Ein Dorn im rechtsextremen Auge Kammertheater "Der Kleine Bühnenboden" spielt für eine offene Gesellschaft / Interview mit den Intendanten

Die Intendanten des "Kleinen Bühnenbodens" Konrad Haller (li.) und Toto Hölters im Interview. (Foto: Hanno Endres)
Die Intendanten des „Kleinen Bühnenbodens“ Konrad Haller (li.) und Toto Hölters im Interview. (Foto: Hanno Endres)

Die Intendanten des „Kleinen Bühnenbodens“, Konrad Haller und Toto Hölters, setzen mit ihrem Kammertheater klare Zeichen gegen Rechtsextremismus. Am Sonntag spielen sie die szenische Lesung „Geheimplan gegen Deutschland“, die auf den Recherchen des Medienhauses CORRECTIV zu einem Geheimtreffen von Rechtsextremen im vergangenen November in einem Hotel bei Potsdam basiert. Im Interview schildern sie ihre Gedanken zum Umgang mit Rechtsextremismus und wie Kunst eine bunte Gesellschaft schützen kann.

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Was ging euch als erstes durch den Kopf, als ihr von dem rechtsextremen Geheimtreffen erfahren habt?

Um ehrlich zu sein war die erste Reaktion ein ungläubiges „Bitte was?!“. Danach folgte auf Betroffenheit der Wunsch nach sofortiger Aktion als Privatmenschen in Form einer Demonstration und als Theatermacher auf der Bühne. Die original CORRECTIV-Recherche springt einen als Bühnenmensch geradezu an. Die Darstellung an sich ist für das Theater ein Zuckerl, die danach schreit aufgeführt zu werden. Demonstration plus Bühnenstück ergeben in der Summe einen sehr kurzen Augenblick Katharsis pur (Katharsis: Gefühle, die durch das Stück ausgelöst werden, steigern die Moral der Zuschauenden; Anm. d. Autorin).

Ihr bezeichnet euer Theater als „aktiven Part gegen die Pläne der Rechten“? Inwiefern kann Kunst etwas gegen Rechtsextremismus ausrichten?

Das Theater als Kunstform kann dem Rechtsextremismus etwas entgegensetzen. Auf der Bühne können Geschichten erzählt werden, die Toleranz, Vielfalt und soziales Bewusstsein fördern. Im Theater entsteht im besten Falle nach der Vorstellung ein Dialog. Man tauscht sich aus, geht in die Auseinandersetzung und fördert Zusammenhalt. Das Theater wird zum Begegnungsraum. Wir erleben es oft, dass durch den Dialog nach der Vorstellung neue gesamtgesellschaftliche Ideen entstehen, die später aktiv umgesetzt werden. Ideen, die bei Rechtsextremisten Unwohlsein hervorrufen, denn unser Publikum wie auch die Spielenden teilen den Wertekanon einer bunten Gesellschaft.

Unser Theater ist ein politischer Ort. Gegenseitiger Respekt ist für uns nicht verhandelbar. Wir setzen uns seit jeher gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung jeder Art ein. Vor wenigen Jahren wurde der Hauseingang vor unserem Büro mit Hakenkreuzen beschmiert. Das war kein Zufall. Zynisch betrachtet ist es ein Beweis, dass wir den Rechten mit unseren Themen auf die Füße treten. Machen wir gerne. Daran können noch so viele Schmierereien nichts ändern oder was sie sich sonst noch an hirnverbrannten Aktionen einfallen lassen mögen.

Als 2015 mehr und mehr Geflüchtete in Deutschland Zuflucht suchten, riefen wir die Veranstaltungsreihe „My place is your place“ ins Leben. Ein niederschwelliger musikalischer Abend, der Geflüchteten die Möglichkeit gab, die Münsteraner Stadtgesellschaft zu treffen und ein wenig anzukommen. Die Reihe wurde sehr gut angenommen. Rechten stoßen solche Veranstaltungen auf, da ihnen der Respekt und die Empathie für Menschen, die andere Geschichten haben, einfach fehlt. Ihr Horizont reicht bis zum eigenen Bauchnabel und das war es dann auch schon.

Münster ist bekannt für eine klare Haltung gegenüber rechtem Gedankengut. Die Wahlergebnisse der AfD sind im Landes- und Bundesvergleich auffallend niedrig. Was ist eurer Meinung nach der Grund dafür?

Münster ist ein wunderbarer Ort. Doch wir sind uns im Klaren darüber, dass wir in einer Blase leben. Im bundesweiten Vergleich zu anderen Städten geht es Münster sehr gut. Die Bevölkerung ist eher bildungsnah und von geringeren Abstiegsängsten geprägt. Das sind einige Faktoren, die gegen die AfD schützen. Zudem steht Münster in einer Art Tradition, da sich die Stadt bereits im Nachkriegsdeutschland gegen rechte Kräfte positionierte, was zum damaligen Zeitpunkt der CDU zu verdanken war.

Die Nachfrage bezüglich eurer szenischen Lesung ist so groß, dass ihr am Sonntag einen Zusatztermin anbietet. Und am vergangenen Freitag haben als Reaktion auf die Enthüllung des Geheimtreffens 20.000 Menschen auf dem Domplatz für Menschenrechte und gegen Rassismus demonstriert. Wird dieses große gesellschaftliche Interesse, sich aktiv gegen Rechtsextremismus einzusetzen, anhalten oder schnell wieder abebben?

Es bewegt sich etwas. Mehr als in den letzten Jahren. Die leise Mehrheit der Gesellschaft, die sich gegen Rechtsextremismus ausspricht, positioniert sich und wird lauter. Damit aus Bewegung kein Stillstand wird, bedarf es mehr als Demonstrationen. Die demokratischen Parteien müssen sich auf einen gemeinsamen Fahrplan gegen den Rechtsextremismus von AfD und Co. einigen, aktiv handeln und zwar jetzt. Der Wehret-den-Anfängen-Moment ist verstrichen. Wir sind mittendrin.

Unsere Zusatzvorstellung war innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Uns zeigt das, dass die Menschen dranbleiben wollen. Sie wollen partizipieren, sich informieren und austauschen über die beeindruckende und wichtige Demo der 20.000 hinaus.

Was motiviert euch als Intendanten dazu, mit dem „Kleinen Bühnenboden“ für eine offene Gesellschaft zu kämpfen?

Am Ende des Tages können wir uns keine andere als eine offene Gesellschaft vorstellen, denn das Gegenteil wären totalitäre Strukturen. Glücklicherweise musste keiner von uns bis dato in einer totalitären Gesellschaft leben. Die AfD hat bereits vor einigen Jahren versucht, Einfluss auf die Theaterlandschaft zu nehmen. Wohin sollte das führen, wenn sie damit Erfolg hätten? Dass wir irgendwann wieder mit Begriffen wie entarteter Kunst belegt werden, Berufsverbote folgen oder wir uns gemein machen mit propagandistischen Kunstvorlieben, die Menschen einnorden sollen? Solche Gedanken mögen sich nach Drama à la Schauspielgilde lesen, doch wir sollten es zulassen, so weit zu denken. Wollen wir in einer offenen Gesellschaft leben, die unter anderem für den Schutz der Menschenrechte steht, dann müssen wir alle aktiv werden und mit demokratischen Mitteln kämpfen. Unser Theater wird immer ein Ort sein, der den Rechtsextremisten ein Dorn im Auge sein wird.

Die szenische Lesung "Geheimplan gegen Deutschland" findet am Sonntag, 28.01., um 18:00 Uhr und um 20:15 Uhr in der Schillerstraße 48a statt. Beide Vorstellungen sind allerdings bereits ausverkauft. Weitere Infos zum Stück und zum Kammertheater "Der kleine Bühnenboden" gibt es unter https://derkleinebuehnenboden.de/.

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