Energiesystemmodellierung: Stadtviertel energetisch optimieren Studierende von Prof. Dr. Peter Vennemann finden die beste Kombination von Energietechnologien für große Liegenschaften

Hier ein Fernwärmenetz, dort ein Batteriespeicher: Anhand genauer Karten und Grafiken sind die Ergebnisse der Energiesystemmodellierung für den Endkunden genau nachzuvollziehen. (Foto: FH Münster/Maxi Krähling)

Der Strom kommt von der Photovoltaikanlage auf dem Dach, dazu passend beheizt eine Wärmepumpe das Haus. Gut, dass Energie-Profis genau sagen können, welche Kombination von Technologien für das eigene Zuhause das meiste Sparpotenzial bietet und am nachhaltigsten ist. Solche Energiekonzepte für einzelne Gebäude zu entwickeln, stellt Ingenieur*innen der Energietechnik vor nicht allzu große Schwierigkeiten. Ganz anders sieht es bei ganzen Stadtvierteln oder Quartieren aus. Hier schafft ein Projekt der FH Münster Abhilfe, Energiesystemmodellierung.

Das Forscherteam von Prof. Dr. Peter Vennemann vom Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt hat eine Methode entwickelt, die Ordnung in das Chaos der Energie-Daten eines ganzen Wohngebiets bringt: Sie ermittelt die optimale Kombination an Energieversorgungsoptionen. „Fernwärme, Batteriespeicher, Wärmepumpen Photovoltaik und Solarthermie – das Problem ist, dass es so viele Möglichkeiten gibt Technologien zu kombinieren, dass es schnell unübersichtlich wird. Die Menge an Daten solch großer Quartiere sind für Planer*innen fast nicht zu handhaben“, erklärt Christian Klemm, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promovend.

Deshalb haben Vennemann und er sich mit zwei Studenten der Energietechnik daran gemacht, ein umfassendes Energiesystemmodell zu programmieren, das alle zur Verfügung stehenden Technologien vereint. Anhand von eingegebenen Daten eines ganzen Stadtviertels variiert das Programm die Technologien dann solange, bis das Minimum an möglichen Kosten oder Emissionen erreicht ist.

„Die Methode, um das zu berechnen, ist nicht neu, aber sehr aufwendig, weil viele Möglichkeiten durchgerechnet werden müssen“, sagt Klemm. Im Kern haben sie dazu auf Open Source-Bibliotheken aufgebaut. Das Energiesystemmodell bleibt somit auch für andere Nutzer*innen frei zugänglich. Spätere Anwender*innen sollen theoretisch nur noch Daten einpflegen müssen. Drei Jahre hat das Team mit dem Bachelorstudenten Gregor Becker und dem Masterstudenten Janik Budde daran gearbeitet und am Beispiel von Strünkede, einem Quartier der Stadt Herne mit über 1000 Gebäuden, das Energiesystemmodell aufgebaut.

„Zu Beginn des Projektes hatte ich sehr wenig Programmiererfahrung. Das war am Anfang eine große Hürde für mich. Aber mir hat das Programmier-Lernsystem ‚Leukipp‘ der FH Münster sehr geholfen. Ich habe schnell gemerkt wie viel effizienter die Arbeit durch Programmierung wird“, sagt Budde, der auch wissenschaftlicher Mitarbeiter ist. Trotzdem war mehr als das reine Programmieren nötig. „Ohne das Wissen der Energietechnik aus dem Studium wäre das nicht gegangen. Man muss die einzelnen Techniken schon kennen und wissen wie sie funktionieren, welche Förderung man etwa für eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage bekommt und auch wie man Kosten modelliert“, erklärt Klemm.

Heute kann das Energiesystemmodell Quartiere mit über 1000 Gebäuden energetisch optimieren. Der Auftraggeber bekommt dabei nicht nur ein finales Konzept vorgelegt, sondern kann sich in unterschiedlichen Grafiken und Karten die besten Kombinationen von Technologien anzeigen lassen. Individuell für die verschiedenen Bewohner*innen und Nutzer*innen eines Quartiers, lassen sich so installierte Leistungen und Kapazitäten einzelner Wärmeerzeuger, Stromerzeuger und Speicher, Lastgänge, Zahlungsreihen oder räumliche Darstellungen der Ergebnisse in offenen Geodatenformaten darstellen.

Für das Quartier Strünkede können sie so zum Beispiel sagen, in welchem Straßenzug sich ein Fernwärmenetz lohnen würde, welche Dächer für Photovoltaik geeignet sind oder welche Gebäude einen Energiespeicher bekommen sollten. Alles, um Kosten und Emissionen einzusparen. Für Strünkede heißt das konkret, dass über 50 Prozent der Emissionen reduziert und zeitgleich die Kosten um 20 Prozent gesenkt werden könnten – vorausgesetzt alle aufgeführten Energiekombinationen würden umgesetzt. „Wir bieten damit schon einen wirtschaftlichen Anreiz für Privatpersonen und klare Ziele für kommunale Entwickler“, sagt Becker.

„Wir merken jetzt schon, dass das relevant für die Praxis ist. Denn es kommen Stadtwerke oder Kommunen auf uns zu, die sich solch ein Energiekonzept wünschen“, sagt Vennemann. Deshalb setzt er weiter auf das Projekt, auf wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Studierende, die in Zukunft solche Energiekonzepte für Auftraggeber erstellen sollen. „So soll Hochschule sein. Es ist toll, wenn die Methoden, die in der Forschung entwickelt werden, direkt in die Lehre fließen und in der Praxis angewendet werden.“ Das Projekt der Energiesystemmodellierung wurde gefördert vom Forschungsprojekt „RessourcenPlan im Quartier“ (R2Q) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Zum Thema: Seit vielen Jahrzehnten sichern deutsche Unternehmen als Innovationstreiber den Wohlstand der Exportnation und setzen international Impulse für eine nachhaltigere Wertschöpfung. Bei einigen zentralen Zukunftstechnologien spielt Deutschland im globalen Wettbewerb allerdings inzwischen eine Nebenrolle. Es bedarf einer gesellschaftlichen Anstrengung, dies wieder zu ändern. Die FH Münster hat diese Herausforderung daher in ihrem aktuellen Hochschulentwicklungsplan adressiert. Als Hochschule für angewandte Wissenschaften will sie unter anderem mit ihren profilierten technischen Fachbereichen und Forschungsinstituten auch in den kommenden Jahren Beiträge leisten, die Attraktivität des Technologie- und Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken. Neben dem Jahresmotto Nachhaltigkeit stellt die FH Münster vom 14. bis einschließlich 25. März vielfältige Aktivitäten und Projekte im Themenfeld Zukunftstechnologien vor.

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