OVG lehnt alle Beweisanträge der AfD abKommentar   Die offensichtlich geplante Verschleppung des Prozesses gelingt den Anwälten der AfD nicht / Alle der fast 500 Beweisanträge hat das OVG Münster abgelehnt

Für mehrere Stunden hatte sich das Gericht zur Beratung zurückgezogen, um schließlich alle Beweisanträge der AfD abzulehnen. (Foto: Isaak Rose)

Die Sorge der AfD, dass bereits nächste Woche ein Urteil zu erwarten wäre, konnte der erste Vorsitzende Richter nehmen: Ganz so schnell wird es wohl nicht gehen. Schließlich habe die Partei auch die Möglichkeit, zu abgelehnten Anträgen Stellung zu nehmen. Dennoch wird ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG) noch vor den Wahlen zum Europaparlament nun wieder realistischer.

Es ging dann doch ganz schnell: Nachdem klar war, dass die Anwälte der AfD die Beweisanträge nicht alle einzeln vorlesen, sondern sie gebündelt in die Akte wandern, entschied der Senat nach einer mehrere Stunden dauernden Beratungspause, alle Beweisanträge abzulehnen.

Schon am ersten Verhandlungstag war deutlich geworden, dass es der AfD vor allem um eine Verschleppung des Prozesses geht. Wohl auch, um erst nach den Europawahlen das Urteil durch die Presse gehen zu lassen. Der Plan könnte nun nach hinten losgehen, denn vor den Wahlen sind noch einige Prozesstermine angesetzt und die Chancen stehen gut, dass kurz vor dem 9. Juni ein Urteil verkündet wird.

Antisemitismus in der AfD

Die AfD wollte mit den Anträgen unter anderem gerne beweisen, dass sie nicht antisemitisch sei. Roman Reusch, ein ehemaliger Abgeordnete des Bundestages für die AfD, ergriff dazu das Wort. Reflexartig stellt er zu Beginn klar ihre Partei sei die einzige, “die ohne wenn und aber zu Israel steht”. Als sei die Unterstützung des israelischen Staates ein Prädikat für eine antisemitismuskritische Haltung.

Reusch ergänzt, wie lächerlich und haltlos es sei, “ausgerechnet uns Antisemitismus zu unterstellen” und möchte Vertreter*innen der “Juden in der AfD” als Zeug*innen einladen. Dass aber eine Gruppe von ungefähr 20 Personen in einer Partei mit mutmaßlich über 40.000 Mitgliedern den Beweis erbringen kann, dass die AfD nicht antisemitisch sein kann, zweifelt wohl auch der Senat an und lehnte den Antrag ab.

Es geht in der Verhandlung um die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. (Foto: Isaak Rose)

Der Vorsitzende Richter deutet im Zusammenhang mit der Ablehnung anderer Anträge an, dass Aussagen nicht entkräftet werden, nur weil daneben auch Aussagen stehen, die unproblematisch sind. In Bezug auf Antisemitismus lässt sich in der AfD dazu vieles finden, was in der mündlichen Verhandlung wohl unerwähnt bleiben wird. Da wäre der Ehrenvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, der die antisemitische Verschwörungserzählung des “Großen Austauschs” verbreitete. Weit bekannter dürfte Höckes Rede von der “erinnerungspolitische[n] Wende um 180 Grad” und der Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals in Berlin als “Denkmal der Schande” sein.

Und dass die AfD noch am vorherigen Verhandlungstag als Zeugen den ehemaligen Polizisten Torsten Czuppon anreisen ließ, dem das Tragen einer Neonazimarke in der Gedenkstätte des KZ Buchenwald vorgeworfen wird, prägt den Eindruck einer antisemitischen Partei mehr als deutlich. Übrigens: Viele Gedenkstätten für die Opfer des Naziregimes verweigern der AfD grundsätzlich die Teilnahme an offiziellen Gedenkveranstaltungen.

Kontroverse um die Anwälte der AfD

Bekannt ist schon lange, dass die AfD durch die bekannte Kanzlei “Höcker Rechtsanwälte” vertreten wird. Die hat schon für einige prominente Rechte, wie zum Beispiel den türkischen Präsidenten Erdogan, gearbeitet. Einen Hehl macht sie aus der Zusammenarbeit mit der AfD auch nicht. Für Höcker selbst nennt sich das “Berufsethos”: “Ein Anwalt mit Berufsethos muss bereit sein, Hitler gegen Stalin und Stalin gegen Hitler zu vertreten, und zwar je nachdem, wer als Erster anruft.”

Nach der mehrere Stunden dauernden Beratungspause entschied der Senat, alle Beweisanträge der AfD abzulehnen. (Foto: Isaak Rose)

Offenbar gilt dieses so angewandte “Berufsethos” jedoch nicht nur im Bezug zu Mandant*innen. So war Hans-Georg Maaßen ebenfalls in der Kanzlei aktiv. Maaßen ist mittlerweile Vorsitzender der Werteunion, eine Parteiabspaltung der CDU, die am rechten Rand zu verorten ist. Vor dem OVG in Münster vertritt für Höcker der Kanzleipartner Christian Conrad die AfD. Ein Blick in seinen öffentlichen twitter-Account zeichnet das Bild eines vorsichtigen Juristen, der irgendwo zwischen Masken- und Maßnahmenkritiker und Julian Reichelts politischem Selbstverständnis gefangen ist. Ähnlich sieht es auch ein anderer twitter-Nutzer, der einen Beitrag Conrads mit “Julian Reichelt auf Wish bestellt…” kommentiert. Rechte Portale wie Nius, Junge Freiheit und die Schlagzeilen der BILD-Zeitung finden sich in seinen Posts wieder.

Besonders überraschend am jüngsten Verhandlungstag war die Äußerung des zweiten Anwalts der AfD, Michael Fengler, der plötzlich seine eigene Parteizugehörigkeit zur SPD nutzen will, um die Argumentation des Verfassungsschutzes in Münster zu entkräften. Vorab stellt er klar: “Ich bin und war niemals Mitglied der [AfD]”. Stattdessen war er in seiner Jugendzeit in der Jugendorganisation der SPD aktiv. Vor dem OVG lud er den Verfassungsschutz ein, doch dort einmal zu einem Bundeskongress zu gehen, um sich einen Richtungsstreit anzuschauen. Nicht, dass der Verfassungsschutz am Ende noch die Jugendpartei der SPD beobachten würde. Dass es jemals einen Richtungsstreit mit Extremen in der AfD gegeben habe, streitet die Partei vor Gericht hingegen immer wieder ab. Eben weil ein solcher Streit ein Indikator für den Verfassungsschutz wäre, dass womöglich noch weiter rechts stehende innerparteiliche Gruppen an Macht gewinnen.

Der Blick vom Foyer des OVG Münster auf die gläserne Bibliothek ist nach wie vor imposant. (Foto: Isaak Rose)

Fengler, der sich selbst auch weiterhin in der SPD verortet und aus seiner Mitgliedschaft kein Geheimnis macht, ist wie auch sein Kollege auf twitter aktiv. Dort repostet er die neurechte Influencerin Anabel Schunke oder teilt Medien wie Cicero und BILD. Mag sein, dass die zwei Anwälte auch unproblematische Positionen vertreten – dass die AfD sich mit den beiden wohl fühlt, liegt aber gewiss nicht nur am “Berufsethos”.

Sicherlich sollte jeder Person rechtlicher Beistand gewährt werden. Dass die Kanzlei Höcker allerdings eine politische Distanz zur AfD hat, kann zumindest angezweifelt werden. Das Gerede vom “Berufsethos” endet spätestens am Abend, nachdem man den Anzug ablegt und sich vorwerfen lassen muss, seine ganze Energie in die Verteidigung einer faschistischen Partei gelegt zu haben.

Etwas Gutes hat die Sache aber sicherlich: Die Kanzlei Höcker wird sich für so eine umfangreiche Verhandlung wohl eine ordentliche Summe als Honorar auszahlen lassen. So dass jede langgezogene Stunde vor dem OVG die Kassen der AfD noch mehr leert als die Geduld des Autors im Zuschauerbereich.

Vielleicht ist das in Zukunft eine schönere Erklärung, die ein SPD-Mitglied ruhiger schlafen lässt, als das ganze Gefasel vom Berufsethos.

Ein Kommentar von unserem Gastautor Isaak Rose

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