Viele Gäste der Friedenskapelle besuchten an diesem Wochenende ihr erstes Konzert seit Beginn des ersten Lockdowns vor anderthalb Jahren. Als wäre das nicht schon Anlass genug für kräftigen Applaus, erfreuten die Zucchini Sistaz ihr kulturell ausgehungertes Publikum nun mit dem neuen Programm „Ein Tag am Meer“, das am Freitag und Samstag alle restlos begeisterte.
Von ganz unterschiedlichen Seiten näherten sich die drei Musikerinnen ihrem Thema. Dafür haben sie nicht nur swingende Schlager der ersten Nachkriegsjahre ausgegraben, wie das Lied vom „Pi- Pa- Paddelboot“, dessen Kapitän mehr vom Küssen als vom Paddeln versteht, oder den flotten „Sailor’s Boogie“ über tanzende Matrosen und ihre Liebchen: „Matrosen-Liebchen tanzen sowieso recht wild / Und wenn du mal in Hamburg warst, bist du im Bild / Und führt dein Weg dich wieder hin zur Reeperbahn / Dann zieh‘ dir eine Sailor’s-Boogie-Bluse an“ – genau das taten auch Tina „La“ Werzinger, Jule Balandat und Sinje „Schnittchen“ Schnittker. Denn passend zum Programm begrüßten die drei das Premierenpublikum nicht nur mit „Ahoi und Leinen los!“, sondern auch in neuen, maßgeschneiderten Bühnenkleidern. Auch wenn deren Design von typischen Marine-Outfits inspiriert ist, gilt das nicht für die Farbe: statt in Marineblau erstrahlen sie in Zucchinigrün, kombiniert mit dem üblichen Weiß und dem Gold der Knöpfe.
Freizeit am oder im Wasser bildete den roten Faden für den ganzen Abend. An diesem entlang tobten die drei sich nicht nur mit den vielen neuen, hervorragend ausgewählten Liedern aus, sondern auch mit ihren launigen Conferencen, Geschichten und Spielszenen, die mal geprobt und mal imrovisiert wirkten. Natürlich leiteten sie damit immer zum nächsten Lied hin oder überbrückten eine Pause, um ein weiteres Instrument hinzu zu holen. Dies ist – alle Fans wissen es längst – ganz besonders die Spezialität von „Schnittchen“ Schnittker, die mit Trompete und Posaune über Akkordeon und Melodica bis zu vielen Schlagwerken wie eine ganze Big Band erscheint. Sie wechselte nicht nur mit einer kaum zu glaubenden Leichtigkeit in einem Lied zwischen Gesang und mehreren Instrumenten hin und her, sondern spielte mitunter auch zwei von ihnen gleichzeitig. Und schreckte mitunter nicht einmal davor zurück, die Klarinette pantomimisch als Paddel einzusetzen, oder das Flügelhorn als Fernrohr.
Natürlich darf der Charles Trenet-Klassiker „La Mer“ nicht fehlen bei einem Abend, der „Ein Tag am Meer“ sein soll. Die Zucchini Sistaz sangen ihn ganz besonders sanft und nahezu unverstärkt mit einem deutschen Text. Den haben sie für viele der internationalen Lieder herausgesucht, seltener auch mal selbst geschrieben (wie offensichtlich das Lied vom „Bademeister Basti aus Bad Bentheim“). Die meisten im Publikum werden aber nur wenige der Originale erkannt haben, darunter sicher die Swing-Klassiker „Sentimental Journey“ oder „S’Wonderful“ und natürlich den Beach Boys-Hit „Fun Fun Fun“, hier in der Version der Strandjungs als „Kleines rotes Cabriolet“. Mit diesem Lied auf den Lippen und schicken Sonnenbrillen auf den Nasen verabschiedeten die drei ihre Fans in die Pause.
Aus der Pause zurück traten die Zucchini Sistaz in neuen Kostümen und jeweils sehr individuellem Kopfschmuck auf die Bühne, nun trug plötzlich alles den Flair einer exotischen Pazifikinsel. „Wir haben in der Pause eine kleine Atlantik-Überquerung absolviert,“ erklärten sie die Verwandlung und träumten von Cocktails am Strand, „mit Schirmen mindestens so schön wie unsere Kleider“. Auch das musikalische Programm wurde in der zweiten Hälfte etwas lateinamerikanischer, von „Copacabana“ und „Rum and Coca-Cola“ bis „Tico Tico“. „Von voodoo-esk bis balladös“ bezeichneten sie es, und präsentierten den brasilianischen „Canto de Ossanha“ in der deutschen Version von Caterina Valente als „Die Sprache des Regens“ und verrieten danach, dass sie diesen Beitrag erst kurz vor der Premiere einstudiert und ins Programm genommen hatten: „Denn der Münsteraner weiß, was es bedeutet, wenn die Sonne mal nicht scheint“.
Die ganz großen Überraschungen waren aber ihre sehr eigenen Versionen von deutschen 80er-Jahre-Hits. „Ohne dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)“ von der Münchener Freiheit kannten wir schon von früheren Konzerten und von der ersten CD der Zucchini Sistaz. Für „Ein Tag am Meer“ präsentierten sie nun „Monotonie“ von Ideal als einen Blues, der so klang, als wär das Lied dereinst nur für sie geschrieben worden: „Monotonie in der Südsee / Melancholie bei 30 Grad“. Und „Leuchtturm“ von Nena – von der viele zurzeit am liebsten gar nichts mehr hören wollen – begann bei den Gemüse-Schwestern sehr langsam mit Meeresrauschen, um sich bald in eine mitreißende Samba zu verwandeln. Spätestens da hatten sie alle im Publikum um ihre zarten Finger gewickelt.
So kann und soll es weiter gehen, nicht nur mit den Live-Auftritten der Zucchini Sistaz, sondern auch mit der Konzertreihe in der Friedenskapelle. Gastgeber Tim Eberhardt hatte bei der Begrüßung darauf hingewiesen, dass fast 100 % der Zuschauer einen Impfnachweis vorgelegt hätten. Der Saal war zwar an beiden Tagen ausverkauft, aber nicht in dem Umfang bestuhlt, wie vor der Pandemie. Und für eine ständige Luftzufuhr hatte er auch gesorgt, was bei den lauschigen Nächten an diesem Wochenende nicht unangenehm auffiel. In den nächsten Wochen präsentiert die Friedenskapelle Salonmusik mit Herrn Rössler und seinem Tiffany-Ensemble (18. und 19.09., jeweils um 15 Uhr), das A Capella-Qaurtett Niniwe und ihr Programm mit Liedern von Sting (25.09., 20 Uhr) sowie die Band Uwaga!, die die komplette Geschichte der Musik erzählen wollen und von Klassik und Jazz bis Punk und Balkan-Folklore vor keinem Genre zurückscheuen (26.09., 17 Uhr).
Mehr über die Zucchini Sistaz findet ihr auf zucchinisistaz.de und über die Konzerte in der Friedenskapelle unter www.friedenskapelle.ms
Noch mehr Bilder vom Konzert der Zucchini Sistaz in der Friedenskapelle findet ihr in unserer Fotostrecke:
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