Deutschland gilt als Nachzügler im Bereich des digitalen Lernens, jedoch positioniert sich das Overberg-Kolleg in Münster ab dem kommenden Schuljahr als Vorreiter. Das Weiterbildungskolleg, das vom Bistum Münster getragen wird, wird deutschlandweit eine einmalige Möglichkeit anbieten, das Abitur online abzulegen. Damit hat sich Schulleiter Ansgar Heskamp mit seinem Team für ein integriertes Lernmodell entschieden, das die Vorzüge des Online- und Präsenzlernens kombiniert.
Anstatt an fünf Tagen pro Woche am Kolleg zu sein, werden die Studierenden drei Tage präsenten Unterricht und zwei Tage Fernunterricht von zu Hause aus haben. Heskamp ist überzeugt, dass dieses Modell besser auf die heutigen Bedürfnisse junger Menschen eingeht. „Das Angebot richtet sich besonders an Studierende, die aufgrund ihrer benachteiligten Lebenssituation bisher keinen Zugang zum Abitur hatten oder das Kolleg nur unter erschwerten Bedingungen hätten besuchen können“, erklärt der Schulleiter.
Eine von drei Klassen reine Online-Klasse
Die Studierenden des Overberg-Kollegs werden als Studierende bezeichnet, da das Kolleg ausschließlich Erwachsene anspricht. Der Schulbesuch ist kostenfrei und wird durch elternunabhängiges Bafög gefördert, sodass das Einkommen der Eltern die Leistungen nicht beeinflusst. Im kommenden Wintersemester werden wie üblich drei Klassen eingerichtet, eine davon als Online-Klasse. „Zum Einstieg werden den Studierenden, die das neue Lernmodell wählen, Mentoren zur Seite gestellt, die ihnen mit Rat und Tat beistehen“, kündigt Kristina Slotty, Koordinatorin für Unterrichtsentwicklung, an.
Sarina Wetter (33), die im zweiten Jahr am Overberg-Kolleg ist, hätte das Online-Abitur gerne genutzt: „Ich hätte mehr Zeit für meine Kinder und meine Familie, da ich nicht täglich von Altenberge nach Münster pendeln müsste“, erklärt sie den Vorteil des Modells, das eine bessere zeitliche Koordination von Familienaufgaben und Schule ermöglicht.
Barrieren abbauen
Inez Abd El-Fatah, die vor dem Kolleg an einer Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung gearbeitet hat, sieht die Möglichkeit, weiterhin in Teilzeit zu arbeiten, als Vorteil des Online-Angebots. „Ich wäre flexibler in meiner Zeiteinteilung und könnte gleichzeitig einen kleinen Beitrag leisten, was den chronischen Personalnotstand in der Pflegebranche angeht“, sagt Inez Abd El-Fatah. Heskamp betont auch, dass die Mieten in Münster für viele Studierende finanziell kaum zu bewältigen seien. „Herkunft darf kein Bildungsrisiko sein“, betonen er und das Overberg-Kollegium mit dem Online-Abitur, das darauf abzielt, Barrieren abzubauen.
Die Grundlage für das Online-Modell bildet eine digitale Lernplattform, die bereits am Overberg-Kolleg in den Unterricht integriert ist. „Wir stellen darüber im Alltag Material bereit, die Studierenden bearbeiten Aufgaben und nutzen Formen der digitalen Zusammenarbeit“, erklärt Slotty. Allen Studierenden steht ein digitales Endgerät zur Verfügung, einschließlich der erforderlichen Apps.
Selbstorganisiertes und selbstgesteuertes Lernen
Digitales Lernen wird längst nicht mehr als aus der Not heraus geborene Form angesehen, sondern als hoch effizientes Lehr- und Lernangebot, das gesellschaftliche Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit ermöglicht, betont Heskamp. „Im Mittelpunkt des Online-Abiturs am Overberg-Kolleg steht das selbstorganisierte und selbstgesteuerte Lernen, worauf wir die Studierenden gezielt vorbereiten und sie dabei begleiten werden“, verspricht der Schulleiter mit Blick auf das Leitbild der katholischen Schulen im Bistum Münster mit dem Titel „Damit der Mensch sein Ziel erreicht“. Die Kombination aus Präsenz- und Online-Lernen spricht eine größere Bandbreite von Lernenden an, die es Studierenden ermöglicht, selbstbestimmt ihre berufliche Weiterbildung zu gestalten.
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