Polizei mit zu viel Härte an der Stubengasse? Junge Teilnehmer der „Klimademo“ während des G7-Außenministertreffens werfen der Polizei vor, sie mit unverhältnismäßiger Gewalt festgehalten zu haben

Eine Gruppe von jungen Teilnehmern an der „Klimademo“ während des G7-Außenministertreffens wirft der Polizei vor, sie am Donnerstagabend an der Stubengasse mit unverhältnismäßiger Gewalt festgehalten zu haben. (Foto: Jasmin Reghat)
Eine Gruppe von jungen Teilnehmern an der „Klimademo“ während des G7-Außenministertreffens wirft der Polizei vor, sie am Donnerstagabend an der Stubengasse mit unverhältnismäßiger Gewalt festgehalten zu haben. (Foto: Jasmin Reghat)

„Unsere Einsatzkräfte haben einen guten Beitrag für ein friedliches Miteinander geleistet: präsent, hilfsbereit, freundlich und konsequent“, mit diesen Worten hatte Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf am Freitagabend verkündet, dass auch der zweite Tag des G7-Außenministertreffens „friedlich und störungsfrei“ verlief. Doch am Wochenende erreichten uns Nachrichten, dass die Polizei an diesen Tagen nicht allen gegenüber freundlich und hilfsbereit aufgetreten ist: Mehrere – auch minderjährige – Teilnehmende an der „Klimademo“ am Donnerstag berichteten, dass sie grundlos und mit unverhältnismäßiger Härte von Polizisten an der Stubengasse festgehalten wurden.

So beklagte eine Person, sie habe ihr Gesicht 15 Minuten lang nicht von der Wand wegdrehen können, eine andere, dass ihr 45 Minuten lang nicht gestattet wurde, Wasser zu trinken. Wir haben die Polizei Münster am Sonntag um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten, aber bisher keine Antwort erhalten.

Es begann wohl, als am Donnerstagabend gegen 18:15 Uhr auf dem Platz der Stubengasse die Demonstration „Global Climate Justice“ endete und sich ein paar der daran teilnehmenden Menschen von der Stubengasse entfernten und Richtung Raphaelsklink oder Hauptbahnhof liefen. Aus uns nicht bekannten Gründen nahm die Polizei deren Verfolgung auf und setzten sie fest. Das sprach sich unter anderen Demonstranten herum, sie wollten den Festgehaltenen solidarisch zur Seite stehen und näherten sich dem Geschehen. Einer unserer Gewährsleute beschrieb es so: „Bei den Menschen angekommen, standen die Betroffenen an einer Häuserfassade, eingekreist von einigen Polizisten. Vier weitere Polizisten hatten sich ca. 3 bis 4 Meter vor die festgesetzte Gruppe gestellt und schirmten diese mit ihren Körpern ab.“

„Du bist nicht allein“

Weil durch diese Konfrontation mit vermummten und voll ausgerüsteten Polizisten in der Dunkelheit leicht Ängste auftreten können, beschloss eine kleine Gruppe von etwa 15 Personen darunter auch Minderjährige sich solidarisch zu zeigen und „Du bist nicht allein“ zu rufen. Dabei hielten sie nach eigener Aussage ausreichend Abstand. Was dann geschah, beschrieb die Person, die sich uns als Alex vorstellte, so: „Wenige Augenblicke später und für mich ohne erkennbaren Grund, rannten plötzlich ungefähr 10 weitere Polizisten in voller Ausrüstung auf uns zu und schubsten uns, meines Erachtens, mit unverhältnismäßiger Gewalt ebenfalls an die Häuserfassade. Ein Mensch wurde bei dem Angriff zu Boden gestoßen. Da ich in dem Moment den Polizisten meinen Rücken zugedreht hatte, wurde ich ohne Vorwarnung von hinten gepackt und mit voller Kraft gegen die Wand gedrückt. Dieses führte dazu, dass ich in Panik verfiel und einen kurzen Augenblick damit zu kämpfen hatte, nicht zu hyperventilieren.“

Ein weiterer, der sich Steve nennt, erlebte es so: „Dann sah ich wie eine Reihe von Polizisten, vollmaskiert und mit Helm, auf mich zu gerannt kam. Ich habe mich so erschrocken, dass ich einfach stehen geblieben bin. Außerdem bin ich in dem Moment fest davon ausgegangen, dass die Polizisten irgendwas hinter mir gesehen haben müssen, denn ich bin ja nicht gefährlich und habe auch nichts getan, außer Support zu zeigen. Ich war komplett sprachlos, mit welcher Gewalt meine Kindheitshelden gegen mich und andere friedliche Menschen vorgingen. Ich wurde brutal gegen die Wand geschubst und gedrückt.“

So an die Wand gedrückt, mussten die jungen Menschen eine Weile verharren. Erst nach etwa 15 Minuten durften sie ihre Gesichter wegdrehen und die Hände von der Wand nehmen. Dabei standen die Polizeibeamten „über einen längeren Zeitraum mit ca. 20-30 cm Abstand unangenehm nah. Erst als die Presse vor Ort war, rückten die Polizisten von uns ab und wahrten einen Abstand von ungefähr 1,20 Meter“, erinnert sich Alex. „Ich habe immer wieder gesagt, dass ich gerne etwas trinken würde. Erst nach ca. 45 Minuten wurde es mir erlaubt, Wasser anzunehmen. Bis dahin wurde mir nicht einmal gesagt, was mir vorgeworfen wird“, betont Steve.

„Müsst ihr denn nicht schon längst Zuhause sein?“

Auf die Frage nach dem Grund für die willkürliche Festsetzung und wie es jetzt weiter gehen würde, erhielt Alex nur die zynische Gegenfrage, „ob wir denn nicht schon längst Zuhause sein müssten“. Er vermutet daher, dass der Polizei bewusst war, dass sich Minderjährige unter den Festgesetzten befanden. Erst im Anschluss an das Feststellen der Personalien nach fast einer Stunde erhielt er schließlich die Auskunft, „dass gegen uns keine Straftaten vorliegen und dieses rein zur potentiellen Gefahrenabwehr geschehen sei und um uns etwas Angst zu machen“. Außer einem mündlichen Platzverweis für den Innenstadtbereich, der nur diesen einen Abend über gültig war, sollte es keine weiteren Konsequenzen geben. „Alle festgehaltenen Menschen in der Maßnahme konnten sich ausweisen und haben alle Anweisungen der Polizei befolgt“, hebt Alex hervor.

„Vor wenigen Jahren habe ich mich selbst bei der Polizei beworben. Im Nachhinein bin ich sehr glücklich, dass es nicht dazu gekommen ist. Ich könnte es nicht mit meinen Werten vereinbaren, friedliche Demonstranten derart zu behandeln“, schließt Steve seine Schilderungen ab. Und Alex ergänzt: „Menschen festzuhalten, somit ihrer Freiheit zu berauben, ohne ihnen Informationen über die Gründe, oder das weitere Vorgehen zu geben, zeigt mir, dass die Polizei genau weiß, wie weit sie gehen darf und diese Macht gezielt ausnutzt, um junge engagierte Menschen zu denunzieren und zu verängstigen. Ich wollte Menschen solidarisch zu Seite stehen und am Ende stand ich eine Stunde im Regen, teilweise mit dem Gesicht an der Wand, einem Polizisten im Nacken und mit einer möglichen Anzeige in Aussicht, die während der Maßnahme gar nicht zu Debatte stand.“

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Folgende Fragen hatten wir am Sonntagabend an die Polizei Münster gerichtet, aber bis heute keine Antwort erhalten:

  1. Können Sie den Ablauf und Sachverhalt zum Einsatz transparent machen?
  2. In einem Interview mit einer Kollegin der Pressestelle hieß es bei „Radio Q“, die Personen seien polizeilichen Anweisungen nicht gefolgt. Welche Anweisungen waren das?
  3. Einzelne aus der Personengruppe beklagen, dass sie erst nach 45 Minuten erklärt bekamen, weshalb sie festgehalten wurden. Ist das üblich?
  4. Im betreffenden Interview ist von möglichen Verstößen gegen das Versammlungsrecht die Rede, die nun geprüft würden. Ist dies bereits geschehen?

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