden. „Nicht psychiatrische Gutachter hatten die Verantwortung, wenn ein Missbrauchstäter weiter in der Seelsorge eingesetzt wurde, sondern die kirchlichen Verantwortungsträger“, so der Bischof. „Diese hatten bei allem, was wir wissen, und was viele frühere Bischöfe heute selbst einräumen, die Opfer nicht im Blick. Das bleibt für mich nicht nur als Bischof, sondern einfach als Mensch mit moralischen Vorstellungen, unbegreiflich und unvorstellbar.“

2 Kommentare

  1. Die Staatsanwaltschaft Münster hat die Missbrauchs-Ermittlungen gegen einen Geistlichen aus dem Bistum Münster wegen Verjährung eingestellt.
    Der Priester war beschuldigt worden, während seines Amtes in Gronau in den 1980er Jahren einen Jungen schwer sexuell missbraucht zu haben

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