In den 1980er Jahren waren sie Sänger und Gitarrist bei Äni(x)Väx, die damals als skandalöseste Punkband Münsters galt. Am Freitag lieferten Adam Riese und Frank Naber die LP „Schock und Drama“ eigenhändig an Plattenläden in Münster aus, denn über 32 Jahre nach dem allerletzten Konzert der Band ist nun ihre erste eigene Vinyl-Schallplatte erschienen.
Äni(x)Väx waren weit über Münsters Punkszene hinaus bekannt und berüchtigt und bundesweit auf Tour. Und das, obwohl kaum jemand wusste, wie man den Bandnamen ausspricht. Änimälwäx nämlich. Der Name war ein Code für animal vaccination, wie sie uns heute verraten. Die Musik von Äni(x)Väx wurde auf fünf LP-Samplern und zahlreichen Kassetten veröffentlicht. So landeten ihre Lieder auch auf US-amerikanischen, australischen und sogar neuseeländischen Compilation-Tapes, und selbst das US-Musikmagazin „Maximum Rock‘n‘Roll“ soll die Münster-Punks gelobt haben. Aber zu einer eigenen Langspielplatte war es nie gekommen.
Nun liegt also das Werk mit dem Titel „Schock und Drama“ vor, dem ein aufwändig gestaltetes 20-seitiges Booklet beigelegt wurde. Mit alten Fotos, historischen Dokumenten, Songtexten und Liner Notes vom Sänger Adam Riese. Auf der Scheibe befinden sich Original-Aufnahmen aus den 1980er Jahren, insgesamt 13 Songs: Sechs Studio-Aufnahmen und sieben Live-Takes, mit Krach-Hits wie „Let’s wring the neck of Rock’n’Roll“, „Living Disaster“ oder „Tote werfen keine Schatten“.
Ich kam dafür ein wenig zu spät nach Münster, aber wer die wilden 80er hier erlebt hat, kann mit der Platte und dem Booklet in Erinnerungen an die legendär chaotischen Konzerte im Neuen Krug an der Weseler Straße oder im Odeon schwelgen. Und natürlich von denen in der Kronenburg an der Hammer Straße, wo heute das Wolters ist, „einem damaligen Kneipenkollektiv und Wohnhaus für linke Studenten, Hausbesetzer-Sympathisanten, Punks und andere ‚Bombenleger’“. Dort hatte die Band nämlich im Keller ihren Übungsraum, „für dessen Nutzung nie ein Pfennig bezahlt wurde“. Pöbeleien und Publikumsbeschimpfungen gehörten damals immer wieder dazu, eine legendäre Pizzaschlacht zwischen Band und Publikum soll auch auf der Schallplatte zu hören sein, natürlich bei der Live-Aufnahme von „Sex, Pizza, Rock’n’Roll“. Manche Konzerte endeten sogar mit Straßenschlachten. Aber als bei einem Konzert in ihrem Stammlokal Kronenburg einige auswärtige Punks auf offener Straße das Kneipenmobiliar zertrümmerten, wurde es auch den Jungs von Äni(x)Väx zu viel: sie verfassten darüber den Song „Pseudo-Hardcore“, der auch auf der neuen LP zu hören ist.
„Im Titelsong ‚Schock & Drama‘ wird ein damaliger Punklabel-Chef persönlich beleidigt. Unsere Anwälte haben uns davon abgeraten, das Stück nochmal zu veröffentlichen. Wir haben es trotzdem getan“, sagt Gitarrist Frank Naber verschmitzt, der sich kräftig über die Veröffentlichung freut. „Da wird ein Jugendtraum wahr. Endlich der ganze alte Stoff vereint auf einem Stück Vinyl. Wenn ich die Scheibe höre, werden bei jedem Song ganz viele Erinnerungen wach.“ Denn er hätte nie geglaubt, dass von Äni(x)Väx noch jemals etwas herauskommen wird. Etwas nüchterner schildert es der damalige Sänger Adam Riese: „Als ich die Platte das erste Mal aufgelegt habe, kam zufällig meine Frau nach Hause. Ihr Kommentar: ‚Was ist denn hier für ein Krach!?‘. Dann habe ich die Platte Nikola Materne, Gesangsdozentin an der Uni-Münster, vorgespielt. Ihr Kommentar zu meinen Sangeskünsten fiel diplomatisch aus: ‚Der Rhythmus stimmt.‘“
Die Langspielplatte erscheint auf dem PunkRock-Label „Power it Up“ aus dem niedersächsischen Peine. Für ihre Heimatstadt hat die Band ein besonderes Bonbon parat. Die spezielle Münster-Edition in rotem Vinyl gibt es in limitierter 100er-Auflage und nur direkt beim Label und in fünf ausgewählten Stores in Münster: Green Hell (Winkelstraße 10), Salamon (Windthorststr. 45), Extrabuch (Spiekerhof 23/24), Kernkrach Records (Hansaring 5) und Poptanke (Bremer Str. 27).
Und das machen die einstigen Punkrock-Helden von Äni(x)Väx heute: Sänger Adam Riese ist als Moderator der Adam Riese Show in Münster bekannt, Bassist Carsten Krystofiak als Autor und „Chefreporter“ der Ultimo. Gitarrist Frank Naber wirkt in Münster als Sozialarbeiter, Fast Gonzo ist in Berlin verschollen (so steht es tatsächlich in der Presse-Info). Die Band hatte drei Schlagzeuger: Zunächst Steve Jeske, der heute als Sanitärklempner in Borghorst lebt, dann Henk Hakker, der als Musikmanager in Köln Karriere machte, sowie schließlich den münsterschen Tontechniker und Mulitiinstrumentalisten Hirzel Hirzelnsen.
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