Pack die Badehose ein – Zeitzeugenberichte

Badevergnügen in Münster-Sudmühle um 1925. (Foto: LWL-Archiv)
Badevergnügen in Münster-Sudmühle um 1925.
(Foto: LWL-Archiv)

Schwimmvergnügen mit der ganzen Familie in einem öffentlichen Schwimmbad war am Ende des 19. Jahrhunderts eher die Ausnahme. Das belegen Zeitzeugenberichte, die die Volkskundler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) gesammelt haben.

„Zum einen mangelte es an Badeanstalten“, erklärt LWL-Volkskundlerin Jutta Nunes Matias, „zum anderen war das gemeinsame Baden beider Geschlechter untersagt. Nur sehr wenige Menschen hatten die Möglichkeit, eines der Seebäder, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts an den Küsten entstanden, zu besuchen oder sich auf sogenannten Badeflößen oder Badeschiffen aufzuhalten. Die Allgemeinheit nutzte wilde Naturbadeplätze an Flüssen und Seen, die in ganz Westfalen zu finden waren.“

Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts setzten sich immer häufiger öffentlich organisierte Badeanstalten durch. So berichtete ein Zeitzeuge über ein Badehaus auf der Ems und stellte fest, dass man in Greven in Hinsicht auf die Körperpflege einen Vorzug im Vergleich zu vielen anderen Gemeinden hatte: Die Badeanstalt befand sich auf schwimmenden Fässern und wurde im Frühjahr auf- und im Herbst wieder abgebaut. Das Badehaus hatte mehrere Einzelkabinen und ein Schwimmbecken in der Größe von etwa sechs mal zwölf Metern. Frauen und Männer gingen zunächst getrennt schwimmen, zur Damenbadezeit war auf dem Schwimmfloß als Aufsicht die Frau des Bademeisters im Einsatz.

Das öffentlich organisierte Badewesen beschränkte sich noch lange auf den hygienischen Gesichtspunkt. Der bekannteste Verfechter der Volksbadeanstalten war der Dermatologe Oskar Lassar (1849-1907), der ein Volksbrausebad propagierte, das er auf der Berliner Hygieneausstellung 1883 vorstellte. Insbesondere im Ruhrgebiet, wo es durch die Industrialisierung zu Problemen in der hygienischen Versorgung der Bevölkerung kam, entstanden Fabrikbäder, die die Möglichkeit boten, nach der Arbeit ein Bad zu nehmen.

Einen weiteren Impuls bekam die Badekultur durch den Schwimmunterricht beim preußischen Militär. So betonte Kaiser Wilhelm II. 1908 die Notwendigkeit des Schwimmens mit den Worten: „Nur der gilt uns als ganzer Mann, der mit den Wogen kämpfen kann.“ Im Laufe der Zeit öffneten immer mehr Badeanstalten mit Schwimmbecken, um den Schwimmsport zu fördern. Ebenso entstanden aus wilden Bade-stellen organisierte Freibäder, die zunächst oft von Turn- und Schwimmvereinen später dann auch von Städten und Gemeinden betreut wurden; so auch in Suderwich bei Recklinghausen, wo ein Ziegelei-Teich, in dem vor der Schwimmbaderöffnung zahlreiche Menschen ertrunken waren, zu einem Freibad umfunktioniert wurde.

In größeren Städten waren Schwimmbäder oft Bestandteil eines Volksparks, wie zum Beispiel in Dortmund, wo 1927 ein Sportbecken zu Wettkampfzwecken eingeweiht wurde. Später kam dort ein sogenanntes Luft- und Lichtbad hinzu, das mit Wiesen für die sportliche Betätigung im Freien und einem Nichtschwimmerbecken ausgestattet war. An einzelnen Tagen kamen bis zu 18.000 Besucher, was zur Folge hatte, dass zeitweise die Kassen geschlossen werden mussten.

Neben der Förderung von Hygiene und dem Erlernen des Schwimmens erhoffte man aber auch durch den Bau öffentlicher Badeanstalten, dem wilden unkontrollierten Naturbade-plätzen und dem gemeinsamen Baden von Frauen und Männern entgegenzutreten, was insbesondere noch bis in die 1930er Jahre die katholische und evangelische Kirche scharf kritisierten. Rigide Badevorschriften machten den Familienbadespaß unmöglich.

Die moralischen Vorstellungen hatten auch einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Bademode. Die anfängliche Bekleidung gewährte kaum Blicke auf die nackte Haut einer Frau. Knöchellange Beinkleider und lange Blusen meistens aus Halbwollstoff waren noch bis ins 20. Jahrhundert üblich. Ab 1920 gab es einteilige Schwimmtrikots, in den 1960er Jahren setzte sich der Bikini durch. Bei den Männern gab es zunächst keine besondere Badekleidung. Erst ab 1900 gab es gestreifte Einteiler mit kurzem Bein, deren Oberteile im Laufe der Zeit immer knapper wurden, bis nur noch eine kurze Badehose übrig blieb. Im Zusammenhang mit der Bademode erregte der sogenannte „Zwickelparagraph“ aus dem Jahre 1932 großes Aufsehen. Er schrieb vor, dass im Schritt der Badehosen und Badeanzüge ein zusätzliches Stück Stoff, der sogenannte Zwickel, angebracht wurde. „Doch schon bei seiner Einführung wurde eher über einen solchen Eingriff in die Privatsphäre gelacht, als dass man den Paragraphen ernst nahm, zudem gab es schon in den 1920er Jahren 100.000 organisierte Anhänger der Nacktbadekultur“, so Nunes Matias.

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