Missbrauch in partnerschaftlichen Beziehungen und Familien zählt zu den heimtückischsten Formen von Gewalt. Um Öffentlichkeit und Ersthelfer für den Umgang damit zu sensibilisieren, haben sich 16 internationale Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen im Projekt „Improving Frontline Responses to High Impact Domestic Violence“, kurz: IMPRODOVA, zusammengeschlossen.
Prominente Vertreterin des Faches Medizin ist die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer von der Universität Münster, deren Arbeitsgruppe „Cognition & Gender“ jetzt das Auftakttreffen ausrichtete. Bis 2021 werden Vertreter von Polizei, Medizin und Politik unter dem Dach vom IMPRODOVA Strategien und Materialien entwickeln, um den Kampf gegen häusliche Gewalt effektiver zu gestalten. Die EU fördert den Verbund mit insgesamt 2,9 Millionen Euro, von denen knapp ein Zehntel an die Universität Münster fließt.
„Vielfach arbeiten Polizei und andere Anlaufstellen für Opfer nicht vertrauensvoll zusammen – und oft fehlt das Wissen wie mit traumatisierten Opfern umgegangen werden soll“, fasst Prof. Pfleiderer die Herausforderungen zusammen. Genau hier will das Projekt Abhilfe schaffen, indem in internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit Empfehlungen für Entscheider formuliert werden. Hinzu kommt die Entwicklung von Trainings und Richtlinien für Polizei, Medizin und soziale Einrichtungen. Geplant sind Broschüren und Internetvideos, mit denen sich die Öffentlichkeit sachgerecht über häusliche Gewalt informieren kann und die auf einer Plattform zur Verfügung gestellt werden.
Um einen wissenschaftlichen Standard zu gewährleisten, führen die Forschenden Interviews mit standardisierten Fragebögen durch und begleiten die Polizei bei ihrer Arbeit. „So erhalten wir ein realitätsnahes Bild der Lage und können maßgeschneiderte Interventionsmaterialien erstellen“, beschreibt Pfleiderer die Grundidee des Projektes. Gerade dieser praktische Nutzen sowie die europäische Ausrichtung ist der amtierenden Präsidentin des Weltärztinnenbundes wichtig: „Ich bin keine Forscherin, die nur Konzepte schreibt. Es muss etwas Konkretes herauskommen, damit auch die Menschen profitieren.“
Als der Koordinator und Initiator des Projektes, Prof. Joachim Kersten von der in ebenfalls Münster ansässigen Deutschen Hochschule der Polizei, die Ärztin ansprach, ob sie teilnehmen wolle, war Pfleiderer zunächst überrascht: „Dass Mediziner und Polizeiforschung auf Augenhöhe zusammenarbeiten, ist eben nicht alltäglich“. Doch das Wagnis habe sich schon jetzt gelohnt, resümiert die Hirnforscherin: „Beim Kick-off-Meeting und den ersten Treffen hat sich gezeigt, dass eine vertrauensvolle Atmosphäre herrscht und ich freue mich sehr, dass der Medizin in einem solchen Projekt eine wichtige Rolle zukommt“. IMPRODOVA wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizon 2020“ der Europäischen Union unterstützt.
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