Münster nicht mehr Fahrradhauptstadt Karlsruhe hat Münster beim Fahrradklima-Test 2018 überholt / Der ADFC Münsterland ist vom Ergebnis nicht überrascht und benennt Defizite

In Münster wird nicht immer liebevoll mit der "Leeze" umgegangen. (Archivbild: Michael Bührke)
In Münster wird nicht immer liebevoll mit der „Leeze“ umgegangen. (Archivbild: Michael Bührke)

Nun ist es passiert: Münster ist beim aktuellen Fahrradklima-Test nicht als Sieger in der Gruppe der Großstädte unter 500.000 Einwohner hervorgegangen und musste den Titel der „Fahrradhauptstadt“ an Karlsruhe abgeben. Sechs Mal in Folge ging der Titel an den Seriensieger, allerdings mit immer schlechteren Bewertungen. Viele Fahrrad-Aktivisten hatten das Verpassen des Siegerpodests schon erwartet, manche sogar erhofft, damit sich endlich etwas tut in unserer Stadt.

Der gestern veröffentlichte ADFC-Fahrradklima-Test fand von Anfang September bis Ende November 2018 als Online-Umfrage statt, bei der die Radfahrenden selbst ihre lokalen Radverkehrsbedingungen mit Schulnoten bewerten. Gefördert wurde die Befragung durch das Bundesverkehrsministerium aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplan 2020. Insgesamt bewerteten über 170.000 Bürgerinnen und Bürger die Fahrradfreundlichkeit von mehr als 680 Städten. Der Fahrradklima-Test ist damit die größte und bedeutendste Nutzerbefragung zum Radverkehr weltweit.

Die Fahrradfreundlichkeit der Städte wird immer schlechter bewertet, auch in Münster. (Archivbild: Tessa-Viola Kloep)
Die Fahrradfreundlichkeit der Städte wird immer schlechter bewertet, auch in Münster. (Archivbild: Tessa-Viola Kloep)

Aus Münster haben mit 1.532 etwas weniger Radfahrer als beim letzten Fahrradklima-Test 2016 teilgenommen. Ihre Bewertungen fielen mit den Jahren immer schlechter aus: Von 2,50 im Jahr 2014 sackte die Gesamtnote 2016 auf 3,07 und nun auf gar nicht mehr so gute 3,25. Warum es trotzdem für den 2. Platz reichte, liegt für den ADFC Münsterland auf der Hand: In ganz Deutschland hat sich das Fahrradklima, also die Zufriedenheit der Radfahrenden, in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert, ebenso das Sicherheitsgefühl. Sie bewerten die Fahrradfreundlichkeit ihrer Städte im Durchschnitt mit der Note 3,9. Falschparker auf Radwegen, die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen und die fehlende Breite von Radwegen sind die am meisten kritisierten Probleme. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass man Kinder nur mit schlechtem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen kann.

„Auch wenn es diesmal nicht der Spitzenplatz ist, freue ich mich natürlich über die erneute Platzierung auf dem Podium“, sagt Oberbürgermeister Markus Lewe und gratuliert gleichzeitig der Stadt Karlsruhe. „Münster bleibt natürlich Fahrradstadt, auch auf Platz zwei! Das Fahrrad gehört zu Münster, das spürt und sieht jeder und jede. Allerdings wird das Thema komplexer: Wir müssen inzwischen eine Vielzahl von Mobilitätsarten im Straßenraum organisieren und wir sind bereits kräftig dabei. Also ganz klar: Das Ergebnis des Fahrradklima-Tests ist für uns vor allem Ansporn und Auftrag zugleich, beim nächsten Mal wieder ganz oben auf dem Treppchen zu stehen.“

Die Preisverleihung an die Zweitbesten beim Fahrradklima-Test in Berlin. (Foto: ADFC Münsterland)
Die Preisverleihung an die Zweitbesten beim Fahrradklima-Test in Berlin. (Foto: ADFC Münsterland)

Der ADFC Münsterland ist da um einiges skeptischer. Die Vereinssprecher erkennen an, dass Lewe ein „glaubwürdiger Alltags- und Freizeitradfahrer“ ist, der mit dem ADFC Bundesverband auf Bildungsreise durch die Niederlande radelt und „nebenbei Präsident des Deutschen Städtetages“ ist, der „seinerseits ein Mobilitätskonzept vorgelegt hat, das fortschrittlicher ist als die mutlosen Masterpläne Münsters“. Denn bei all den „blumigen Artikeln und munteren Radiobeiträgen“, in denen die Schönheit Münsters und die erfolgreiche Radverkehrspolitik der Stadt verkündet werden, könnten die Alltagsradfahrer nur staunen. Münster fehle einfach „der Mut, dem Autoverkehr Raum und Geschwindigkeit zu nehmen“. Flächengerechtigkeit – also mehr Platz fürs Rad – sei weiterhin ein Fremdwort. Vor allem sei „die unterdimensionierte Radinfrastruktur in die Jahre gekommen“ und erneut die Unfallzahlen mit Beteiligung von Fahrradfahrenden um 10 Prozent gestiegen.

„Der Lorbeer wurde immer welker“, sagt Andreas K. Bittner, Vorsitzender des ADFC Münsterland mit Blick auf die sinkenden Werte für die nun ehemalige Fahrradhauptstadt, „außer wolkigen Zukunftskonzepten und Masterplänen können wir in den letzten 20 Jahren – damals wurde unser großes Fahrradparkhaus gebaut – keine Innovationen oder mutige Konzepte für nachhaltige Nahmobilität erkennen“. Dennoch säßen die Münsteraner, westfälisch stur, tagtäglich auf ihrer Leeze, stellt Bittner fest. Das sorgt dann für die einzige Topbewertung: Bei einem innerstädtischen Radverkehrsanteil von 40% finden wahrscheinlich die meisten in Münster diese Frage aus dem Klimatest kurios: ‚Bei uns fahren alle Fahrrad‘. „Hier geben wir uns selbst die Note 1,6. Anders gesagt: weder schlechtes Wetter oder noch schlechtere Radwege noch der zweite Platz beim Klimatest können uns vom Radfahren abhalten“, so Bittner. Der ADFC Münsterland wünscht sich nun, dass das Ergebnis des Fahrradklima-Test 2018 die Stadt „nun endlich tatsächlich aufrüttelt, die geplanten und beschlossenen Maßnahmen sehr zügig umzusetzen“.

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