Ein Abend im Zeichen der (Hunde-)Liebe Martin Rütter entführte das Publikum in die Psyche ihrer Vierbeiner

Martin Rütter versetzt sich in die Lage des Hundes. (Foto: Claudia Feldmann)

Mittwochabend in der ausverkauften Halle Münsterland: Begleitet von Pyrotechnik und tosendem Applaus offenbart sich nicht nur der beliebte Tierpsychologe Martin Rütter, sondern auch sein Bühnenbild: Eine riesige Hunde-Statue und daneben der große leuchtende Schriftzug „Der will nur spielen“ – der Name der aktuellen Live-Tour.

„Heute ist Valentinstag und genau darum geht es im Zusammenleben mit einem Hund: Um Liebe“, beginnt Rütter seine Show. Untermalt wird dies mit roten Stoffherzen, die er ins Publikum schleudert. „Ich fühle mich gerade eher wie jemand, der Delphine trainiert.“

Doch dieser Mann lebt ganz und gar für den Hund. Und bei 25 Jahren Berufserfahrung summieren sich Geschichten, die nicht nur den Abend, sondern auch die Herzen füllen.

Wer ist hier eigentlich der Boss?
Ein paar Special Effects waren auch dabei. (Foto: Claudia Feldmann)

Komödiantisch, aber fachlich fundiert präsentiert er typische Szenen aus dem Alltag mit Hund, in denen sich wohl jeder Hundebesitzer wiedererkennt. Mal belustigt und mal beschämt über das eigene Scheitern im Kampf um den Chef-Posten zuhause. Tatsächlich sei Konsequenz aber das A und O, so Rütter. „Konsequenz hat nichts mit Härte zu tun, sondern mit Verlässlichkeit.“ Als Beispiel nennt er den Straßenverkehr: „Es gibt doch klare Regeln und das gibt uns allen Sicherheit. Man denkt doch auch nicht, die da an der Ampel sehen so süß aus, die lasse ich heute mal bei Rot gehen.“ Je klarer die Kommunikation, umso glücklicher der Hund. „Im Grunde zwingen wir die Hunde, bei uns zu leben. Bei keinem steht plötzlich ein Hund mit Rucksack vor der Tür.“ Aus diesem Grund sei es nur fair, dass der Mensch sich auf die Kommunikationsebene des Hundes begibt. Der größte Unterschied liege darin, dass der Hund zu 95% Körpersprache benutze. Man muss bei seinem  Tier  also genau hingucken.

Die Liebe zum Hund setzt unser Denken aus
Martin Rütter weiß, wovon er spricht. (Foto: Claudia Feldmann)

Neben wertvollen Tipps zu klassischen Erziehungsfehlern werden Hundebesitzer und -besitzerinnen natürlich auch durch den Kakao gezogen. „Wenn ich höre, dass Frauchen sagt, dass PAPA von der Arbeit kommt… das ist biologisch nicht möglich, das wisst Ihr schon, oder?“ Die Begrüßungszeremonie zwischen Herrchen und Hund eskaliere regelrecht zu einer „Volksfeststimmung im Flur“, bevor der Mann dann mit einem völlig unbeeindruckten „Hi“ an der Frau vorbeimarschiert. „Warum benehmen wir uns im Kontakt zu unserem Hund so bescheuert? Aus Liebe!“ Der Kampf zwischen Verstand und Gefühl beginne schon ganz am Anfang: Während Männer beim Kauf eines neuen Wagens 34 Testberichte lesen und etliche Probefahrten durchführen, gehen sie die Anschaffung eines Hundes eher leichtfertig an. Bei Frauen erlebe er zwar den guten Willen zur Recherche, doch verabschiede sich der Verstand in dem Moment, wo sich einer der Welpen auf ihren Schoß setze. „Der hat MICH ausgesucht, es ist Liebe!“ imitiert er die Frauen. „Die haben direkt Milcheinschuss. ZACK, gerade nochmal Mutter geworden. Da kommt man nicht mehr gegen an.“

Nicht alles ist zum Lachen

Bei all der Comedy liegt Rütter jedoch auch ein sehr ernstes Thema am Herzen: Der illegale Welpenhandel. Damals, als er 13 Jahre alt war, habe man Welpen über den QUELLE-Katalog bestellen können. Als Beweis blättert er die entsprechende Seite aus der Ausgabe von 1973 auf. Die Hunde seien damals in Kartons mit Luftlöchern gesteckt und verschickt worden. „Unvorstellbar, aber der heutige Welpenhandel ist noch viel grausamer!“ ermahnt Rütter. In seinem Job sei er auf zahlreiche unseriöse Züchter gestoßen, habe Welpen erlebt, die lange ohne Wasser oder Wärmequellen ausharren mussten. Bilder aus einer Massenzucht in Ungarn lassen die Lachmuskeln an diesem Abend kurzzeitig pausieren. „Die weiblichen Hunde haben im Alter von sechs Jahren schon zehn Würfe hinter sich – die können körperlich nicht mehr. Und dann lässt man sie verhungern und verdursten, weil sie unbrauchbar sind“, schildert Rütter das Leid.

Besonders eindringlich warnt er vor der „Welpenstube Winkel“ in Dorsten. „Ich weiß, Ihr habt einen lustigen Abend erwartet, aber wenn auch nur ein Teil von Euch das weitererzählt, kaufen vielleicht weniger dort ihre Hunde.“ Winkel bedrohe ihn, doch er lasse sich davon nicht zum Schweigen bringen.  Der Tierquälerei müsse entgegengewirkt werden.

Seriöse Züchter erkenne man übrigens daran, dass sie nur eine Rasse anbieten und die Welpen nicht unmittelbar beim ersten Besuch mitgeben. Sieht man dort außerdem auch ältere Hunde, sei das ein gutes Zeichen.

Zurück zu den Glücksgefühlen
Auf der Bühne stand eine riesige Hunde-Statue- (Foto: Claudia Feldmann)

So selbstverständlich wie Rütter den Bogen zur Schattenseite geschlagen hat, findet er auch den Weg zurück in die Endorphin-Ausschüttung. Die Beziehung zwischen Hund und Mensch sei geprägt von irrationaler Emotionalität. Für die Veranschaulichung wird das Publikum gebeten, sich vorzustellen, wie der geliebte Vierbeiner leise schnarchend in seinem Körbchen liegt. Ein entzücktes Seufzen raunt durch die Halle und der Verhaltensanalytiker hat die Menge dort, wo er sie haben wollte: „Aha! Aber wenn Ihr Mann nachts schnarcht, möchten Sie ihn am liebsten umbringen!“ Ertapptes Gelächter. „Tut nicht so empört. Jede Frau, die Hund und Mann hat, liebt den Hund mehr.“

Womit Rütter als überzeugter Hunde-Mensch gar nichts anfangen könne, seien – man ahnt es schon –  Katzen. „Wenn Du als Single-Frau in eine Bar gehst, einen Mann kennenlernst und der sagt, er habe zwei Katzen… dann triff Dich lieber mit Hannibal Lecter!“

Hunde können neben den eigenen komplexen Gefühlen auch die der Menschen wahrnehmen. Dass es Katzen an dieser Empathie fehle, skizziert Rütter an der Geschichte einer Bekannten: Diese habe nach einer langen Beziehung furchtbar unter dem Liebeskummer gelitten. „Ein Hund hätte geholfen, indem er aus dem Garten seinen Lieblings-Ochsenziemer ausgegraben und angeboten hätte. Leck mal dran, dann geht`s Dir besser! Doch Eva hat leider einen Kater, der arrogant oben auf seinem Kratzbaum thront und genervt guckt.“

Auch Welpen werden einmal alt

Diese wertvolle emotionale Bindung mache uns allerdings auch angreifbar. Rütter erzählt sichtlich bewegt von seiner längst verstorbenen Golden Retriever-Hündin Mina, die zunächst mit Hüftproblemen und schließlich im hohen Alter mit Demenz zu kämpfen hatte. „Alt werden gehört dazu. Sei dankbar, wenn Dein Hund alt wird. Er hat Dir sein ganzes Leben bedingungslose Liebe geschenkt und Dich nie hinterfragt – jetzt ist Paybacktime. Sorge dafür, dass er glücklich ist – bis zum Schluss.“

Und plötzlich sehen sich Rütter und das Publikum mit glänzenden Augen an und in diesem Moment ist sie deutlich spürbar: Diese besondere Liebe zwischen einem Hund und seinem Menschen.

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