„Lorenz war kein Fehler. Er war kein Problem“Kommentar  Mahnwache für Lorenz A. auf der Stubengasse

Verschiedene Organisationen hatten zu einer Mahnwache für Lorenz A. aufgerufen. (Foto: Kerim Kocakoç)
Verschiedene Organisationen hatten zu einer Mahnwache für Lorenz A. aufgerufen. (Foto: Kerim Kocakoç)

Trauer, Tränen und Umarmungen durchzogen am Samstagmittag die Stubengasse. Der Integrationsrat der Stadt Münster organisierte in Kooperation mit der „Frau, Leben, Freiheit“ Bewegung, der BIPoC-Flinta* Community und dem Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ eine Mahnwache für den von der Polizei erschossenen Lorenz A. Die Redebeiträge spiegelten die Betroffenheit der rund 200 Teilnehmenden der Mahnwache wider.

Der 21-jährige Lorenz wurde am Ostersonntag von der Polizei erschossen. Vier Schüsse trafen ihn. Eine Kugel traf seinen Kopf. Alle Schüsse wurden von hinten abgefeuert. Lorenz erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Wie es wieder zu solch einer Tat der Polizei kommen konnte, wurde bisher nicht aufgeklärt. Zuständig für die Aufklärung ist die Polizei selbst. Zuvor soll es laut Polizeiangaben dazu gekommen sein, dass Lorenz Reizgas in Richtung der Beamten sprühte. Der 27-jährige Polizist erschoss Lorenz daraufhin.

Emotionale Redebeiträge und Kritik an Polizei

Solidarität, Trauer, Tränen und Nähe prägten die Mahnwache. Die Vorsitzende des Integrationsrates Maria Salinas eröffnete jene mit bedrückenden Worten. Mit trauernder Stimme stellt sie fest, dass „wir in einer Welt leben, die sich nach hinten entwickelt“. Vor den diversen Redebeiträgen wurden Grußworte der Angehörigen von Lorenz verlesen.

Rahel und Elosia von der BiPoC – Flinta* Community äußerten Erschütterung und Schmerz, zeigten sich aber nicht überrascht. Das Klima, welches entsteht, macht ihnen Angst vor Diskussionen, allein rauszugehen und dass einem die eigenen Erfahrungen mit der Polizei abgesprochen werden. Damit einhergehend kommt die Angst vor Ausgrenzung.

Lückenlose Aufklärung gefordert

Anschließend betraten zwei Menschen die Bühne, die das erste Mal ihr Wort erheben wollten. Mariama und Angela lenkten den Fokus auf das Allein sein, die Angst und die Verzweiflung, die man in einer solchen Situation haben muss. Sie zitierten einen Freund von Lorenz, der sagte: „Lorenz war kein Fehler. Er war kein Problem“. Sie fordern eine lückenlose Aufklärung. Die Worte fielen schwer. Die Trauer war groß. Zum Ende der Rede zeigten sich weitere Menschen solidarisch und drückten ihr Mitgefühl auf. Die Empathie für die Trauer der Menschen vor Ort war groß. Nicht nur während der Mahnwache fielen sich die Teilnehmenden in die Arme und trauerten gemeinsam.

„Black Lives Matter“

Der Verein „Phoenix“ hebt die Solidarität hervor und belebt den Spruch „Black Lives Matter“ wieder. Das Leben von schwarzen Menschen ist wichtig und gehört genauso geschützt, wie das von nicht-weißen Menschen. Diese Forderung versucht die Bewegung seit Jahren durchzusetzen. Nicht nur der Tod von Lorenz zeigt, dass schwarze Leben nicht gleichbehandelt werden. Die Aktivistin Zahra sagte, dass Gehorsam nicht Ruhe und Freiheit bedeuten, sondern Ohnmacht. Für sie stellt sich die Frage, wann die Gesellschaft versteht, dass die Polizei nur bestimmten Menschen gegenüber als „Freund und Helfer“ agiert. Sie widmete ihre Worte direkt an Lorenz. Sie werde ihn in Gedanken und Herzen behalten und sein Leben aufrechterhalten.

Maria Salinas vom Integrationsrat betonte nach der Mahnwache, dass Menschen sich näherkommen konnten. Die Mahnwache war emotional und gab der Münsteraner Gesellschaft die Möglichkeit, ihre Trauer und Schmerzen zu teilen. Sie fordert eine lückenlose Aufklärung des Todes von Lorenz A.

Die Systematik von rassistischer Polizeigewalt

Tode durch die Polizei haben System. Letztes Jahr wurden 22 Menschen durch die Polizei getötet. Dieses Jahr sind es schon mindestens 11 Menschen. Der Aufwärtstrend scheint sich fortzusetzen. Auffällig ist, dass die Mehrheit der Opfer Migrant*innen sind. Der wohl bekannteste Fall eines Mordes der Polizei ist der von Oury Jalloh. Er wurde in einer Polizeizelle in Dessau verbrannt. Die Polizist*innen decken sich gegenseitig vor Gericht und verhindern so eine Aufklärung des Falles. Der Fall ist inzwischen 20 Jahre her. Ein anderer Fall ist der des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé. Er wurde in einer akut suizidalen Situation von der Polizei mit einer Maschinenpistole erschossen. Zuvor nutzte die Polizei Pfefferspray und Taser, um die Situation zu „deeskalieren“. Die Polizisten wurden freigesprochen.

Vor zwei Jahren wurde der 19-jährige Bilel G. von 34 Schüssen getroffen. Sein Überleben grenzt an ein Wunder. Er ist seitdem querschnittsgelähmt und hat keine Aussicht auf eine vollständige Genesung. Der Fall wurde am Samstag eingestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen Bilel G. läuft noch. Diese Aufzählung zählt nur 3 der 260 Migrant*innen auf, die seit 1990 von der Polizei getötet wurden.

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