Das geht so nicht weiter! Landwirt aus Rinkerode suchte nach Alternativen zur Schweinezucht – Und fand die Lupine

Die getrockneten Lupinenbohnen werden auf dem Hof von Familie Voss gelagert, bis sie zu vor Ort zu Mehl verarbeitet werden. (Foto: Bührke)
Die getrockneten Lupinenbohnen werden auf dem Hof von Familie Voss gelagert, bis sie zu vor Ort zu Mehl verarbeitet werden. (Foto: Bührke)

Aus den Ställen dringt das Grunzen von Schweinen, im Hintergrund steht ein alter Speicher wie aus dem Bilderbuch und das Wohnhaus aus dem Jahr 1898 mit dem gepflegten Garten und der englischen Telefonzelle ist Münsterland-Idylle pur. Schwer vorstellbar, dass nach dem Gang durch den ehrwürdigen Backstein-Torbogen die Zukunft der Landwirtschaft möglicherweise direkt vor einem liegt.

Burkhard Voss ist Landwirt in zehnter Generation. Sein Hof in Rinkerode hat sich in den 1970er Jahren wie viele andere auf die Schweinezucht spezialisiert, doch 2010 wurde dem Landwirt klar, dass es so nicht weitergehen kann und suchte nach Alternativen. Über die Fischzucht kamen Voss und seine Frau Victoria irgendwann auf Mehlwürmer. Die Experimente mit alternativen Eiweißquellen hat Voss nicht dem Zufall oder ausschließlich seiner Experimentierfreudigkeit überlassen, bereits frühzeitig nahm er Kontakt zur Fachhochschule Münster auf, wo Prof. Dr. Guido Ritter vom Fachbereich Oecotrophologie sich des Themas annahm. Der Versuch, schmackhafte Insekten-Burger aus Mehlwürmern zu entwickeln scheiterte, allerdings nicht am Geschmack sondern an der Tatsache, dass alle bereits auf dem Markt erhältlichen Insekten-Burger viel Soja enthalten, „Soja wird international importiert, da war uns klar, da machen wir nicht!“

Familie Voss im Lupinenfeld. (Foto: Luise Richard)
Familie Voss im Lupinenfeld. (Foto: Luise Richard)

Ritter und Voss kamen zu dem Schluss, dass die Reise in Richtung Hülsenfrüchte am erfolgversprechenden sein dürfte, das war im Jahr 2018. Als Ergebnis einer studentischen Forschungsarbeit an Ritters Institut geriet schließlich die blaue Süßlupine seitens Proteingehalt, Verträglichkeit und weiterer Faktoren in den Fokus. „Ich habe sofort telefoniert um herauszufinden, wo ich genügend Saatmaterial für drei Hektar herbekomme“, erinnert sich der 50-Jährige. Nach der ersten Ernte ging es wieder ans Experimentieren. Im „food lab“ der FH stürzten sich die Studierenden auf die Produktentwicklung, „Es war mir immer wichtig, Convenience Produkte anzubieten“, berichtet Voss, also Produkte, die bereits soweit vorbereitet sind, dass sie vom Verbraucher nur noch erwärmt werden müssen. „Das Problem ist, pflanzliche Produkte zum Kleben zu bringen“, skizziert Voss eine der vielen Herausforderungen bei der Produktentwicklung.

Das Lupinenmehl dient als Grundlage für sehr unterschiedliche Produkte. (Foto: Bührke)
Das Lupinenmehl dient als Grundlage für sehr unterschiedliche Produkte. (Foto: Bührke)

Rund 38 Rezepte wurden erprobt, bis eine Handvoll übrig blieb. Diese müssen ja irgendwo produziert werden, und so kam Burkhard Voss auf die Feinkostfleischerei von Thomas Hidding in Nordwalde. „Es gab in seinem Geschäft immer häufiger Kunden, die für die Grillparty nicht nur Fleisch sondern auch vegetarische Produkte anfragten. Denen wollte er was Vernünftiges anbieten“, wie Burkhard Voss sich erinnert. Auch Nudeln gibt es aus Lupinenmehl made in Rinkerode, hergestellt werden sie in Münster bei „Leibundseele“. Bei Backprodukten kann rund ein Drittel des Mehls durch Lupinenmehl ersetzt werden, wie Voss erläutert. Wegen des hohen Proteingehalts sättigen die Speisen deutlich stärker als mit herkömmlichen Mehl.

Beim Blick auf die Eigenschaften der Lupine ist verwunderlich, dass es nicht wesentlich mehr Lupinenfelder gibt. Die Pflanze ist vergleichsweise pflegeleicht, benötigt keinen Dünger und kommt auch mit dem Klimawandel klar, was sie zu einem guten Kandidaten für die Landwirtschaft der Zukunft macht. „Problematisch kann es bei der Ernte werden, die Schoten platzen bei Wärme sofort auf, wenn sie reif sind“, berichtet Voss.

Bratlinge, Falafel, Hummus und weitere Produkte sind inzwischen neben purem Lupinenmehl und -schrot in den Geschäften zu finden. Verkauft werden sie in einem Radius von maximal 100 Kilometern. Aktuell sind Grillwürstchen in der Entwicklung, vor wenigen Tagen kam Lupinenkaffee auf den Markt, auch hier setzt Burkhard Voss auf lokale Experten, in diesem Fall auf den Kaffeeröster Sven Hasenklever von „Herr Hase“.

Äußerlich der Erbse ähnlich, ist die Bohne der Lupine deutlich verträglicher und enthält wesentlich mehr Protein. (Foto: Bührke)
Äußerlich der Erbse ähnlich, ist die Bohne der Lupine deutlich verträglicher und enthält wesentlich mehr Protein. (Foto: Bührke)

Für Burkhard Voss ist das Experimentieren mit neuen Anbauprodukten keine Spielerei, sondern die Überlebensstrategie für Deutschlands Landwirtschaft, „Wir müssen als Landwirte kleiner denken, die Massenproduktion wird zurückgehen. Die Frage ist nur, ob die Menschen in der Lage und bereit sind, für ihre Ernährung mehr Geld auszugeben.“ Die Landwirtschaft steht vor einer Zeitenwende, die ihr gut tun wird, da ist sich der Landwirt sicher, „Wir werden vor neuen Aufgaben stehen. Themen wie Biodiversität und Förderung der Artenvielfalt werden zunehmend wichtiger. Die Landwirtschaft wird eine Renaissance erleben, da bin ich mir sicher. Viele innovative Produkte werden auf den Markt kommen und vielleicht wird der Klimawandel auch mit sich bringen, dass wir neue Produkte in Deutschland anbauen können.

Burkhard und Victoria Voss mit diversen Lupinenprodukten. (Foto: Familie Voss)
Burkhard und Victoria Voss mit diversen Lupinenprodukten. (Foto: Familie Voss)

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