Der Protest gegen Rechts und die ParteienKommentar  Die Protestbewegung gegen Rechts ist eine zivilgesellschaftliche Bewegung, betont unser Gast-Kommentator Isaak Rose von der VVN-BdA Münster

Bei der Demonstration “Gegen Rassismus, rechte Hetze, Deportationen und AfD” auf dem Domplatz am 19.01.2024 konnte schon wenige Meter von der Bühne entfernt in der Menge aufgrund der vielen Parteiflaggen nicht mehr gesehen werden, wer gerade spricht. (Foto: Julius Gau)

Auf den aktuellen Protesten gegen die AfD und gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck findet sich ein breites Spektrum an Bürger*innen. Selten war sich eine Bewegung so einig: “Nie wieder” meint auch, sich der AfD überall entgegenzustellen. Wir müssen näher zusammenrücken und Solidarität neu lernen.

Währenddessen nutzen die Parteien das Momentum und positionieren sich gut sichtbar mit ihren Flaggen auf den Demonstrationen. Ebenso sind die Social Media-Kanäle überschwemmt mit dem wiedergefundenen Verständnis für Antifaschismus. Für Die Linke, Die Grünen und die SPD zahlt sich das aus. Alle drei können seit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche starken Mitgliederzuwachs vermelden. Anders sieht es bei CDU und FDP aus, die sich in ihren Grundsätzen nicht zum Antifaschismus bekennen und auch nicht von den Protesten profitieren. Alarmierend ist, dass die AfD trotz der Enthüllungen oder vielleicht gerade deswegen einen Mitglieder-Zuwachs verzeichnet.

Fakt ist auch, dass parteiübergreifend daran gearbeitet wird, Menschen abzuschieben. SPD-Kanzler Scholz ziert das Spiegel-Cover mit der Aufschrift “Wir müssen endlich im großen Stil abschieben”, Grünen-Chefin Lang möchte “mehr Abschiebungen ermöglichen”, FDP-Finanzminister Lindner verlangt “mehr Durchsetzungskraft” bei “Rückführungen” und CDU-Chef Merz hetzt bei jeder Gelegenheit und moniert faktenfrei von “Asylbewerber[n]”, die sich “die Zähne neu machen lassen”.

Das wirft die Frage auf, ob für denselben Zweck auf die Straße gegangen wird oder ob der Kampf der Parteien gegen die AfD vielmehr ein Kampf gegen den politischen Konkurrenten ist als gegen den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck.

Einige Veranstalter*innen der Demos bundesweit haben auch CDU-Politiker*innen zu Wort kommen lassen. So durfte Armin Laschet in Aachen sprechen und hat ein starkes Statement zum Zusammenhalt der demokratischen Parteien gehalten und dabei auch die reale Gefahr des Wiedererstarkens des Faschismus verdeutlicht. Solche Reden kommen zustande, wenn man den anständigen Teil der CDU reden lässt. Ganz außer Acht gelassen wird dann aber, dass auch zwei Personen mit CDU-Parteibuch beim Potsdamer-Treffen anwesend waren.

„Regierungsparteien und Opposition sollten lernen, sich in Demut zu üben“

Und außerdem, wenn CDU-Vertreter*innen von “demokratischen Parteien” sprechen, meinen sie explizit nicht Die Linke. Noch immer besteht der Unvereinbarkeitsbeschluss, in dem die CDU die AfD und die Linkspartei im selben Atemzug nennen. Umso mehr verwundert es, wie die CDU in Münster offenbar versucht, über die Westfälischen Nachrichten Druck auf das “Keinen Meter den Nazis”-Bündnis aufzubauen, sie sprechen zu lassen. Man gehe “davon aus, dass bei einem der nächsten Proteste auch CDU-Politiker auf dem Podium stehen werden”, wird Simone Wendland (MdL) zitiert.

Wie sich das vorgestellt wird, bleibt unklar. Soll Die Linke, die seit Jahren aktives Bündnismitglied ist, einfach schlucken und der Laune der CDU bei Gut-Wetter-Antifaschismus nachgeben? Was ist mit all den zivilgesellschaftlichen Gruppen, die im Bündnis sitzen und programmatisch der Arbeit der CDU diametral entgegenstehen?

Und wen würde sie schicken? Ratsherr Stefan Leschniok, der selbst Kontakte zum rechten Rand pflegt und auf Veranstaltungen von und mit rechten bis rechtsextremen Burschenschaften auftritt? Oder wäre die Rede eine Distanzierung von den rechtsextremen Umtrieben in der eigenen Partei? Wahrscheinlich leider nicht.

Regierungsparteien und Opposition sollten lernen, sich in Demut zu üben. Die Bewegung zu unterstützen, sie aber nicht instrumentalisieren. Wie jüngst in Berlin, als 150.000 Menschen auf die Straße gingen und die Parteien bewusst von der Bühne und dem Aufruf ausgeschlossen waren. Profiliert werden konnte sich dann trotzdem auf Social Media und das verbietet ihnen auch niemand.

Die Situation in Münster ist sicher eine andere, weil die antifaschistischen Parteien seit Jahren Teil des Bündnisses “Keinen Meter den Nazis” sind, das unersetzliche Arbeit leistet. Nicht erst, seitdem Zehntausende auf die Straße gegen Rechts gehen, sondern auch in der Vergangenheit als die Warnsignale noch nicht in aller Ohren waren. Sei es der Neonaziaufmarsch, die AfD-Treffen oder die Reichsbürgerbewegung. Keinen Meter heißt dort auch: Keinen Meter. Und das auch, falls die Proteste gegen Rechts wieder weniger Menschen erreichen.

Wer im Bündnis sprechen wird, kann in einer aktuellen Pressemitteilung nachgelesen werden:

“Vorrang haben bei diesem Auswahlprozess unsere Bündnisorganisationen und (zivil)gesellschaftliche Gruppen: Gewerkschaften, Integrationsrat, Jugendrat, Sozialverbände, antifaschistische Gruppen, … sowie Organisationen von Menschen, die von der AfD und anderen Rechten angegriffen werden: Queers, BIPoC, Trans*”. Ergänzend dazu heißt es: “Dabei darf dieses Ansinnen nicht zwischen die Mühlsteine (partei)politischer, anders gelagerter Interessen oder Vereinnahmungsversuche geraten.”

Richtig so. Wer sich mehr konservative oder wirtschaftsliberale Stimmen wünscht, kann das fordern. Dazu braucht es keine Parteivertreter*innen auf der Bühne. Und ehrlich gesprochen: Kaum wer, außer den Parteien selbst, möchte auf Demonstrationen Wahlempfehlungen erhalten. Einigkeit in der Sache ja, aber in Demut und Zurückhaltung in Anbetracht der eigenen Verantwortung als Regierungs- und Oppositionsparteien.

Ein Kommentar von Isaak Rose (Gastautor)

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