Menschen, bei denen eine Entwicklungsstörung wie Autismus diagnostiziert wird, leiden später häufig auch unter psychischen Erkrankungen. Diese treten begleitend zum Autismus auf, also komorbid. Der Leidensdruck von Betroffenen ist groß, und auch eine Psychotherapie hilft nur bedingt – denn dort finden die Belange von autistischen Menschen mit psychischen Erkrankungen zu wenig Berücksichtigung. Warum das so ist, welche Herausforderungen bestehen und wie Handlungsempfehlungen aussehen könnten, hat Rebecca Frese in ihrer Masterarbeit an der FH Münster untersucht. Dafür wurde die 28-Jährige mit einem Hochschulpreis ausgezeichnet, den die besten Absolvent*innen eines Jahrgangs erhalten – das sind gerade einmal ein Prozent.
„Ich interessiere mich für Autismus, seitdem ich in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet habe. Das hat sich in den darauffolgenden Jahren verstärkt – 2017/2018 durch die Arbeit im Autismus-Therapie-Zentrum und 2019 durch meine Tätigkeit in einer sozialpsychiatrischen Praxis“, sagte Frese. „Dort wurden Kinder und Jugendliche mit beispielsweise Autismus oder verschiedenen Erkrankungen behandelt.“ Schnell merkte sie, dass Autismus häufig mit psychischen Erkrankungen auftritt. „Hier besteht ein Zusammenhang, weil für Betroffene die Belastungen im zwischenmenschlichen Bereich höher und die Stressfaktoren erheblich sind.“ Viele Therapeut*innen seien aber nicht entsprechend ausgebildet, um möglichst schnell die passende Therapie anzubieten. Fachkräfte stärker zu sensibilisieren, sei ein Ziel ihrer Masterarbeit gewesen, so die FH-Absolventin. Deshalb habe sie Interviews mit erwachsenen autistischen Menschen und Mitarbeiter*innen zweier Autismus-Therapie-Zentren in Nordrhein-Westfalen geführt.
„Dadurch habe ich unter anderem herausgefunden, dass Betroffene in einer Autismus-Therapie grundsätzlich sehr gut aufgehoben sind, dass aber Therapeutinnen und Therapeuten die komorbiden psychischen Erkrankungen mehr in den Fokus rücken sollten, als das bislang passiert.“ Zu erkennen, dass Menschen mit Autismus häufig auch an psychischen Erkrankungen leiden, sei wichtig, um ihnen mit Verständnis zu begegnen. „Damit das gelingt, sollte vor allem in die Aus- und Fortbildung von Therapeutinnen und Therapeuten investiert werden“, so Frese. Generell habe sich in den letzten Jahren im Bereich Autismus viel geändert. „Das öffentliche Bild hat sich glücklicherweise gewandelt, Autismus ist heutzutage nicht nur ‚Rain Man‘“, verweist sie auf den Film.
Frese hat einen Bachelor-Studiengang in Heilpädagogik absolviert, anschließend im Autismus-Therapie-Zentrum sowie in einer sozialpsychiatrischen Praxis gearbeitet. Danach entschied sie sich für den weiterbildenden Master Clinical Casework am Fachbereich Sozialwesen der FH Münster – aus guten Gründen: „Im Studium musste ich zwei Vertiefungen wählen und möglich war auch Autismus. Für mich war das genau der Schwerpunkt, den ich gesucht hatte.“ Inzwischen befindet sich die 28-Jährige in einer Ausbildung zur Psychotherapeutin.
Zum Thema: Gerade einmal ein Prozent aller Absolvent*innen eines Jahrgangs erhält ihn: den Hochschulpreis. Jedes Jahr kürt das Präsidium gemeinsam mit der Gesellschaft der Freunde der FH Münster e. V. (gdf) auf Vorschlag der Fachbereiche die besten Abschlussarbeiten. Zu den Preisträger*innen des Hochschulpreises für die besten Arbeiten aus 2021 gehört auch Rebecca Frese vom Fachbereich Sozialwesen. Sie erhält den Preis für ihre Masterarbeit „Komorbide psychische Erkrankungen bei Erwachsenen in der Autismus-Therapie“. Eine vollständige Übersicht aller gewürdigten Absolvent*innen ist im Jahresbericht ab Seite 41 abrufbar: fh.ms/jahresbericht-21.
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