Gemeinsam mit dem Trio Wildes Holz eröffneten die Zucchini Sistaz die Feierlichkeiten zum Jubiläum 15 Jahre Friedenskapelle mit einem furiosen Konzert. Das „Gemischte Doppel“ begeisterte das Publikum im ausverkauften Haus am Mittwoch auf ihre ganz eigene rasante, hochmusikalische und überaus unterhaltsame Art. Am Ende konnten alle feststellen, wie sehr Zucchini-Bassistin Jule Balandat mit ihren Worten zur Einleitung recht hatte: „Wenn Zucchini Sistaz auf Wildes Holz treffen, dann ist das eine Mischung aus Klassenfahrt und Abi-Ball“.
Das zeigte sich rein optisch schon an den Bühnenkostümen: die drei Damen der Zucchini Sistaz traten in grünen Kleidern auf, die ihnen eine Anmutung der 1920er Jahre verliehen, ganz zu schweigen vom jeweils individuellen, frühlingshaften Kopfputz. Die drei Herren von Wildes Holz erschienen dagegen ganz in schwarz, zusammen sahen die sechs Musiker tatsächlich ein wenig nach einem Ball der Abiturienten aus. Aber was dann auf der Bühne passierte, sprengte diesen Rahmen deutlich.
Dabei hatten die Zucchini Sistaz noch recht zahm und zurückhaltend begonnen, mit Klassikern der Swing-Musik wie „Night And Day“ oder „Caravan“. Mittendrin in dieser zunächst sanft schaukelnd dargebotenen Melodie von Duke Ellington betraten die Musiker von Wildes Holz die Bühne und stiegen ein – und schon wurden die ersten Funken entzündet. Denn nun gab es plötzlich zwei Gitarren und zwei Kontrabässe zu hören, was dem Ganzen deutlich mehr Wumms verlieh und viel Spielraum für Soli bot. Vor allem aber ließ Thomas Reisige in einem Duett mit Sinje Schnittker an der Trompete erahnen, zu welchen solistischen Höhenflügen sich eine Blockflöte eignen kann.
Schließlich ist die Mission der drei von Wildes Holz laut ihrer eigenen Homepage „die Befreiung der Blockflöte vom schäbigen Ruf eines Kinderspielzeugs“ – und das ist ihnen an diesem Abend wirklich gelungen! Sie lieferten einen Beleg nach dem anderen ab, in welcher musikalischen Bandbreite ein mit akustischer Gitarre, Kontrabass und Blockflöte eher ungewöhnlich besetztes Trio auftreten kann. Es bewegte sich bei ihnen munter hin und her zwischen Jazz, Pop und Klassik.
Schon ihr zweites Lied war eine Ansage: „Walk This Way“ klang bei ihnen erstmal mehr nach Run DMC als nach Aerosmith, dabei diente die Blockflöte vor allem als Rhythmusinstrument, bis es im Mittelteil kurz swingte, um dann in einem jazzigen Blockfötensolo zu ziemlich rockigem Rhythmus zu münden. Das Ergebnis wird demnächst so oder so ähnlich auf ihrer neuesten CD „Ungehobelt“ als „Walk This Holzway“ erscheinen. Die „Fantasie in C-Dur“ von Georg Philipp Telemann ist eigentlich ein barockes Solo-Stück für Flöte, hier wurde Thomas Reisige aber von seinen Kollegen Anto Karaula an der Gitarre und Markus Conrads am Kontrabass swingend begleitet. Bevor der Flötist in seiner Moderation danach ins Musikwissenschaftliche abdriften konnte, unterbrachen sie ihn aber brachial mit dem „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones. Ja, auch das funktionierte mit einer Blockflöte als Solo-Instrument anstelle der E-Gitarre. Ebenso wie der „Song 2“ gleich danach, der bei Wildes Holz fast noch mehr rockte als im Original der Band Blur.
Es wurde manchmal ungewöhnlich laut an diesem Abend. Da war manch einer froh, dass die Zucchini Sistaz hin und wieder ein paar ruhige Lieder einstreuten, wie den Dauerbrenner „Rum And Coca Cola“ oder ihre ganz besonders eigene, zauberhafte Version vom „Tanz der Moleküle“ der Berliner Band Mia, bei dem die schöne Singstimme von Sinje Schnittker endlich mal zur Geltung kommt. Natürlich folgte darauf gleich wieder viel Spektakel, wenn die Zucchini-Schwestern zusammen mit den Wilden Hölzern auf der Bühne standen. Da rannten Jule Balandat und Markus Conrads um einen Kontrabass herum, um sich beim fliegenden Wechsel ständig beim Spielen abzuwechseln. Da holten Tina Werzinger und Anto Karaula mit ihren Gitarren noch mehr Gipsy-Swing-Gefühl aus der „Radel-Hymne“, als ohnehin schon in dieser Eigenkomposition der Zucchini Sistaz drin ist. Dass die drei grünen Damen die Herren in schwarz allerdings einem nach dem anderen dazu bewegten, ein Lied zu singen, erregte hier und da doch etwas Mitleid. Schließlich erhielten sie dafür jeweils einen „Grünen Peter“. Umjubelt wurde sie dann alle, am meisten aber – nachdem die Mikrofonpanne überwunden war – Thomas Reisige mit dem „Ring Of Fire“ von Johnny Cash.
Vorher und in der Pause genoss das Publikum die mediterrane Stimmung rund um die farbig illuminierte Friedenskapelle – kein Wunder bei den nahezu sommerlichen Temperaturen. Gastgeber Tim Eberhardt gewährte bei seiner Einleitung noch einen kurzen Rückblick auf die fünfzehnjährige Geschichte dieses ungewöhnlichen Veranstaltungsortes. Als die ehmalige Garnisionskirche 2003 als Kulturort „wiedergeboren“ wurde, stand sie noch so gut wie allein auf weiter Flur, rundherum gab es kein einziges Gebäude. Seitdem konnten bis zu diesem 460. Konzert insgesamt 70.000 Besucher begrüßt werden. Ein paar weitere werden an diesem Jubiläumswochenende hinzukommen, beim zweiten Auftritt der Zucchini Sistaz mit Wildes Holz am Freitag, bei Klazz Brothers & Cuba Percussion am Samstag (jeweils ab 20 Uhr) und beim ersten Auftritt der Pianistin AyseDeniz Gökçin in Münster am Sonntag (ab 19 Uhr) mit ihrem Programm „From Rock to Classical“. Der ursprünglich für Donnerstag geplante Auftritt der A-cappella-Band Muttis Kinder musste leider auf den 11. Mai verschoben werden.
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