„Ich wollte wissen, ob Maria Rohrbach wirklich die Mörderin war“

Das Buch "Mordakte Maria Rohrbach" beleuchtet den berühmten Prozess aus Münster anhand der zeitgenössischen Gerichtsakten. (Bild: Cichos)
Das Buch „Mordakte Maria Rohrbach“ beleuchtet den berühmten Prozess aus Münster anhand der zeitgenössischen Gerichtsakten. (Bild: Cichos)

Wer hat Hermann Rohrbach ermordet? Ein neues Buch beleuchtet den spektakulären Münsteraner Kriminalfall aus den 60er-Jahren anhand bislang gesperrter Ermittlungsakten. Petra Cichos, Autorin des Werkes, stand Alles Münster Rede und Antwort.

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In Ihrem Verlag Cichos Press veröffentlichen Sie Aktensammlungen zu berühmten Mordfällen. Wie sind Sie dazu gekommen?

Eigentlich habe ich Museologie, also Museumskunde, studiert, mich aber immer schon für Journalismus und historische Ereignisse interessiert – besonders für historische Kriminalfälle. Deshalb bin ich auch Gerichtsreporterin geworden. Eine authentischere Berichterstattung gibt es nicht. Genauso verhält es sich mit alten Akten zu den Fällen, zu denen ich publiziert habe. Sie sind absolut authentisch und bieten eine objektive Schlüssellochperspektive in die damalige Zeit und in den jeweiligen Mordfall.

Münsters berühmtester Mordfall Maria Rohrbach beschäftigt bis heute die Gemüter. Was fasziniert Sie an diesem Fall?

Maria Rohrbachs Fall von 1957 ist ein angeblicher Justizirrtum. Im ersten Prozess wurde sie verurteilt, weil sie ihren Mann vergiftet und zerstückelt haben soll. Im zweiten Prozess wurde sie freigesprochen, weil die Thallium-Gifttheorie widerlegt wurde und der Schädel, dessen Fehlen für das erste Urteil eine wichtige Rolle spielte, wieder aufgetaucht ist. Ich wollte natürlich wie viele andere wissen, ob Maria nun wirklich Opfer oder doch Mörderin war und wer sonst der Mörder hätte sein können.

Dass sich das alles so im beschaulichen Münster zugetragen haben soll, erinnert eher an eine Folge des berühmten TV-Kommissars Wilsberg …

Das stimmt. Und genau das macht ja die Faszination dieses Falles aus, erst recht, wenn man die original Ermittlungsakten dazu liest: Die echten Verhöre mit Maria Rohrbach, die Zeugenaussagen, die unterschiedlichen Gutachten, das erste Urteil, das zweite Urteil. Wer war eigentlich das Opfer genau? Wie war Hermann Rohrbach als Mensch? Wie verlief die Rohrbach-Ehe wirklich? Warum wurde er umgebracht? Und dann auch noch so grausam? Was für ein Motiv hätte Maria Rohrbach – oder jemand anderes – gehabt? Als Lesende befinde ich mich praktisch im Ermittlungsteam. Und das macht es erst recht spannend!

Wenn man die Verhörprotokolle von Maria Rohrbach liest, war sie wohl das, was man unter einer schwierigen Persönlichkeit versteht.

Auch das stimmt. Sie geriet ja recht schnell in den Fokus der Ermittler. Auch weil sie damals neben ihrer Ehe noch einen Liebhaber hatte, einen englischen Soldaten, und schon einmal wegen Betruges angeklagt worden war. Zeugenaussagen belegen, dass sie sich außerdem oft mit ihrem Mann stritt, kein Blatt vor dem Mund nahm und auch gegenüber den vernehmenden Beamten oft leicht reizbar und launisch auftrat. Andererseits ist letzteres durchaus nachvollziehbar – schließlich reagiert wohl kaum jemand gelassen, wenn er des Mordes beschuldigt wird.

Über den Mordfall Maria Rohrbach wurde ja schon viel berichtet. Trotzdem haben Sie ein neues Buch darüber geschrieben …

Weil die kompletten Akten noch nie ausgewertet wurden! Archive müssen sich an bestimmte Sperrfristen halten. Die zeitgenössischen Journalisten hatten daher keine Möglichkeit, das Material wirklich umfassend auszuwerten. Es handelt sich um fast 100 Akten mit jeweils bis zu 400 Blättern. Es erfordert viel Zeit, Konzentration und Aufwand, dieses kompakte Aktenmaterial in einem 306-Seiten-Buch wiederzugeben, ohne wichtige Details auszulassen. Ich selbst halte mich als Autorin dabei völlig zurück und bewerte in keiner Weise den Inhalt der Akten, den ich wiedergebe.

Dann haben Sie also auch in Münster vor Ort recherchiert?

Ja, ich war monatelang im Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen in Münster. Mein Anliegen war es, dieses konkrete Aktenmaterial auszuwerten, so dass sich die Lesenden mittels dieser Justiz-Akten selbst ein Urteil bilden können. Eigene, zusätzliche Recherchen würden die Objektivität zerstören. Jede Seite in meinem Buch basiert auf echtem Dokumentenmaterial. Weitere Quellen habe ich bewusst nicht mit einbezogen.

Die Journalistin Petra Cichos recherchierte im Landesarchiv Münster für ihr Buch. (Bild: Cichos)
Die Journalistin Petra Cichos recherchierte im Landesarchiv Münster für ihr Buch. (Bild: Cichos)

Bietet Ihre Vorgehensweise denn neue Erkenntnisse?

Oh ja! Besonders, was die Persönlichkeit Maria Rohrbachs betrifft, aber auch wer Hermann Rohrbach nun wirklich war oder wie die Ehe sich tatsächlich gestaltet hat. Oder all die Aussagen der Zeugen und Nachbarn. Der Stoff bietet viele Aha-Erlebnisse beim Lesen! Natürlich erfährt man auch etwas über die weiteren Ermittlungen nach dem Freispruch von Maria Rohrbach. Denn wenn es Maria Rohrbach nicht war, wer hat Hermann Rohrbach dann ermordet?

Kommt eventuell jemand aus den Verhören als Täter in Frage? Oder war es vielleicht eine Person, die überhaupt nicht befragt wurde?

Nun, diese Einschätzung überlasse ich den Lesenden. In der Richtung der weiteren Personen könnte man sicher auch noch weiter recherchieren. Besonders nach Maria Rohrbachs Freispruch wurden zahlreiche Menschen nochmals oder ganz neu verhört, das ist sehr spannend . Nach der langen Zeit ist es aber sicher schwer, noch neue Erkenntnisse zu erlangen. Und es ist ja nicht so, dass die Ermittler den Fall damals auf die leichte Schulter genommen haben – ganz im Gegenteil. Es war und ist einfach ein verzwickter Fall. Außerdem darf man nicht vergessen, dass es zur damaligen Zeit noch nicht die forensischen Möglichkeiten der heutigen Zeit gab.

Hätte man den Fall heute aufklären können?

Das wäre sicherlich zumindest einfacher gewesen. Das fängt ja schon bei den Kommunikationsmitteln an. Hätten Maria Rohrbach und andere Personen ein Handy gehabt, wären Verbindungsnachweise möglich, Standortermittlungen, SMS-Protokolle und mehr. Dann gäbe es konkretere Blutspurennachweise, DNA-Nachweise, vielleicht auch eine genauere Todeszeitpunktbestimmung. Kameras in Bussen und auf öffentlichen Plätzen könnten zusätzliche Indizien liefern, wenn geklärt werden sollte, wo sich Maria Rohrbach genau wann befand. Auch wären konkretere Alibis der anderen möglichen Verdächtigen denkbar. Nein, die Ermittler hatten es damals nicht leicht.

War Maria Rohrbach nun ein Justizopfer oder war sie komplett unschuldig?

Das ist schwer zu sagen. Es war ja nicht so, dass die damalige Justiz in Münster geschlampt hätte – im Gegenteil. So ein Einblick in die Akten zeigt auch auf, wie mühselig Ermittlungsarbeit damals war und, nebenbei bemerkt, auch heute noch ist. Davon erfährt die Presse zeitnah ja nie etwas, denn Ermittler geben keine Interviews. So fallen viele Details bei der Berichterstattungen unter den Tisch. Dafür kann natürlich die Presse nichts. Aber genau auch deshalb finde ich die Originalakten so wichtig und interessant. Ich hoffe, die Leser meines Buches sehen das genauso.

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