Bilokale Ommas mit ihren Kochkünsten („Gleichzeitig im Wohnzimmer und in der Küche, wo sie in 48 Töpfen auf 4 Herdplatten rühren“). Feiste Tanten in engen Acrylpullovern („Die werden da reingepresst wie Tannenbäume in die Netze“). Und Ehemänner, die sich durch die entlegensten Ecken ihres Hauses wühlen, um herauszufinden, was sie von ihren Frauen geschenkt bekommen werden. Herrlich lebendig beschrieb Frank Goosen das Personal in seinen Geschichten, in denen es mehr oder weniger weihnachtlich zuging.
Schließlich hieß das Motto seiner Lesung im Bürgerzentrum Kinderhaus „Woanders is auch Weihnachten – Krippenblues reloaded“. Reloaded, also wieder aufgeladen, weil er schon vor etlichen Jahren mit einem ähnlichen Programm auf Tour war. Aber was macht das schon, seine Bücher und seine Lesungen leben doch sowieso davon, dass er alltäglich klingende Geschichten neu auflädt und immer weiter überspitzt.
An das Thema Weihnachten tastete Frank Goosen sich langsam heran. Schließlich fängt die Vorweihnachtszeit immer früher an und rückt mit dem Einräumen von Spekulatius und Lebkuchen in die Supermarktregale inzwischen schon in Richtung Spätsommer. Für den Autor aus Bochum geht es aber erst mit der Umstellung der Uhren auf die Winterzeit so richtig los. Die folgenden Wochen hat er für sich in Etappen eingeteilt, die vor allem von Sankt Martin und Totensonntag geprägt werden. Für jeden dieser besonderen Tage erzählte er nun eine witzige Geschichte – und das ist wirklich wörtlich zu nehmen. Eine Lesung mit Frank Goosen bedeutet nämlich nicht nur, dass er einfach ein paar Szenen und Geschichten aus seinen inzwischen doch recht zahlreichen Büchern vorliest. Viele davon erzählte er am Dienstag Abend so frei von der Bühne weg, als würde er mit uns Zuschauern am Stammtisch sitzen. Er sparte dabei auch nicht mit passender Mimik und Gestik, natürlich nur soweit es zu einem echten Westfalen passt.
Was alle von ihm hören wollten und auch zu hören bekamen, ist der Sound des Ruhrgebiets. Omma ruft an: „Hömma!“ – Frank: „Muss ich, is Telefon.“ – Omma: „Ich muss nachm Fritthoff, nach Oppas Grapp“ – so begann die launige Schilderung vom Totensonntag auf dem Friedhof. Dabei machte es ihm offensichtlich Spaß, in den sprachlichen Besonderheiten herumzuwühlen oder die Szenen am Grab mit ausladenden Gesten nachzuspielen. Dabei klebte er nicht am Ruhrpott-Idiom, sondern bildete gelegentlich sogar opulente Satzkonstruktionen. Schließlich hat der inzwischen 50-Jährige in seinen jungen Jahren mal studiert. „Ich finde, wer solche Sätze baut, der braucht keine Haare,“ kokettierte er gleich darauf mit seinen Formulierungskünsten – und mit seinem Aussehen.
Er kann sich aber auch aufregen, zum Beispiel über Weihnachsdekoration. „Es gibt immer noch keine Bürgerinitiative gegen alberne Lichtertreppen in den Fenstern“, so begann er eine längere Klage über die allseits bekannten Auswüchse. Aufregen konnte er sich offenbar auch Jahre später noch über seine Erfahrungen als jobbender Student beim Geschenke einpacken im Buchhandel. Weniger über das bunte Packpapier, das seine Augen belastete, viel mehr über dreiste Kunden: „Da kommen zur Weihnachtszeit Menschen in die Buchhandlungen, die sonst höchstens die Beipackzettel ihrer Psychopharmaka lesen“. Für diesen Satz hätte sich schon mal nach einer Lesung ein Buchhändler mit anerkennendem, stummen Händedruck bei ihm bedankt, sagte er, und spielte diese Szene nach.
Immer weiter näherten sich die Erzählungen dem Heiligabend. Manche stammten aus seinem Weihnachtsbuch „Sechs silberne Saiten“, eine andere aus seinem neuestem Roman „Förster, mein Förster“, das erst Anfang diesen Jahres herausgekommen ist. An diesem Buch hat er immer noch so viel Spaß, dass er den Hauptfiguren ein paar Extra-Geschichten gönnt. „Spin Offs“ nannte er sie, als wäre es eine amerikanische Fernsehserie. In einer dieser Extra-Storys diskutierten „Harte Jungs“, also sich eigentlich cool findende Endvierziger, über einzelne Szenen aus dem Video zu „Last Christmas“ von Wham. Am Ende ging es um all die kleinen Katastrophen, die an den Weihnachtsfeiertagen möglich sind. Um das Schmücken des Tannenbaums als Aufgabe für echte Männer oder um falsche Geschenke, wie ein gelber Pullover à la Genscher („Soll ich mich etwa in Gelsenkirchen auf den Marktplatz stellen und rufen: Sie dürfen ausreisen?“). Und natürlich um das traditionelle Essen („Bei uns heißt das nicht Rouladen, sondern Rollladen, mit drei L“), wenn da bloß nicht immer der Rosenkohl dabei wäre („Wie sachte schon der Vatter: Nää, wenn dat Auge sich schon weigert!“).
„Kinder, jetzt ist Weihnachten. Habt euch alle lieb – aber macht hinterher wieder sauber!“, bevor er den launigen Abend mit diesem schönen Satz von seiner Omma abschloss, wies Frank Goosen noch auf seine Homepage hin, wo er seit einiger Zeit einen Blog schreibt. Der lässt sich zudem über seinen Facebook-Auftritt erreichen, manchmal auch als Kolumne über den „Kicker“. Und wo wir schon mal beim Fußball sind: als Aufsichtsratsmitglied vom VfL Bochum würde er sich freuen, wenn seine Mannschaft mal wieder regelmäßig gegen den SC Preußen Münster spielen könnte, „aber ohne dafür abzusteigen!“ Wenn das mal kein Ansporn ist.
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