Ich krieg die Motten! In der neuen Folge unserer Kolumne „Hausfrau & Mutter, berufstätig“ setzt unsere Autorin Iris Brandewiede ihr Karma aufs Spiel

EIGENTLICH hatte sie sich nur aufs Proben mit der komplettierten Band gefreut… (Foto: REIF)

Heute ist es wieder einmal an der Zeit, kleine Einblicke ins Persönliche zu gewähren. Als Geschichtenerzählerin verarbeite ich ständig eigene Erlebnisse. Wer das liest, heißt es, erkenne sich schmunzelnd selbst, wundere sich mit mir oder gehe gespannt den Ermittlungen nach. Was der seelischen Bewältigung nicht so leicht zugänglich ist, findet früher oder später einen musikalischen Widerhall in Texten und Songs meiner Band REIF.

Gesellschaftlichen Tabus zum Trotz habe ich etwa vor Jahren den Befall unseres Haushaltes mit einer Jahrmillionen alten Spezies geoutet, welche bis heute keine Lobby aufbauen konnte. Hier der Beweis:

Bei mir im Parkett lebt ein leises Ballett – ich fasse das ungern in Worte –
gleich neben meinem Bett, von winzig bis fett, doch alle von der gleichen Sorte.
Da! Ein blitzschnelles Wesen flieht vor meinem Besen, es will mich terrorisieren!
Es huscht mir was vor, mein Haar steht empor und ich fange spontan an zu frieren.

Ehrlich: Es ging nie um aggressives Verdrängen, niemals habe ich homo sapiens sapiens überbewertet, stets war ich an gegenseitigem Respekt und friedlicher Koexistenz interessiert:

So’n silberner Fisch kommt mir nicht auf den Tisch –
leben und leben lassen, wir müssen uns nicht hassen!
Ich lass ihnen die Nacht, das ist abgemacht –
ich will sie nur nicht sehen: Bei Tag müssen sie gehn!

Mission erfüllt, das Thema trat für Jahre in den Hintergrund. Bis jetzt.

Hurra, die Band ist wieder komplett! Jürgen, rüstiger Rentner nimmt den vakanten Platz an der Rhythmusgitarre ein! Er hat sich anhand eines Sammelsuriums unordentlicher Notenblätter sowie archivierter Audio-Aufnahmen bereits in das halbe Programm für den Auftritt eingearbeitet! Jetzt will er mehr. Wir können unser Glück kaum fassen.

Ein Königreich für einen REIFen Gitarristen! (Foto: privat)

Euphorisch katapultiere ich die Band-Mitglieder aus dem Dornröschenschlaf:
WIR PROBEN!!!!
Binnen weniger Tage finden wir einen Termin. Kaum haben der Liebste und ich das fröhlich beklatscht, folgt der Schreck:
WIR MÜSSEN PUTZEN!!!
Ich starte die Vorbereitungen im Wohngeschoss, denn zur Probe gehört logischerweise der Klönschnack mit Käffchen und Keksen. Der Liebste wagt sich in die Katakomben des Untergeschosses, unseren Proberaum.

Eine gefühlte Pandemie ist es her, seit wir hier dichtgedrängt in einem Wald aus Notenpulten und Mikrofonstativen musizierten. Unser Sicherheitsbeauftragter führt derweil am Boden kauernd ein Kabel unter dem alten Teppich hindurch Richtung Mischpult. Auf die Publicity „Gitarrist bei Solo in Notenständer gestürzt – fünf Monate spielunfähig“ können wir gut verzichten!

Beim Eintreten in den schummrigen Raum, wo der Liebste eifrig stöpselt, überfluten mich nostalgische Gefühle und Aufbruchstimmung.

In den magischen Moment mischt sich eine vage Irritation. Je ruhiger ich stehe, desto besser nehme ich es wahr. Ich fühle mich wie der Junge aus den „Peanuts“-Comics, dessen Kopf stets von einer Staubwolke umgeben ist. Der Liebste ist umschwirrt wie eine Laterne bei Nacht. Fakt ist: Eine Sippe flugfähiger Insekten hat in wenigen Monaten den abgeschiedensten Raum unserer Hausgemeinschaft in Beschlag genommen!

Expedition ins Tierreich, Kapitel Fluginsekten. (Foto: Pixabay)

Umgehend nehme ich die Ermittlungen auf. Die Kurzfassung: Brutstätte und Schlaraffenland der Gemeinen Kleidermotte (lat. tineola bisselliella), ist ausgerechnet der schalldämpfende Woll-Teppich, Kernstück unseres Sicherheitskonzeptes. Er muss gehen, ebenso wie alle seine Bewohner in allen Entwicklungsstadien vom Ei über die Puppe bis hin zum fliegenden Phänotyp.

Um die Kater und unser Karma nicht allzu sehr zu gefährden, setzen wir auf Vergrämen statt Vergiften. Beim Proben sind wir umgeben von Duftsäckchen und Pheromonfallen. Sicherheitskonzept und Schalldämpfung pausieren.
Doch einige Male muss ich zum letzten Mittel greifen.
Ich krieg sie, die Motten. Die meisten erlege ich mit dem ABBA-Songbook.

 

Die Band REIF spielt am Samstag, den 25.11.2023 um 20 Uhr in der Zukunftswerkstatt Kreuzviertel e.V., Schulstraße 45, 48149 Münster. Der Erlös der freiwilligen Hutkasse geht an Ärzte ohne Grenzen.

Weitere Infos: 
auf Instagram unter @reif_musik
auf der Homepage https://reifstyle.net
und in der Bürgerfunksendung "Easy Listening" auf NRWision https://www.nrwision.de/mediathek/easy-listening-reif-band-aus-muenster-220302/

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