Flurstücke 019: Auftakt mit Kreaturen und Tanzakrobatik Das Internationale Festival für Theater, Tanz, Film und Performance im Stadtraum lockte am Donnerstag viele Kunstbegeisterte in die Innenstadt

(Foto: Michael Bührke)
(Foto: Michael Bührke)

Gestern begannen die Flurstücke 019, die dritte Ausgabe dieses „Internationalen Festivals für Theater, Tanz, Film und Performance im Stadtraum Münster“ – und sie lockte viele Kunstbegeisterte in die Innenstadt. Die erlebten so manches erbauliche oder unterhaltsame Spektakel. Einige Performances waren aber zumindest auf den ersten Blick rätselhaft, verstörend oder verwirrend. Bis Sonntag gibt es noch drei Tage lang die Gelegenheit, sie zu erleben – aber keine Garantie, sie alle zu verstehen.

„Die Flurstücke sind alles andere als eine trockene Sache,“ versprach Oberbürgermeister Markus Lewe bei der offiziellen Eröffnung auf dem winzigen Balkon vor seinem Dienstzimmer. Damit meinte er natürlich nicht nur die Regentropfen, die beim Publikum gerade für etwas Erfrischung sorgten. Sondern vielmehr das spektakelhafte, das vielen Inszenierungen anhaftet. Schließlich ist das Theater Titanick genau dafür berühmt, und ohne diese Truppe aus Münster wäre das Festival wohl nie entstanden. Sie setzte gestern zusammen mit der Gruppe Bodytalk schon mal ein Ausrufezeichen, mit dem Auftritt der „Creatures“ auf dem Prinzipalmarkt. Eine Kutsche brachte die mit ockerfarbener Lehmkruste bedeckten Gestalten in Münsters „Gute Stube“, wo sie sich über das Pflaster wälzten und an die mittelalterlichen Säulen der Kaufmannshäuser schmiegten.

Der Tross der kunstbegeisterten Zuschauer folgte den Figuren, die ein wenig wie Zombies wirkten, zum Lambertibrunnen und durch die Stadt, wie die Kinder aus Hameln dem Rattenfänger. Dabei querten und behinderten sie die zahlreichen farbentragenden Besucher, die zum Festgottesdienst der katholischen Burschenschaften in die Lambertikirche gehen wollten. Ob es von den Machern so gewollt war, dass sie dadurch als Gegendemonstranten wahrgenommen wurden? Wer weiß. Bei den nächsten Aufführungen am Freitag (ab 18:00 Uhr) und Samstag (ab 16:00 Uhr) wird zumindest dies ganz anders sein.

Die Gruppen Motionhouse und NoFit State Circus begeisterten das Publikum mit ihrem akrobatisch getanzten Stück "Block". (Foto: Thomas Hölscher)
Die Gruppen Motionhouse und NoFit State Circus begeisterten das Publikum mit ihrem akrobatisch getanzten Stück „Block“. (Foto: Thomas Hölscher)

Beeindruckt war das Publikum der Eröffnungsfeier vor allem vom akrobatischen Tanztheater der britischen Gruppen Motionhouse und NoFit State Circus. Ihr Stück „Block“ schildert laut Programmheft das Leben in der Stadt. Es war aber viel mehr, es zeigte in einer Dreiviertelstunde die Entwicklung der Menschheit vom Höhlenbewohner bis zum Baumeister einers Hochhauses. Dafür stellten die jungen Tänzer immer wieder ihre großen, grauen Blöcke um, sie kletterten und tanzten, trugen und schleuderten sich gegenseitig durch die Luft, dass es eine wahre Freude war, ihnen zuzusehen. Die Gelegenheit dazu gibt es noch ein paar Mal: am Freitag um 15:00 und 19:30 Uhr im Rathausinnenhof, am Samstag ab 12:00 Uhr auf dem Hamannplatz in Coerde und um 19:00 Uhr an den Aaseeterrassen.

Dort sollte während der vier Festivaltage eigentlich das „Institut für unvorhergesehene Zusammenarbeit“ entstehen. Doch das musste offenbar umziehen, und zwar auf die von den Flohmärkten bekannte Wiese unweit des Stadtbads Mitte, wo einst der Lindenhof stand. Oder hatten das ihre Urheber, das Künstlerduo Gintersdorfer/Klaßen, es schon von vornherein so vorgesehen? Angeblich soll in ihrem Pavillon eine fiktive Begegnung der Bauhaus-Direktoren Hannes Meyer und Josef Albers 1942 im mexikanischen Exil dargestellt werden. Oder geht es, wie auch schon bei den Theater-Performances dieses Duos bei den SkulpturProjekten 2017 im Pumpenhaus, um das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen? Es scheint auf jeden Fall ein fortlaufender Prozess zu sein, bei dem das Publikum damit rechnen muss, Teil der Inszenierung zu werden.

Viele weitere reizvolle Inszenierungen locken bis Sonntag nicht nur in die Innenstadt, sondern auch an den Hafen und an den Aasee, ins Hansaviertel, nach Coerde und ins Preußenstadion. Dabei ist zu hoffen, dass der „Punch Agathe Muenster Mash“ in den nächsten Tagen etwas actionreicher ausfällt, als bei der Eröffnung, wo die riesige Puppe sich lediglich in der oberen Etage der „Beamtenlaufbahn“ zwischen Stadweinhaus und Stadthaus I räkelte.

Das Festivalzentrum ist übrigens am Alten Steinweg 47 zu finden, gegenüber der Stadtbücherei. Dort starten einige Inszenierungen, wie die Performance „Walking The Line“, bei der die Besucher mit speziellen Brillen ausgestattet in einer Polonaise durch die Stadt ziehen. Und hier lädt die Initiative moNOkultur, das Bündnis der freien Kustszene Münsters, täglich zur „Kunstpause“ ein. Hier ist auch das Programmheft zu bekommen, das um einiges übersichtlicher ist, als der Online-Auftritt unter www.flurstuecke.com.

 

Noch mehr Bilder von der Eröffnung der Flurstücke 019 am Donnerstag findet ihr in unserer Fotostrecke:

Fotostrecke: Flurstücke 019 (20.06.19)

 

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