Karl Jehle aus Herbern, Initiator von „Diskallico“, lebt und liebt das Licht an seinem Fahrrad. Die Geschichte hinter der Idee ist so interessant, wie Karl selbst und weil Leezen bekanntlich zu Münster gehören, folgte die „Diskallico Light Parade“ gerne meiner Einladung.
Bereits die Fahrt vom Ludgerikreisel über die Promenade bis zum Schlossplatz, bei noch ein wenig Tageslicht, sorgte bei den Passanten für strahlende Gesichter.
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Karl, erzähl uns doch mal etwas zu der Idee, die hinter „Diskallico“ steckt.
Zwischen 2017 und 2021 habe ich sehr viele negative Lebenserfahrungen und Schicksalsschläge erfahren und verarbeiten müssen. Am Radfahren habe ich ab Mitte 2018 Spaß gefunden. Ende 2019 hat mein Gehirn aufgrund chronischer Erschöpfung in den Notbetrieb geschaltet und den Tinnitus hochgefahren und nichts ging mehr – kein Lesen, keine Konzentration, kein Schlaf, keine Arbeit am PC. Ab Anfang 2019 bis Mitte 2021 bin ich viel alleine gewesen, da meine Partnerin ihre Mutter in ihren Privaträumen 3–5 Tage in der Woche in Dortmund gepflegt hat. Einen Tinnitus und eine chronische Erschöpfung während Corona zu bekämpfen, ist sehr schwierig. Mit psychologischer Hilfe und Verhaltenstherapie habe ich Erinnerungen wieder geholt, was mir in meiner Kindheit und Jugend viel Spaß gemacht hat. Musik und ausgefallene Beleuchtung hatte mich schon immer interessiert. Mit Radfahren und Bewegung habe ich den Tinnitus tageweise in den Griff bekommen.
Wie genau kam denn neben deinen ausgiebigen Fahrradtouren – du sprichst von täglich bis zu 50 Kilometern – das Thema Licht ins Spiel, also als feste Installation am Fahrrad?
Im Münsterland ist es abends fürchterlich dunkel, sobald man bewohnte Gebiete verlässt, ist Fahrradfahren nur mit gesetzlicher Beleuchtung mehr als lebensgefährlich. Angefangen hat es mit einem kleinen Radio, um während der Fahrt ein wenig Unterhaltung zu haben und Musik zu hören. Um in der Dunkelheit besser gesehen zu werden, habe ich mir eine reflektierende Jacke, Beleuchtung am Helm und zusätzliches Licht besorgt. Im Mai 2021 habe ich eine 80 Watt starke akkubetriebene Bluetooth-Box im Rahmen verbaut, um richtig guten Sound zu haben. Damit kamen die ersten RGB LED-Strips, natürlich Sound gesteuert. Da macht das Fahren am Abend in der Dämmerung schon viel mehr Spaß. Die ersten Runden bin ich an warmen Abenden gefahren und habe die positive Stimmung aller Zuschauer bemerkt. Alle tanzen sofort zur Musik, klatschen Beifall und sind quasi direkt in Partystimmung.
Von Körperkraft alleine leuchten die Lichter bestimmt nicht, oder? Verrate uns doch ein wenig, wie du buchstäblich die „Lampen am Leuchten“ hältst?
Am Rad und am Kostüm arbeite ich fast ausschließlich mit Powerbänken, zur Zeit 15 Stück, gesamt ca. 450.000 mAh und RGB LED Strips, Lichterketten mit USB-Anschluss. Damit komme ich gut sechs Stunden mit Licht und Musik über die Runden!
Du hast mir auf dem Weg erzählt, dass deine „Diskallico Light Parade“ sogar schon in den USA bekannt ist.
Ganz genau! Ich hatte mich im Juni 2021 gefragt, ob ich der einzige Mensch auf der Welt oder in Deutschland bin, der so ein Faible hat? Durch Online-Recherche habe ich einen jungen Mann (Kloi Muck) in Marktoberdorf im Allgäu gefunden, der seit einigen Jahre in dieser Art und Weise den Spaß mit seinem Discofahrrad auslebt. Dann habe ich im Internet weiter gesucht nach: Musik-Fahrrad, mobile Disco, LED Sound Bike. Da bin ich dann weiter fündig geworden – in Palermo in Italien, wo Jugendliche, die noch kein Auto fahren dürfen, ihr Fahrrad zur mobilen Diskothek umbauen und durch die Straßen fahren. Alle Menschen sind begeistert.
Dann habe ich weitere Gruppen gefunden, vorwiegend in den USA an der Westküste und auf Hawaii, die Musik und vor allen Dingen bunte LEDs an ihre Räder bauen und im wöchentlichen Rhythmus daraus Events machen. Die Leute treffen sich mit 300–500 Gleichgesinnten und fahren in den Abendstunden an der Küste in den Sonnenuntergang. Mit Marcus Gladney, dem Gründer dieser Gruppe „Venice Electric Light Parade“ in Los Angeles, Venice, habe ich mich über Facebook in Verbindung gesetzt und wir tauschen uns regelmäßig aus. Wie ist alles entstanden, wie verhalten sich die Behörden und wie verhalten sich die Mitfahrer und Freunde bei den Treffen?
Du sprichst die Behörden an. Ist deine Leeze samt Aufbau und Technik nach wie vor für den Straßenverkehr zugelassen und wie reagiert eigentlich die Polizei?
Die schmunzeln, machen den Daumen hoch und filmen mich sogar. Und ja, natürlich ist die Leeze zugelassen und entspricht der Straßenverkehrsordnung. Mittlerweile kommen Schulen und die Polizei mit Verkehrserziehung auf mich zu, um ihnen zur Seite zu stehen. Damit kleine Kinder verstehen, dass man im Verkehr nicht nur selber was sehen, sondern auch von anderen gesehen und wahrgenommen werden muss.
Der Frühling bahnt sich so langsam an, was natürlich wieder viele Menschen auf die Leeze bringt, wo man Fahrradtouren unternimmt. Wo bist du unterwegs, wie kann man mitmachen, organisierst du Touren?
Mitte August 2021 sind die Medien auf meine Aktion aufmerksam geworden. Mittlerweile sind zig Fernsehreportagen gemacht worden, über 100 Zeitungsberichte entstanden und die ersten Radclubs sind auf mich zugekommen, um gemeinsame Aktionen zu machen. Im ersten Quartal 2022 und durch die Anfahrten der umliegenden Orte haben sich weitere Mitfahrer dieser Aktion angeschlossen und ihre Räder und Kostüme aufgebaut. Jeder, wie er Lust hat, er technisch kann und wie es sind seinen Möglichkeiten liegt, ist herzlich willkommen. Im Augenblick wächst die Gruppe alle zwei Wochen ungefähr um eine Person. Seit Dezember sind wir zwölf aktive „Diskallico Light Rider“.
Du beehrst uns heute nicht zum ersten Mal, sondern hast schon ein bisschen was erlebt in der Fahrradhauptstadt.
Stimmt! Denn die beiden schönsten Touren, die wir bis jetzt gemacht haben, war die letzte „Skate Night“ in Münster, die wir als Gäste mit acht Fahrzeugen neben Hunderten Skatern begleitet haben und die Demo „Kidical Mass“. Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn zig tausend Menschen am Straßenrand stehen, dich beklatschen, fotografieren und filmen. Das war bei beiden Veranstaltungen so!
Verrate uns doch bitte noch kurz zum Schluss, wie eigentlich der Name „Diskallico“ entstanden ist?
Jedes Kind muss ja einen Namen haben und „Diskallico“ ist ein Wortspiel, das aus meinem Spitznamen „Kalli“ und dem auseinander gerissenen Wort „Disco“ entstand. Bis Mitte August 2021 kannte die Welt und Google dieses Wort „Diskallico“ nicht.
Karl, mit euch zusammen den Prinzipalmarkt unsicher zu machen, war ein großer Spaß. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich wirklich in nicht mal einer Minute 100 Schaulustige versammeln. Smartphones werden gezückt, zu deiner Musik wird getanzt und plötzlich haben alle ein Lächeln im Gesicht. Deine Herzensangelegenheit ist großartig und ich wünsche dir weiterhin gute Fahrt, Licht und Leeze!
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