Medizin 4.0 in der Augenklinik Digitalisierung in der Augenheilkunde soll Qualität sichern und Forschung erleichtern

Prof. Dr. Nicole Eter, Präsidentin der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) und Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am UKM. (Foto: UKM)

Die Präsidentin der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) und Direktorin der Klinik für Augenheilkunde am UKM, Prof. Dr. Nicole Eter, hat sich den Aufbau eines digitalen Patientenregisters für alle Sektoren der Augenheilkunde in Deutschland als Ziel gesetzt. Die Umsetzung soll Forschung erleichtern und Qualitätssicherung in dem Fach endlich möglich machen.

Frau Professor Eter, Deutschland hat Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung – gilt das auch für die Medizin und ihr Fach, die Augenheilkunde?

Wir haben einen Riesenbedarf! Wenn man über Digitalisierung  in anderen Sparten berichtet, dann sind die alle schon ein bisschen weiter als in der Medizin.  Natürlich ist das Thema Datenschutz bei uns immer noch mal komplizierter als beispielsweise in der Industrie.  Da spielen die berechtigten Ängste der Patienten mit hinein: Was passiert mit meinen Daten? Wir haben zurzeit in vielen niedergelassenen Praxen eine elektronische Patientenakte. Die Krankenhäuser dagegen haben ihre Klinikinformationssysteme mit vielen Subsystemen. Aber der Austausch findet nicht statt. So sind wir nicht mal als übergeordnete Fachgesellschaft in der Lage beispielsweise zu sagen: Wie viele Katarakt-Operationen  werden überhaupt gemacht? Die Zahlen werden nirgendwo zusammengetragen. Wir haben in unserem Gesundheitssystem eben die unterschiedlichen Sektoren von ambulanter und stationärer Versorgung, die nicht gut miteinander verzahnt sind. Da steht der stationäre Sektor recht gut dar – der ambulante aber muss aufholen.

Welche Auswirkungen hat der mangelnde Austausch?

Wir haben nicht mal die Basisdaten für die Qualitätssicherung unserer Behandlungsstandards. Wir haben keine Zahlen! Selbst die Krankenkassen haben keine veritablen Daten, denn wir haben ja den System-Unterschied zwischen der gesetz-lichen und der privaten Krankenkasse. Da werden ambulante Operationen nach Selektiv-Verträgen abgerechnet oder nach dem Vergütungssystem der Vertragsärzte. Kurzum: Das ist alles ein großer Blumenstrauß an Daten ohne Gesamtüberblick. Andere europäische Länder haben ein eher nationales Gesundheitssystem: Da laufen alle Zahlen zusammen. Wir hoffen nun bei der DOG, dass die Errichtung der Telematik-Infrastruktur von Seiten der Politik weiter vorangetrieben wird, so dass eine Vernetzung technisch einfacher ist. Dazu soll jetzt zum 1. Januar 2019 ein wichtiger Schritt getan werden. Zugangsberechtigt wäre nur Personal aus Heilberufen und die Daten würden über eine gesicherte, verschlüsselte Datenleitung ausgetauscht.

Wie kann man den entsprechenden Datenschutz für die Patienten garantieren?

Die Patientenidentität wird nicht preisgegeben, d.h. dass niemand mit Klarnamen in einem Patientenregister auftauchen wird. Die Patienten werden pseudonymisiert, d.h. sie bekommen eine Nummer zugeteilt, sodass man sie sektorübergreifend im Register weiterverfolgen kann. Was wir uns wünschen ist, dass wir Patientendaten auf der Grundlage des neuen europäischen Datenschutzrechts sammeln und zu Forschungszwecken weiterverwenden dürfen. Dem muss der Patient einmalig ausdrücklich zustimmen und kann es natürlich ebenso ablehnen oder jederzeit widerrufen. Der Server des Patientenregisters steht in Deutschland, sodass gesichert ist, dass die Daten im Land bleiben. Patienten müssen wissen, dass sie durch das Register keinen Nachteil haben sondern den Vorteil: Denn durch die Versorgungsforschung, die wir dann betreiben können, erreichen wir eine Verbesserung des medizinischen Fortschritts, der letztendlich ja allen wieder zu Gute kommt.

Auch die technischen Grundlagen für ein digitales Patientenregister sind derzeit sehr unterschiedlich…

Das ist in der Tat so. Wir haben im niedergelassenen Bereich unterschiedliche elektronische Akten. Wir haben Kliniken in der Augenheilkunde, die noch gar keine elektronische Akte haben. Wir müssen also in der Lage sein, aus unterschiedlichen Systemen Daten zu ziehen, und das am besten automatisiert. Eine händische Patientendateneingabe ist in der Praxis nicht durchführbar. Das heißt technisch muss das System des digitalisierten Patientenregisters immer an das vorhandene System angedockt sein: Moderne IT-Lösungen können das und wir lassen als DOG gerade eine solche Lösung erarbeiten.

Was kostet das?

Zunächst muss, wie gesagt, die Infrastruktur überall eingerichtet sein. Auf der Seite der Niedergelassenen und im Krankenhausbereich würde man Konnektoren brauchen und zusätzlich Kartenlesegeräte. Für die Infrastrukturkosten des Patientenregisters kommt die DOG auf.

Haben wir also in einigen Jahren ein funktionierendes Register in der Augenheilkunde?

Ich hoffe, dass das wesentlich schneller geht. In den USA hat man innerhalb des dortigen Systems rund 200 verschiedene abzufragende Parameter festgelegt. Bei uns wird da vieles identisch sein: Sehkraft, Augeninnendruck etc. Da wollen wir noch in diesem Sommer eine erste Struktur für uns haben.

 

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