Seit über 30 Jahren ist DJ Tonka wichtiger Bestandteil der Clubkultur und House Szene. National wie auch international ist er ein gefragter Produzent und auch zahlreiche Remixe für namhafte Künstler stammen aus seiner Hand. Grund genug, seinen letzten Gig im Lilos für ein Gespräch zu nutzen.
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Moin Thomas! Schön, dich mal wieder in Münster zu sehen. Du bist ja seit Jahrzehnten, muss man schon sagen, gern gesehener Gast bei uns.
Ja, ich freue mich auch endlich mal wieder hier zu sein – früher war ich ja im Dockland schon fast eine Art Resident DJ. Die Partys in Münster sind immer sehr cool.
Genau. Lass uns die Zeit direkt mal etwas zurückdrehen, 25 Jahre um genau zu sein. Im Jahr 1998 hattest du mit „She Knows You“ (Platz 14 in den deutschen Charts) nicht nur DEN Sommerhit bei uns, sondern auch endlich international deinen wohlverdienten Durchbruch. Erzähl uns mal ein bisschen was zu der Entstehung der Platte.
Die Bassline zu „She Knows You“ ist mir damals im Bus eingefallen. Kein Witz! Ich weiß noch genau, wie ich nach Hause gerannt bin, um sie nicht zu vergessen. Die Bassline ist bis heute das tragende und auch zugleich das markanteste Element des Stückes, sozusagen die Leitmelodie. Zudem hatte ich die Idee, vom Groove her eher etwas Gerades, fast Tranciges zu produzieren. Euro House im besten Sinne. Das hatte ich quasi mit meinem ersten Solo-Projekt „Thomastic“ und der „Euro Style Tunes Vol. 1“ EP schon eingeleitet. Der Gedanke war, eben nicht wie damals sehr beliebt, „nur“ nach US- oder UK-House zu klingen.
Du bist vor allem durch deine vielen Remixe namhafter Künstler auch über die Clubszene hinaus vielen ein Begriff, man hört diesen DJ Tonka Style einfach heraus. Ob „Push It“ von Salt’N’Pepa, „Gotta Let You Go“ von Dominica, „Show Me Love“ von Robin S. – deine Neuinterpretation hat viele Hits von damals wieder in die Neuzeit katapultiert.
Ja und noch einige mehr (lacht). Die schönste Geschichte war damals die um mein Remix zu „Safe“ von Jimmy Somerville herum. Ich habe schon in den frühen Achtzigern die Musik aus der Sendung „Formel Eins“ mitgeschnitten. Als ich 1984 das Video zu „Smalltown Boy“ von Bronski Beat (Jimmy Somerville ist Sänger von Bronski Beat, Anm. d. Red.) gesehen hatte, war dies wie ein Aha-Effekt für mich. Eigentlich wollte ich damals erst nur Megamixe und Remixe anfertigen. Nach der Anfrage und folglich der Ablieferung meiner Mixe von „Safe“ hat mich Jimmy Sommerville dann sogar zwei Mal persönlich angerufen. Er wollte wissen, wer ihm den coolen Remix beschert hat und sich auch dafür bedanken. Das war für mich das größte Kompliment und so eine Art Ritterschlag. Somit hat sich der Kreis geschlossen. Unvergesslich!
Und genau jetzt in diesem Moment höre ich gerade das hinten im Club ein Remix von „Smalltown Boy“ läuft! Gibt es echt solche Zufälle?
Du hast in deiner Frage auch noch Salt’n’Pepa angesprochen. Ich habe sie leider nie getroffen, wie das oft bei Künstlern so ist, für die man Remixe produziert. Von P. Diddy weiss ich aber, als ich den Remix zu „Dance I Said“ von Erick Morillo († 2020) produziert habe, dass er Erick im Pasha auf Ibiza, als dieser meinen Mix spielte, wohl gesagt hat: „Genau so muss das klingen!“. Das hat mich auch sehr gefreut, dass ich wenigstens hintenrum mitbekommen habe, dass der Künstler meine Arbeit schätzt. Ich versuche bei meinen Remixen immer, dem Künstler bzw. dem Originalgesang zu huldigen, zeitgleich möchte ich aber auch das Original noch toppen. Auf diese Art wurde aus einigen meiner Mixe nachträglich die A-Seite oder eben der Main Mix, wie bei „Put Your Hands Up“ (Black & White Brothers).
Du bist dafür bekannt, dich vor allem im Club was zu trauen. Tracks zu spielen, mit denen niemand rechnet. Kann das nicht auch ein Wagnis sein, die Tanzfläche zu leeren? Hast du da Anekdoten für uns, die du erzählen möchtest?
Absolut und sogar eine Anekdote aus Münster! Damals im Dockland hat mir ein Freund schon leicht angetrunken erzählt, dass gerade seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat und mich darum gebeten, „I Like Chopin“ (Gazebo, 1983) zu spielen. Er wusste, wir sind beide große Fans des Italo Disco Klassikers. Und ich so: „Jetzt mitten im House Set die Platte??“ Ich hab ihn angeschaut und gedacht: „Egal, jetzt oder nie!“ Erstaunlicherweise funktionierte der Track dann sogar super gut und alles schwelgte in Nostalgie. Ich halte dieses „Take a Risk“ als Künstler und DJ auch für eine Art Bildungsauftrag. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Musik dient schließlich der Unterhaltung und Improvisation gehört, finde ich, einfach zum Job.
Als ich mitbekommen habe, dass Michael Jackson gestorben ist, war ich gerade in München mit dem Fahrrad auf dem Weg zu meinem Resident Abend im Café King („Blitz“, München Betreiber). Inmitten des House-, Indie Dance- und Retro Rave-Sets habe ich dann ganz gezielt Michael Jacksons Ballade „Human Nature“ eingebaut – jeder hat’s sofort verstanden – ein Gänsehautmoment.
Gibt es in deiner ganzen Laufbahn irgendeinen Event, von dem du sagst, der ist mir besonders in Erinnerung geblieben? Ich meine, du bist jetzt seit drei Jahrzehnten dabei.
Stimmt, als Profi jetzt schon knapp 33 Jahre. Mit 14 habe ich angefangen aufzulegen, mit 17 die erste Platte veröffentlicht. „Das Beste ever“? Die Frage kann ich so generell gar nicht beantworten. Ich hatte schon super Parties mit fünf Leuten, aber auch tolle Momente mit 10.000 aufwärts. Auf dem Truck auf der Loveparade zum Beispiel.
Ich bin stolz drauf, in Clubs wie dem legendären Tresor in Berlin oder der Hacienda in Manchester gespielt zu haben. Als Mainzer zwischen den Frankfurter Größen Sven Väth und Torsten Fenslau († 1993) im Omen oder zu den Anfängen im Dorian Gray aufgelegt und auch live gespielt zu haben, ist mir bis heute auch sehr wichtig. Die Gegend hat mich mit geprägt, hier geht es also auch um geschichtliche Ereignisse und Wendepunkte in der elektronischen Musik und Kultur. Der Brückenkopf in Mainz, in dem ich im Prinzip mit 17 meine erste Residency gespielt habe, genießt bis heute Kultstatus – da hat sich Anfang der 90er das Who is Who der internationalen House- und Technoszene die Klinke in die Hand gegeben.
Das sind für mich alles stilprägende Läden gewesen. Ein Event muss ich noch rauspicken. Norman Cook aka Fatboy Slim hatte mich mal im Rahmen der „On the Floor at the Boutique“ CD-Veröffentlichung nach Brighton eingeladen, mit ihm aufzulegen. Als er in den vollen Club kam, ich war schon am auflegen, ist er bei der Begrüßung vor mir auf die Knie gegangen und meinte sinngemäß so etwas wie „Danke, danke für deinen Track ‚Phun-Ky'“ (DJ Tonka, 1995). Dass von jemandem, der noch um einiges mehr gesehen hat als ich, und den ich wirklich außerordentlich respektiere, war eine große Ehre. Danach ging die Party noch mit rund 30 Leuten, inklusive seiner gesamten damaligen Band Freakpower in seinem Privathaus weiter. Solche Abende vergisst man nie.
Wir beide lieben Breakbeat und Old School und ich möchte da noch ein bisschen ins Detail gehen. Deine Platte „Heartjumpa“ die 2001 unter Chip Tunes rauskam, war für mich so ein „WTF“ Moment! Der Track hat einfach alles vereint, wofür Breakbeat und Old School steht und selbst meine Freunde aus England, wo diese Musikrichtung eigentlich ihren Ursprung hat, hätten niemals vermutet, dass das eine deutsche Produktion ist. Die Samples, die du verwendest, sind genial gesetzt, der Piano Break kombiniert mit den Vocals ist ohne Worte, der Einsatz des „Dread Bass“ passt auch perfekt. Weil ich die Herkunft dieser, ich nenne sie mal musikalischen Puzzlestücke, kenne, kann ich einfach nur sagen: Das ist produktionstechnisch ein Geniestreich und zeigt einmal mehr, was du für ein unglaubliches Musikwissen hast und mit welchem Talent du verschiedenste Elemente als Produzent zu einem neuen Ganzen vereinst. Wirklich, meine Hochachtung vor „Heartjumpa“ aus deinen Händen!
Oh, danke sehr! Das Sample aus „Heartjumpa“ erwähnen wir jetzt nicht weiter (lacht), aber auch das ist ganz bewusst gewählt. Aber weil du Breakbeat ansprichst, die „Trip II The Moon“ EPs von Acen (England, 1992) gehören zu meinen absoluten Lieblingsplatten, da geht fast nichts drüber. Der Track „The Life And Crimes Of A Ruffneck“ mit dem berühmten Sample von Ennio Morricone ist ungeschlagen und eine der wichtigsten Produktionen aus dem Bereich Oldschool Breakbeat & Jungle überhaupt! Und dann noch die ganzen James Bond-Score und Beatles Samples – genial!
Woran arbeitest du gerade, worauf können wir uns schon freuen?
Aktuell überarbeite und re-mastere ich meinen gesamten Katalog, das geht bis hin zu den frühen Space Cube Nummern wie „Time To Kill“ (1993). Space Cube waren Ian Pooley und ich, ebenso wie T’N’I und Outrage. Es gibt sogar einen Richie Hawtin Remix einer unserer Space Cube Nummern aus der Zeit, für das hat der R&S Chef Renaat Vandepapeliere sogar eigens ein Sub-Label gegründet (TNI 001). Es kommen aber auch bald einige, sagen wir ungewohntere Klänge von mir. Zum Beispiel so eine Art Dancehall Ballade mit einer Sängerin aus LA und diverse andere Full Vocal Produktionen, sowie Italo House inspirierte Tracks, Jungle, aber auch mal wieder etwas Funky Techno. Ich habe mich die letzten Jahre echt ausgetobt, es sind viele persönliche Lieblingsnummern dabei, die auch in meiner Familie schon heimliche Hits sind.
All das ist jetzt sehr zeitintensiv und vieles kommt so nach und nach ans Licht. Ich habe in den letzten sechs Jahren so gut wie nichts released und alles in erster Linie nur für mich gemacht, aber ich habe mir jetzt vorgenommen, damit langsam mal rauszugehen. Die Jungs von Altra Moda Music, ein Musikverlag aus den Niederlanden, sind mir dabei eine große Unterstützung. Sie betreuen zur Zeit mein Label Tonka Tunes. Ich kümmere mich dabei vor allem um das Artwork und natürlich die Musik.
Du hast mit Vinyl angefangen, nun ist heutzutage alles digital. Fluch oder Segen? Inzwischen glaubt heute jeder, auflegen zu können und auch auflegen zu müssen.
Wir erleben gerade einen kulturellen Missstand. Nur weil man etwas machen kann, heißt das nicht gleich, dass man es auch machen sollte. Es gibt leider viele Blender und teilweise gar mafiöse Strukturen, was so in den Charts abgeht, aber da möchte ich nicht weiter aus dem Nähkästchen plaudern. Das ist auch mit ein Grund, warum ich mich mal ein paar Jahre zurückgezogen habe. Ich sehe mich nicht nur als Musiker, Produzent und DJ, sondern in erster Linie als Künstler. Meine Arbeit ist Ausdruck meiner Persönlichkeit und Stimmungen. Kunst muss aber auch frei sein. Ich habe keine Lust, wie so viele dem Markt, hinterher zu produzieren, das ist im Prinzip genauso unsexy wie die „Clickbait“. Kunst entsteht in dem Moment, wo zwei Dinge aufeinander treffen, die nicht zu einander gehören. Den Spaß sollte man dabei auch nicht vergessen.
Im Prinzip beeinflusst einen alles, auch Inspiration ist gut und wichtig, jedoch habe immer Wert auf eine gewisse Portion Eigenleistung gelegt. Das ist nicht immer wirtschaftlich, aber wenn DJs immer wieder auf mich zukommen, um mir mitzuteilen, dass sie meine Stücke nach zwanzig Jahren und länger immer noch spielen, ist das das größte Kompliment.
Ende Juni wirst du 50. Das sieht man dir nicht an. Das wirst du oft hören (wir beide lachen). Wie wird gefeiert?
Da lege ich neben Acts wie Crystal Waters, ATB, East 17 und Dr. Alban in Irland auf dem „Biggest Disco“ 90s Festival bei Dublin auf. Meine Mutter ravet an dem Wochenende aus gegebenem Anlass natürlich mit, danach schauen wir uns noch ein paar Tage Irland an.
Vielen Dank für das nette Gespräch Thomas und die persönlichen Einblicke in deine musikalische Karriere. Es hat mir großen Spaß gemacht und besuch Münster bitte bald wieder!
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