„Widerstandskollektiv“ löst Polizeieinsatz aus Nachfolgeorganisation der “Letzten Generation” protestiert bei “Westfalen AG”

Die Polizei wurde früh gerufen. Obwohl es zu keiner Eskalation kam, schickte die Wache zwei Wagen und ein Motorrad zur Unterstützung. (Foto: Isaak Rose)
Die Polizei wurde früh gerufen. Obwohl es zu keiner Eskalation kam, schickte die Wache zwei Wagen und ein Motorrad zur Unterstützung. (Foto: Isaak Rose)

Klimaaktivist*innen des “Widerstandskollektivs”, eine der beiden Nachfolgeorganisationen der “Letzten Generation”, haben am Montag vor der Geschäftsstelle der Westfalen AG einen Polizeieinsatz ausgelöst. Bei einem unangemeldeten Protest kam es zu Sprühereien wie “Westfalen Gas tötet” an der Glaswand und auf dem Boden vor der Tür.

Kurz konnte man meinen, es sei still geworden um die Aktivist*innen der ehemaligen “Letzten Generation”. Tatsächlich haben sich aber zwei Nachfolgegruppen gegründet: die “Neue Generation” und das “Widerstandskollektiv”. Letztere ist auch in Münster aktiv und verbreitet ihre aktuelle Protestaktion bereits auf ihrem lokalen Instagram-Account. Unzensiert in Farbe, statt orange in pink und nach kürzester Zeit mit über 100 Likes allein für die Aktion vor der Westfalen AG.

Pinke Warnwesten und Sprühereien

Doch was war passiert? Gegen 15:45 Uhr sammelte sich eine Gruppe von Menschen in pinken Westen vor der Geschäftsstelle der Westfalen AG im Industrieweg hinter dem Cineplex. Dann ging alles schnell: Während die einen das Vordach des Gebäudes erklommen, sprühten die anderen auf die Glasscheibe und auf den Boden. “Sauberes Gas – Dreckige Lüge! Stoppt Greenwashing” und “Gas tötet”. Hinzu kamen Plakate mit ähnlichen Aufschriften wie “Westfalen AG tötet” und “Onboarding 25.04 17 Uhr ESG”, wohl Werbung für ein Treffen der Gruppe, um neue Mitglieder zu gewinnen.

Westfalen AG als Ziel des Protests

In der Pressemitteilung heißt es, der Protest richte sich “gegen das Greenwashing des Konzerns”. Der 18-jährige Hannes Sommerkamp kritisiert die jährlichen “Millionengewinne” und das “Märchen des nachhaltigen Wasserstoffs”. Westfalen AG selbst gibt für das Jahr 2022 einen Rekordumsatz von 2,3 Milliarden an, während der Gewinn 70 Millionen Euro betragen habe. Auf Nachfrage, ob sich die Strategie der Gruppe geändert habe, erklärt Sommerkamp: “Wir […] werden vermehrt dort hingehen, wo unser Leben zerstört wird, also zu Konzernen wie Tesla, Shell oder Westfalen AG.”

Bei der grellen Farbe, die das "Widerstandskollektiv" nutzte, handelte es sich offenbar nicht um Graffitifarbe, sondern um leicht entfernbare Sprühkreide. (Foto: Isaak Rose)
Bei der grellen Farbe, die das „Widerstandskollektiv“ nutzte, handelte es sich offenbar nicht um Graffitifarbe, sondern um leicht entfernbare Sprühkreide. (Foto: Isaak Rose)

Die 27-jährige Larissa Grochowski ergänzt: “Ich kann als angehende Naturwissenschaftlerin nicht zusehen, wie Konzerne wie Westfalen AG die Zukunft unserer Lebensgrundlagen zerstören und damit noch Geld machen.” Und sie schließt mit den Worten: “Das kann ich nicht einfach so hinnehmen und deshalb werden wir das Gute Leben für alle direkt vor Ort umsetzen und gleichzeitig lokale tödliche Konzerne öffentlich entblößen!“

Die Westfalen AG erklärte auf Nachfrage der Redaktion, dass sie das erste Mal mit aktivistischen Protesten konfrontiert sei. Sie halte es für “richtig und wichtig, sich für mehr Klimaschutz zu engagieren” und erklärte sich für einen Austausch bereit. Ihr fehle zwar das Verständnis für Protest, bei dem “Vandalismus im Mittelpunkt” stehe, nehme die geäußerte Kritik aber ernst. Dem Unternehmen sei außerdem Schaden durch die Reinigungskosten entstanden. Zudem wurden von der Seite des Unternehmens Strafanzeige wegen Sachbeschädigung erstattet.

Sachbeschädigung mit Sprühkreide?

Die Polizei fasst sich auf Anfrage der Redaktion zu der Aktion kurz: Die Versammlung war nicht angemeldet, weshalb Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angefertigt wurde. Außerdem bestätigte sie Ermittlungen wegen der “Farbschmierereien”. Vor Ort wurden die Personalien der Anwesenden festgestellt und Platzverweise ausgestellt.

Ob Sachbeschädigung tatsächlich in Frage kommt, ist jedoch fraglich. Auch wenn die grellen Farben auf den ersten Blick beeindrucken, handelte es sich offenbar nur um Sprühkreide, die den Tatbestand einer “nicht nur vorübergehenden” Veränderung des Erscheinungsbildes, wie ihn Paragraf 303 des Strafgesetzbuches vorsieht, wohl nicht erfüllt. Die Aktivist*innen selbst entfernten noch vor Ort einige Schriftzüge ohne besondere Hilfsmittel.

Die Mitarbeiter*innen waren sichtlich irritiert und wussten nicht so recht, was zu tun ist. Immer wieder kamen jedoch einzelne Personen heraus um sich anzuschauen, was den Aufruf verursacht. (Foto: Isaak Rose)
Die Mitarbeiter*innen waren sichtlich irritiert und wussten nicht so recht, was zu tun ist. Immer wieder kamen jedoch einzelne Personen heraus um sich anzuschauen, was den Aufruhr verursacht. (Foto: Isaak Rose)
Widerstandskollektiv kündigt weitere Aktionen an

Sicherlich wird es nicht das letzte Mal sein, dass das „Widerstandskollektiv“ in Münster auffällt und die Polizei und Konzerne beschäftigt. In ihrer Pressemitteilung kündigen sie bereits “weitere Proteste an Orten der Ungerechtigkeiten durchzuführen und selbst Maßnahmen umzusetzen, die den Menschen in der Stadt ein besseres Leben ermöglichen.”

Spannend wird zu beobachten, wie die Stadtgesellschaft auf die neue Gruppe reagiert. Im Industrieweg jedenfalls war die Aktion vergleichsweise abgeschieden vom übrigen Stadtgeschehen. Eine Reaktion abseits der offenbar überforderten Mitarbeiter*innen und zahlreichen Polizist*innen gab es dennoch: Ein Fahrradfahrer begrüßte den Protest im Vorbeifahren mit einem Daumen nach oben.

Ein Kommentar

  1. Es ist schade, dass sich das „Widerstandskollektiv“ offenbar nicht intensiver mit der Westfalen AG auseinandergesetzt hat. Wer sich mit dem aktuellen Geschäftsbericht beschäftigt oder die Vision des Unternehmens kennt, weiß: Die Westfalen AG sieht sich durchaus selbst als Teil des Problems – und Teil der Lösung. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen seine CO₂-Emissionen deutlich gesenkt und investiert kontinuierlich Millionen in die Entwicklung und den Ausbau klimafreundlicherer Produkte, darunter emissionsärmere Alternativen zum Diesel und die Förderung der Elektromobilität…

    Statt auf Konfrontation und Sachbeschädigung zu setzen, hätte man in einen konstruktiven Dialog treten können. Die Westfalen AG engagiert sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial – mit Klimaschutzprogrammen, Forschungskooperationen und Bildungsinitiativen. Der Vorwurf des „Greenwashings“ greift hier zu kurz und verkennt die komplexe Realität der Transformation eines Industrieunternehmens in Richtung Nachhaltigkeit.

    Ja, es braucht Kritik. Ja, wir müssen schneller handeln. Aber nachhaltiger Fortschritt entsteht nicht durch plakative Aktionen, sondern durch Austausch, Transparenz – und gemeinsame Lösungen. Ein Angriff auf Unternehmen, die sich aktiv um eine Verbesserung bemühen, mag Aufmerksamkeit schaffen, löst aber kein Problem.

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